15. Februar 2017

Kirchliche Krankenhäuser

"NRW-Politik muss Investitionsstau beenden"

"Wir brauchen jetzt Lösungen und keine Enquete-Kommission!" Mit diesem Schlussappell brachte Jochen Brink, Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen, die Forderungen der konfessionellen Kliniken auf den Punkt. Bei einem politischen Fachgespräch in Düsseldorf kritisierten Vertreter kirchlicher Krankenhäuser gegenüber Sozialpolitikern die allzu große Förderlücke bei den Investitionen. 

Jochen Brink, Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW, in der Diskussion mit FDP-Politikerin Susanne Schneider

Die katholischen und evangelischen Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen betreuen etwa zwei Drittel aller Patienten. Sie erfüllen damit einen christlichen Auftrag. Sie sorgen zu wesentlichen Teilen für die medizinische und pflegerische Betreuung kranker Menschen. Zudem sind die kirchlichen Krankenhäuser ein wesentlicher Baustein der regionalen Gesundheitswirtschaft und damit ein wichtiger volkswirtschaftlicher Faktor.

Ihre unbestritten wichtigen Aufgaben zu erfüllen, fällt den evangelischen und katholischen Krankenhäusern zunehmend schwer. Es hat sich ein milliardenschwerer Investitionsstau angehäuft. Der jährliche Investitionsbedarf liegt laut einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstitut RWI bei 1,5 Milliarden Euro. Die Fördermittel des Landes betragen aber lediglich gut 500 Millionen Euro pro Jahr. So ergibt sich eine Lücke von etwa einer Milliarde Euro jährlich. Sie liegt bei den freigemeinnützigen Krankenhäusern – das sind in NRW vor allem kirchliche Häuser – bei etwa 650 Milliarden Euro. 

Veranstalter Thomas Weckelmann (Evangelisches Büro NRW) und Antonius Hamers (Katholisches Büro NRW) (v.l.)

Investitionsstau in der Praxis

Die abstrakten Zahlen lassen sich übersetzen in anschauliche Schilderungen zur Situation in den Häusern. Dass Eltern ihr Kind nicht gerne in einer Kinderklinik behandeln lassen möchten, die seit 40 Jahren auf ihre Sanierung wartet, leuchtet unmittelbar ein.

Aber auch wenn ganze Klinikstandorte geschlossen oder Teilbereiche aufgegeben oder in Nachbarorte verlegt würden, koste das Geld, erklärte Klaus Goedereis, Vorsitzender der Franziskus-Stiftung Münster, auf dem Politischen Fachgespräch am Dienstag in Düsseldorf. Dazu eingeladen hatten die Diakonie RWL, das Evangelische und das Katholische Büro NRW sowie die Diözesancaritasverbände der fünf Bistümer im Land.

Nils Krog vom Verband evangelischer Krankenhäuser in RWL (rechts) im Gespräch mit Jochen Brink und SPD-Politiker Günter Garbrecht (links)

Verbünde und Fusionen kosten Geld

Wenn Kliniken Verbünde bilden oder fusionieren, muss modernisiert werden. Und das sei ebenfalls kostspielig, stellte Nils Krog, Vorsitzender des Verbandes Evangelischer Krankenhäuser in Rheinland-Westfalen-Lippe, klar. Insgesamt also gelte, so fasste Goedereis zusammen: "Man muss immer wieder schieben, kann nur die notwendigsten Maßnahmen durchführen, kann nur Kernbereiche sanieren."

Klassische bauliche Mängel und inakzeptable Standards bei der Unterbringung von Patienten, so machten die Krankenhausvertreter deutlich, sind nur eine Seite des Problems. Hinzugekommen sind die Anforderungen des 21. Jahrhunderts, etwa die Millionen an Euros, die in Cybersicherheit investiert werden müssen. 

Klaus Goedereis, Vorsitzender der Franziskus-Stiftung Münster

Verdichtete Diskussion statt Klagen

Die Situation sei eigentlich nur noch beklagenswert, so Godereis. Doch er wolle nicht klagen. Mit ihrem politischen Fachgespräch geht es den kirchlichen Krankenausvertretern vielmehr darum, "miteinander ins Gespräch zu kommen" und "eine verdichtete Diskussion" zu führen.

Gesprächsgrundlage sind Zahlen, Daten, Fakten, Tabellen, Grafiken und Kurven zum Investitionsstau. Gesprächspartner sind die Gesundheitspolitiker des Landes, denn Investitionen in Krankenhäuser sind Ländersache. 

NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens

Steffens will Kliniken "nicht schlecht reden"

In ihrem Gesprächsbeitrag präsentierte sich NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) als Anhängerin des "wertegebundenen Krankenhauswesens". Schließlich arbeiteten hier Beschäftigte, für die ihr Beruf auch Berufung sei, so die Ministerin.

Steffens forderte aber, die Krankenhauslandschaft nicht schlechtzureden. Sie verwies hierzu auf überdurchschnittlich gute Ratingergebnisse. Kein Krankenhaus in NRW müsse Personal entlassen. Zum Kernthema des politischen Fachgesprächs merkte sie an, dass das Land die Investitionsförderung verbessert habe. Dies sei als Signal zu verstehen.

Peter Preuß, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion

Gesundheitspolitik nicht auf Null fahren

Ähnliche Signale setzten die Gesundheits- und Sozialpolitiker von SPD, CDU und FDP, Günter Garbrecht, Peter Preuß und Susanne Schneider. Trotz Landtagswahl und Bundestagswahl werde die Gesundheitspolitik nicht auf Null gefahren, erklärten sie. Man könne zwar über alternative Finanzierungsmodelle nachdenken, erhielte dann aber andere Einflussnehmer.

Dass es gut geführte Krankenhäuser mit schwarzen Zahlen, engagiertem Personal und zufriedenen Patienten gebe, müsse zur Kenntnis genommen werden. Eine wichtige Frage sei aber auch, warum in direkter Nachbarschaft solch erfolgreicher Kliniken Krankenhäuser in schlimmer Schieflage arbeiteten.

Diakonie RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann (rechts) verfolgte die lebhafte Debatte 

Sofortprogramm statt Warteschleife

Von Seiten der Politiker wurde in der Diskussion angedeutet, dass das Land bei seinen Investitionen in die Kliniken zumindest zum höheren Bundesdurchschnitt aufschließen könnte. Derzeit liegt es beim Ländervergleich auf dem vorletzten Platz. Für die Krankenhausvertreter stellte Jochen Brink schließlich anerkennend fest, "dass der zusätzliche Bedarf bei der Politik angekommen ist."

Seine Kernforderungen stehen aber weiter im Raum. Es dürfe kein Ping-Pong-Spiel zwischen Land und Bund geben, forderte er. Die Krankenhäuser benötigten ein Sofortprogramm mit sichtbaren Ergebnissen für die Patienten und die Kliniken. Die notwendigen Investitionen dürften nicht in die nächste Warteschleife geschoben werden. "Wir brauchen sofort etwas. Wir brauchen jetzt Geld."

Text: Reinhard van Spankeren, Fotos: Achim Pohl

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