Krankenhausplan NRW
Nicht jedes Krankenhaus muss alles machen – das ist grob formuliert die Idee des neuen Krankenhausplans NRW. In vielen Kliniken geschieht das bereits. Wie sieht es in Ihren Häusern aus?
Jessica Llerandi Pulido: Das Evangelische Krankenhaus Mettmann, das ich seit 2020 als Geschäftsführerin leite, ist ein Haus mit 245 Planbetten und über 700 Mitarbeitenden. Die grundsätzliche Idee der neuen Krankenhausplanung leben wir bereits seit mehreren Jahren. Wir bieten eine solide Grund- und Regelversorgung und haben darüber hinaus wichtige Leistungsschwerpunkte wie etwa eine breit aufgestellte und moderne interventionelle Kardiologie. Das bedeutet, wir können alle Eingriffe am Herzen mit Hilfe einer minimal-invasiven Kathetertechnik durchführen. Wir sind zudem regionales Traumazentrum und haben eine moderne Gefäßmedizin, die wir gemeinsam mit der Angiologie und Gefäßchirurgie führen. In Bereichen, die wir nicht vorhalten oder hochspezialisiert sind, pflegen wir gute Kooperationen mit großen Zentren in den Nachbarstädten. Das betrifft etwa die Kinderheilkunde oder die Herz-Thoraxchirurgie.
Josef Rosenbauer: Seit 2002 bin ich Geschäftsführer des Diakonie Klinikums Jung-Stilling in Siegen, das 651 Betten und rund 1.500 Mitarbeitende hat. Wir sind ein Haus der höchsten Stufe der Notfallversorgung mit überregionalem Traumazentrum mit Unfall-, Neuro-, Gesichts- sowie Gefäßchirurgie. Deshalb arbeiten wir heute schon mit vielen Krankenhäusern zusammen. Zudem sind wir seit 30 Jahren Standort des Rettungshubschraubers Christoph 25.
Die regionalen Bedingungen sind für Ihre beiden Kliniken unterschiedlich. Der Kreis Mettmann ist eher ländlich, aber von Großstädten umgeben. Siegen ist eine Großstadt, aber die Region eher ländlich. Was bedeutet das im Hinblick auf den neuen Krankenhausplan?
Ob Großstadt oder ländliche Region - das sollte im neuen Krankenhausplan stärker unterschieden werden, meint Jessica Llerandi Pulido.
Jessica Llerandi Pulido: Wir müssen unbedingt zwischen Großstädten und ländlich gelegenen Regionen unterscheiden. Die derzeitige Einteilung in Versorgungsregionen ist zu weit gefasst. Wir haben im Kreis Mettmann die besondere Situation, dass wir gemessen an der Bevölkerungsdichte zu wenige Betten haben. Da wir aber in einem Ballungsraum liegen, geht die Politik davon aus, wir seien überversorgt.
Josef Rosenbauer: Ich stelle in Frage, ob es bei der Krankenhausplanung überhaupt sinnvoll ist, sich an Versorgungsgebieten zu orientieren. Wir müssten mehr auf die Patientenströme schauen und vom Patienten aus denken. Unsere Klinik liegt in einem Dreiländereck, was bedeutet, dass fast die Hälfte der Patientinnen und Patienten aus Hessen und Rheinland-Pfalz kommen. Wir müssen somit die unterschiedlichen Verhältnisse in den Regionen berücksichtigen. Doch das braucht Zeit und ich fürchte, die wird sich nicht finden.
Anders als beim letzten Krankenhausplan 2015 spielt das Bett als zentrales Planungsinstrument keine Rolle mehr, sondern die medizinische Leistung. Es sollen klare Vorgaben erarbeitet werden, für welche Leistungen die Häuser welche Personalstärken und welche technische Ausstattung haben müssen. Befürworten Sie das?
Jessica Llerandi Pulido: Kein Klinikgeschäftsführer kann etwas gegen Qualitätskriterien für medizinische Leistungen haben. Die Bettenzahl war noch nie eine vernünftige Planungsgröße. Insofern ist es gut, dass das nun abgeschafft wird. Doch was versteht die Politik genau unter einer Grund- und Regelversorgung, die überall sichergestellt werden soll? Gehört angesichts einer zunehmend älteren Bevölkerung mit dementiellen Erkrankungen nicht auch beispielsweise eine Neurologie dazu? Ich meine, wir müssten erstmal die interdisziplinären Fachgebiete für eine solide Notfallversorgung analysieren und bewerten, bevor wir über Spezialisierungen reden und dafür Leistungskataloge entwickelt werden.
Dr. Josef Rosenbauer, Klinikchef in Siegen, wünscht sich eine flächendeckende stabile Notfallversorgung.
Josef Rosenbauer: Das sehe ich genauso. Wir brauchen eine stabile Notfallversorgung in den Häusern und erst in einem zweiten Schritt eine Spezialversorgung etwa bei Hüft- oder Knieoperationen, die planbar sind und damit gut in Kooperationen gelingen können. Eine qualitativ hochwertige Notfallmedizin gehört für mich zur Basisversorgung, die in einer Klinik angeboten werden sollte. Das aber ist heute oft gar nicht möglich. Nehmen wir den Fall, ein Patient kommt mit dem Notarzt zu uns, weil er zusammengebrochen ist. Er könnte eine Herzblutung, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall haben. Bei letzterer Diagnose brauchen wir, wenn wir ihn optimal versorgen wollen, eine neurologische Abteilung mit einer "Stroke Unit", also einer spezifischen Diagnostik und Therapie. Doch die haben wir trotz Notfallkrankenhaus nicht, weil das als "Spezialisierung" gilt. Der Patient muss also verlegt werden. Und das kostet wertvolle Zeit.
Doch können wir in solchen Fragen nicht aus der Pandemie lernen? Die Intensivplätze mit teuren Beatmungsgeräten sollten auch massiv abgebaut werden. Dann kam Covid 19 und alle waren froh, dass das noch nicht passiert war.
Jessica Llerandi Pulido: Ja, die Kliniken waren starke Partner in der Pandemie. Im Kreis Mettmann hätte es nicht funktioniert, wenn die Covid-Patientinnen und Patienten nur in den großen Krankenhäusern und Unikliniken hätten versorgt werden sollen. Die Tendenz, große Klinikverbünde zu stärken, ist riskant. Doch für eine gute flächendeckende Versorgung der Bevölkerung brauchen wir auch eine bessere Finanzierung der Kliniken und mehr Wertschätzung für die Berufsbilder in den Kliniken. Es fehlt der Nachwuchs, der in den Kliniken im Schichtdienst oder in ständiger Bereitschaft arbeiten möchte. Auch da muss die Politik dringend handeln.
Josef Rosenbauer: Der Umbau der Krankenhauslandschaft wird kosten. Konkrete finanzielle Zusagen gibt es von Seiten der Politik allerdings nicht. Ich gehe davon aus, dass noch einige der etwa 350 Kliniken in NRW in den nächsten Jahren geschlossen werden. Doch auch das ist ein kostspieliger und mühseliger Weg. Den aber gehen die Kliniken vor Ort meistens alleine. Da wünsche ich mir mehr Transparenz und Mut von der Politik. Wenn sie so stark in die Planung der Krankenhauslandschaft eingreift, soll sie das auch der Bevölkerung in den Regionen klar machen.
Das Gespräch führte Sabine Damaschke. Fotos: Sabine Damaschke; Teaserfoto: pixabay
Evangelisches Krankenhaus Mettmann: Vorreiter der Digitalisierung
Das Diakonie Klinikum Jung-Stilling in Siegen
FAQ zur neuen Krankenhausplanung
Krankenhaus und Gesundheit
Bei seiner Mitgliederversammlung hat sich der Verband Evangelischer Krankenhäuser Rheinland-Westfalen-Lippe intensiv mit dem neuen Krankenhausplan für NRW beschäftigt. Grundlage der Planung ist nicht mehr das Krankenhausbett, sondern es sollen medizinische Leistungsbereiche sein, die sich an den Fachgebieten der ärztlichen Weiterbildungsordnung orientieren. 32 übergeordnete Leistungsbereiche werden 64 Leistungsgruppen mit konkreten Qualitätsvorgaben zugeordnet. Der neue Krankenhausplan wurde dem Landtag Ende September vorgelegt. Spätestens Anfang 2022 sollen regionale Planungsverfahren eingeleitet werden, bei denen die jeweilige Bezirksregierung auf die Kliniken zugeht. 2023 soll es dann landesweit in die Umsetzung gehen.