6. August 2019

Digitalisierung im Krankenhaus

Mit einem Klick zur Patientenakte

Patientenakten in Hängeschränken? OP-Bilder auf Papier? Im Evangelischen Krankenhaus Mettmann sind diese Zeiten vorbei. Hier werden alle Daten digital erfasst. Und zwar schon bei der Visite. Die neue Technik gibt Ärzten und Krankenschwestern mehr Zeit für ihre Patienten. Und sie kann Leben retten, denn lebenswichtige Informationen werden schneller weitergeleitet. Ein Blick in die Klinik der Zukunft.

Im Evangelischen Krankenhaus in Mettmann muss niemand die Krankenakte von Patienten suchen. Es gibt sie nicht mehr. Ein Mausklick und alle Informationen zum Patienten stehen zur Verfügung: Laborbefunde, Arztbriefe, Medikation oder OP-Aufnahmen. Alles wird digital abgelegt. In Besprechungen können OP-Bilder auf Bildschirmen von allen gleichzeitig per Beamer eingesehen und besprochen werden.

"Niemand rätselt, was gemeint ist, wenn der Arzt mal wieder unleserlich geschrieben hat", sagt Hans Peter Klaus, Leiter der IT-Abteilung im Evangelischen Krankenhaus Mettmann. Denn auch Ärzte und Krankenschwestern legen ihre Infos digital ab. Für das Pflegepersonal, aber auch für die Ärzte war das vielleicht die größte Umstellung. Denn die digitale Eingabe musste erst eingeübt werden. "Es gab natürlich Mitarbeitende, die Lust auf die neue Technik hatten und andere, denen die Umstellung schwerer fiel", erzählt der Computerspezialist.

Geschäftsführer Bernd Huckels meint, dass es für die Zukunft einheitliche digitale Konzepte braucht.

Abschied von Papierakten

Bereits vor sieben Jahren startete der Geschäftsführer der Klinik, Bernd Huckels, den Digitalisierungsprozess, der die Abläufe im Krankenhaus optimieren sollte. Projektleiter Hans Peter Klaus begleitete die Einführung der neuen Technik als IT-Leiter. 2016 wurde komplett auf die digitale Patientenakte umgestellt. Insgesamt über 2.000 Schulungsstunden wurden investiert, um den Übergang von der Papier- zur Digitalakte zu schaffen. Doch die Motivation des Klinikpersonals sei hoch gewesen, erzählt Klaus. "Die digitale Eingabe geht deutlich schneller. So bleibt mehr Zeit für die pflegerischen Kernaufgaben und den zwischenmenschlichen Kontakt."

Bei der Visite im Krankenzimmer wird nun nicht mehr in Akten geblättert. Stattdessen steht ein mobiler Visitenwagen mit PC vor den Betten der Patienten. Alles, was die Ärzte mit ihnen besprechen, wird sofort digital erfasst. Das gilt auch für die Abläufe in den hochmodernen Operationssälen. Bereits im Rettungswagen können mit digitalen Schnittstellen lebenswichtige Informationen des Patienten an das Krankenhaus weitergegeben werden.

IT-Leiter Hans Peter Klaus begleitete die Einführung der neuen Technik im Evangelischen Krankenhaus in Mettmann.

Vorreiter der Digitalisierung

Beim Thema Digitalisierung gehört das Evangelische Krankenhaus in Mettmann zu den Vorreitern. Zwar haben sich viele Krankenhausmanager auf den Weg gemacht, aber in der Umsetzung sind nur wenige regionale Kliniken so weit wie das Evangelische Krankenhaus Mettmann mit seinen über 240 Betten.

Grundsätzlich hängen vor allem die kleinen Krankenhäuser beim Thema Digitalisierung hinterher, wie Informatiker Hans Peter Klaus beobachtet. "Es fehlen Standards", sagt er. Laut einer Studie gibt ein Großteil der Krankenhäuser weniger als zwei Prozent des Umsatzes für Investitionen in die IT aus. Zum Vergleich: In der Industrie beträgt dieser Anteil etwa zwölf Prozent.

Zu den Standards gehören nach Ansicht von Klaus auch Schulungen der IT-Mitarbeiter, die mehr medizinisches Knowhow mitbringen müssen. So gibt es nachts nicht nur einen Bereitschaftsdienst der Ärzte, sondern auch der EDV-Mitarbeitenden. Sie sind zur Stelle, falls ein Gerät mal nicht funktioniert. Bei einem Stromausfall werden Notstromaggregate eingesetzt. 

Im Evangelischen Krankenhaus in Mettmann werden alle Daten digital erfasst.

Datenschutz in der Klinik

Zwei Rechenzentren replizieren die Daten und sorgen für die Datensicherheit. "Zur Not könnten wir eine digitale Akte ausdrucken, aber der Fall ist noch nie eingetreten", so Klaus. Die medizinischen Daten sind im Krankenhaus geschützt. Berechtigungssysteme sichern, welcher Mitarbeiter auf welche Information zugreifen darf.

Um die Klinik vor Hackerangriffen zu schützen, werden alle drei bis vier Jahre die digitalen Sicherungssysteme auf den neusten Stand gebracht.  Die IT-Sicherheit sei eine grundlegende Voraussetzung für die Digitalisierung, betont Klaus. Natürlich gebe es keine hundertprozentige Sicherheit, räumt er ein, "aber auch mit der Papierakte kann Missbrauch betrieben werden". Gleichzeitig bietet die Digitalisierung seiner Ansicht nach mehr Sicherheit. "Man kann immer nachvollziehen, wer was eingesehen oder ausgedruckt hat."

Bei der Visite wird nicht mehr in Akten geblättert: genutzt wird ein mobiler Visitenwagen mit PC.

Technik lockt Fachkräfte

Die Umstellung einer gesamten Klinik auf das digitale Arbeiten ist teuer. Bislang müssen die Krankenhäuser diese Kosten selbst tragen. Für die Zukunft aber, so meint Geschäftsführer Bernd Huckels, brauche es einheitliche digitale Konzepte. Und die müssten vom Staat refinanziert werden.

Schließlich, so betont auch Hans Peter Klaus, hilft die Digitalisierung dabei, moderne Technik und eine Würde wahrende Pflege miteinander zu verbinden. "Es ist eine Investition in die Zukunft, die sich für alle lohnt", sagt er. Patienten profitierten davon, dass Ärzte und Pflegekräfte mehr Zeit für sie hätten. Und die Klinik werde zum attraktiven Arbeitgeber. "Wir konkurrieren um Fachkräfte in der Pflege. Unsere digitale Technik war für einige ein Grund zu uns kommen."

Text: Sabine Portmann, Fotos: Evangelisches Krankenhaus Mettmann

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