Klinikreform und Ausbau der Palliativmedizin
Frau Grothe Kuehn
Ende September haben sich die Evangelischen Krankenhäuser an den Protesten gegen die Krankenhausreform beteiligt – und Sie sind mitmarschiert in Berlin. Jetzt ist das neue Gesetz verabschiedet worden. Für die Reform stellt die Bundesregierung bis zum Jahr 2020 insgesamt rund fünf Milliarden Euro zur Verfügung. Sind Sie zufrieden?
In einigen Punkten ja, in anderen überhaupt nicht. Es wird mehr Geld für die Einstellung neuer Pflegekräfte geben, nämlich rund 830 Millionen Euro. Das ist natürlich zu begrüßen, und diese Summe hört sich gigantisch an. Doch bis zum Jahr 2020 fehlen nach Schätzungen des Deutschen Pflegerates 100.000 Stellen in der Krankenhauspflege. Durch das neue Pflegepaket werden rund 12.000 neue Jobs geschaffen, das heißt im Schnitt gibt es pro Klinik sechs neue Pflegekräfte. Es ist ein Anfang, aber mehr nicht, wenn wir die Pflege am Bett tatsächlich verbessern wollen. Wie nötig das ist, wissen nicht nur die Patienten, sondern auch die Pflegekräfte, die im Klinikalltag immer mehr an ihre Grenzen kommen.
Bundesminister Hermann Gröhe wirbt damit, dass dieses Gesetz die Qualität der rund 2.000 deutschen Kliniken deutlich verbessern wird. Das soll auch anhand von Qualitätsprüfungen geschehen.
Schon heute haben wir eine Vielzahl von Qualitätsprüfungen, denen sich die Kliniken stellen müssen. Es gibt den gemeinsamen Bundesausschuss der Krankenkassen und Leistungserbringer, der Richtlinien für die Gesundheitsversorgung erlässt, nach denen sich dann die Beteiligten richten müssen. Da geht es zum Beispiel um die Zahl der Hüftoperationen, die nur ab einer bestimmten Menge von den Krankenkassen finanziert werden oder um Standards in der Intensivmedizin für Frühchen. Wenn hier eine aufwändigere medizinische Versorgung verlangt wurde, mussten die Kliniken selbst sehen, wie sie für die Finanzierung von moderneren Geräten oder mehr Personal aufkommen. Jetzt sollen die Mehrkosten über Zuschläge finanziert werden. Das ist vom Grundsatz her eine positive Regelung.
Die Krankenhausreform steht unter dem Motto „Weniger Betten, mehr Pflege.“ Der Umbau der Kliniklandschaft soll im Rahmen des Gesetzes mit einem sogenannten Strukturfonds unterstützt werden, aus dem Investitionsmittel bezahlt werden. Ist das eine gute Idee?
Überhaupt nicht. Dieser Strukturfonds enthält 500 Millionen Euro. Das Geld kommt aus dem Gesundheitsfonds der Krankenkassen und der jeweiligen Bundesländer. Sie sollen die gleiche Summe beisteuern. Wir haben aber alleine in den Kliniken in NRW einen Investitionsstau von drei bis fünf Milliarden Euro! Das Geld ist also noch nicht mal ein Tropfen auf den heißen Stein. Ich bezeichne den Fonds daher als „Abwrackfonds“, denn er soll eigentlich nur den Anreiz schaffen, Kliniken zu schließen und deren Aufgaben umzuverteilen, zum Beispiel auf stationäre Pflegeeinrichtungen.
Aber man soll sich nicht täuschen: Auch die Schließung von Häusern und Abteilungen kostet eine Menge Geld. Das gilt auch für Fusionen, wenn an einem zentralen, gut erreichbaren Standort neu gebaut werden muss, was oft der Fall ist. Außerdem leben wir in einer älter werdenden Gesellschaft, für die eine gute Grundversorgung am Ort wichtig ist. Nun kommen die vielen Flüchtlinge hinzu. Auch da ist derzeit noch ungeklärt, wie das unsere Gesundheitsversorgung verändern wird.
Viel Kritik also an der Krankenhausreform. Wie sieht es mit dem neuen Hospiz- und Palliativgesetz aus? In immer mehr Kliniken gibt es inzwischen ja auch Palliativstationen.
Das Gesetz, das von 2016 an rund 200 Millionen Euro mehr für die Hospizversorgung und Palliativmedizin vorsieht, kann auch für die Krankenhäuser eine Verbesserung bringen. Bisher haben Palliativstationen immer wieder harte Kämpfe mit den Krankenkassen um die Tagessätze auszufechten. Dass die medizinische Versorgung von Menschen an ihrem Lebensende verbessert und aufgewertet wird, ist auf jeden Fall positiv zu sehen. Auch die Beteiligung von Krankenhäusern an der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung wird im Interesse der Patienten ermöglicht. Allerdings sind wir bei der Diakonie RWL sehr enttäuscht, dass die stationäre Altenhilfe im Gesetz nicht ausreichend berücksichtigt wird. Immerhin sterben 40 Prozent der Menschen in Pflegeheimen.
Das Gespräch führte Sabine Damaschke.