31. Juli 2018

Freiwillige im Sommerporträt

Sarah Klein: Glücklich in der Kita

Erzieherinnen sind gefragt wie nie. Doch Nachwuchskräfte fehlen, denn der Job ist stressig, die soziale Anerkennung bescheiden, das Gehalt ebenfalls. Im Freiwilligendienst bei der Diakonie RWL wollte Sarah Klein herausfinden, ob sie diesen Beruf trotzdem wählen möchte. Nach ihrem Jahr in einer evangelischen Kita ist klar: Nichts passt besser zu ihr.

Zwei Mädchen vor einer Blumentafel

Auf der Tafel ging's nicht so gut, aber sonst sind Sarah und Lea (v.l.) Expertinnen im "Sternemalen".

Fast hätte Sarah Klein ihren Einstellungstest in der Sternengruppe nicht bestanden. Zumindest, wenn es nach Lea und ihrer Freundin Sarah gegangen wäre. "Sie konnte keinen richtigen Stern malen", erzählen sie und kritzeln schnell einen Stern auf eine Blume mit Kreidetafel, die am Gartengeländer hängt. "So geht das. Aber das musste ich ihr erst beibringen", betont die sechsjährige Sarah und ist sichtlich stolz darauf, dass sie der "großen Sarah" helfen konnte.

Seitdem haben die Freudinnen viel mit ihr in der evangelischen Kita "Fliedner-Kindergarten" in Oer-Erkenschwick gemalt, gebastelt und gespielt. "Und sie hat uns das Kartenspiel Uno beigebracht", betont die kleine Sarah, als würde sie von ihrer großen Schwester sprechen. Keine Frage, Sarah ist in ihren Augen längst vollwertiges Mitglied der Sternengruppe, eine Erzieherin wie die anderen auch. Nur eben jünger, weshalb man mit ihr "prima toben und Matschpfützen machen kann".

Sarah mit drei Mädchen im Sand

Viele Jugendliche möchten gerne "etwas mit KIndern" machen - so wie Sarah Klein. Jetzt bietet die Diakonie RWL mehr Plätze in Kitas an.

Weiter Weg zum Traumberuf

Jetzt genießen die Kinder die letzten Tage mit der 18-jährigen Sarah. Für sie endet ihr Freiwilliges Soziales Jahr in diesem Sommer. Sie geht mit einem weinenden und einem lachenden Auge. "Ich werde die Kinder und Erzieherinnen vermissen", sagt sie. "Aber ich bin auch glücklich, weil ich nun definitiv weiß, dass ich Erzieherin werden möchte." Am Berufskolleg in Recklinghausen wird sie bald eine zweijährige Ausbildung zur Kinderpflegerin beginnen. Danach möchte sie noch die dreijährige Erzieherinnenausbildung anschließen.

Ein weiter Weg, bis sie in ihrem Traumberuf arbeiten kann. Er dauert so lange wie ein Hochschulstudium, ist aber längst nicht so gut bezahlt und gesellschaftlich so anerkannt. Deshalb freut sich Kitaleiterin Gisela Verstege über jeden jungen Menschen, der sich für ihren Beruf, den sie seit 35 Jahren ausübt, interessiert. Laut Studien fehlen bis zum Jahr 2025 bundesweit rund 330.000 Betreuungskräfte in den Kitas. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Portrait

Kitaleiterin Gisela Verstege nimmt jedes Jahr eine FSJlerin in ihr Team.

Türen für den Nachwuchs öffnen

"Die Betreuungszeiten sind länger, die Kinder jünger, die ethnische Vielfalt ist bunter und hinzu kommt die Inklusion", zählt Gisela Verstege auf. Die individuelle Förderung der Kinder finde nicht nur zu bestimmten Zeiten und in bestimmten Gruppen statt wie es früher der Fall gewesen sei, sondern erfolge den ganzen Tag und werde auch ständig dokumentiert. "Der Job ist anspruchsvoller als früher, aber das Gehalt kaum höher." Zudem werden auch in den Offenen Ganztagsschulen und in der Erziehungshilfe Fachkräfte gesucht.

"Wir müssen die Türen zu unserem Beruf öffnen", meint die 58-jährige Kitaleiterin, "und jungen Menschen zeigen, dass die Arbeit mit Kindern schön ist - trotz unserer Kritik an den heutigen Rahmenbedingungen." Seit sechs Jahren hat der Fliedner-Kindergarten mit seinen 45 Kitaplätzen und sechs Erzieherinnen daher jedes Jahr eine Freiwillige im Team. Regelmäßig kommen Praktikanten hinzu.

Sarah hat Jorina im Arm

Toben macht mit Sarah besonders viel Spaß, meint Jorina.

Auf Augenhöhe mit den Kindern

Wer sich für den Job eignet, spürt Gisela Verstege oft schon am ersten Tag der Hospitation. "Die Haltung zum Kind ist entscheidend", betont sie. "Ihm auf Augenhöhe zu begegnen und es als Persönlichkeit mit all seinen guten Eigenschaften, aber auch Macken anzunehmen, egal, aus welcher sozialen Schicht, Kultur oder Religion es kommt."

Genau das könne Sarah, lobt Gisela Verstege. Zudem sei sie geduldig, hilfsbereit und immer freundlich. "Sie hat zum Beispiel für alle Kinder, die jetzt unsere Kita verlassen, Fotos und Dokumentationen auf einen Stick gezogen. Das war richtig viel Arbeit." Doch sie wünscht sich, dass Sarah sich mehr zutraut. "Für den Umgang mit willensstarken Kindern und Eltern ist es wichtig, dass sie sich behaupten kann."

Manchmal habe sie sich tatsächlich unsicher gefühlt, gibt Sarah zu. Etwa wenn Kinder ihre Grenzen austesten und sie bewusst provozieren oder nicht immer die Wahrheit sagen. Die Erzieherinnen ermutigten sie, sich die kleinen Gemeinheiten nicht gefallen zu lassen. "Ich habe viel Unterstützung im Team bekommen und wurde direkt in die Arbeit mit den Kindern einbezogen", erzählt Sarah. Auch das autistische Kind in ihrer Gruppe durfte sie betreuen. "Alle haben mir viel zugetraut. Ich war nicht nur eine billige Arbeitskraft, die aufräumt und sauber macht."

Sarah sitzt auf der Bank unter dem Schirm

Handwerkliches Talent: den Holztisch mit Schirm hat Sarah zusammengebaut und lackiert. 

Teamfähiger und selbstbewusster

Ihr Freiwilligendienst hat sie teamfähig und selbstbewusster gemacht, meint Sarah. "Eigentlich wusste ich ja schon in der Grundschulzeit, dass ich Erzieherin werden möchte, aber als klar war, dass ich nur einen Hauptschulabschluss schaffe, habe ich es mir nicht mehr zugetraut." Sie machte deshalb ein Praktikum in einem Handwerksberuf. Doch als sie hörte, dass es über die Ausbildung zur Kinderpflegerin möglich ist, Erzieherin zu werden, entschied sie sich für den Freiwilligendienst in einer Kita. "Ich wollte sicher gehen, dass der Beruf wirklich zu mir passt und sich die lange Ausbildung lohnt", sagt sie.

Sarah Klein bewarb sich bei mehreren Kindertagesstätten in Marl, Recklinghausen und zuletzt auch in Oer-Erkenschwick. "Eigentlich wollte ich nicht in eine evangelische Einrichtung“, gibt sie zu. „Ich hatte die Befürchtung, dass solche Kitas fromm, streng und altmodisch sind." Nach ihrem Jahr im Fliedner-Kindergarten kann sie sich gut vorstellen, später in einer evangelischen Kita zu arbeiten. "Ich habe hier viel Offenheit, Vielfalt und Liebe zu den Kindern und ihren Familien erlebt", betont Sarah. "So wünsche ich mir diesen Beruf."

Text und Fotos: Sabine Damaschke