Schulsozialarbeit
Frau Keller, Sie sind die erste Schulsozialarbeiterin am Berufskolleg Michaelshoven. Warum wurde die Stelle neu geschaffen?
Ilona Keller Die Lehrkräfte und Schulleitung haben insbesondere in den Jahren der Pandemie festgestellt, dass psychische Belastungen ein großes Thema bei den Studierenden und Schüler*innen sind und darüber hinaus ihre Probleme immer komplexer werden. Die Lehrkräfte können die Bedarfe und Beratung zeitlich nicht abdecken. Deshalb wurde die Stelle der Schulsozialarbeit geschaffen. Ich stehe den jungen Menschen vor allem in akuten Notsituationen und persönlichen Lebenskrisen zur Seite. Und ich bin auch Ansprechpartnerin für Eltern und Lehrkräfte. Ich arbeite dabei eng mit dem Kollegium und der Schulleitung zusammen.
Wie genau läuft die Schulsozialarbeit ab?
Keller Der wichtigste Aspekt ist, dass es sich um ein freiwilliges und vertrauliches Angebot handelt. In der Regel ist es so, dass die Studierenden und Schüler*innen Kontakt mit mir aufnehmen. Auch Lehrkräfte informieren mich, wenn sie denken, dass jemand Gesprächsbedarf hat. Dann kann ich den Kontakt aufnehmen und ein Gespräch anbieten. Perspektivisch geht es mir darum, diejenigen anzusprechen und zu erreichen, die nicht von sich aus das Angebot nutzen, aber definitiv Unterstützung benötigen.
Manche Studierende haben finanzielle Schwierigkeiten. Ilona Keller schaut dann, welche Kosten anstehen und macht eine Kostenaufstellung für den Überblick.
Mit welchen Themen werden Sie konfrontiert?
Keller Es sind psychische Belastungen, Depressionen, Schwierigkeiten in der Familie und in der Beziehung, unter anderem auch Gewalt in der Beziehung. Außerdem geht es um Angststörungen, die zum Beispiel aufgrund der Isolation während der Pandemie aufgekommen sind oder Prüfungsängste. Ich hatte auch Schüler*innen mit finanziellen Problemen in der Beratung, die Rechnungen nicht bezahlen können und Hilfe brauchen. Es gibt auch Gespräche, in denen es um starke Konzentrationsschwierigkeiten geht. Hier braucht es zunächst eine klare Diagnose oder ein Gutachten, aus dem hervorgeht, welche Unterstützung benötigt wird. Auch sprachliche Schwierigkeiten sind ein Thema, da organisiere ich Nachhilfe für Schüler*innen, für die Deutsch eine Fremdsprache ist, damit sie beim Lernstoff mitkommen können.
Wie können Sie bei finanziellen Schwierigkeiten helfen?
Keller Ich schaue, was genau das Problem ist, welche Kosten anstehen und mache anschließend eine Kostenaufstellung für den Überblick. Manche sind so überlastet, dass sie den Überblick verloren haben. Gemeinsam schauen wir, was als erstes zu tun ist: Muss jemand benachrichtigt werden, beispielsweise der Vermieter, weil man in Mietverzug gekommen ist? Häufig ist es so, dass BAföG-Anträge noch nicht bearbeitet sind oder sich die jungen Heranwachsenden verkalkuliert haben. Dann ist zu prüfen, welche Leistungen einem zustehen: Gibt es Kindergeld oder einen Anspruch auf Wohngeld? Wir legen gemeinsam die nächsten Schritte fest. Und wenn das nicht reicht, gestalte ich die Überleitung an eine Schuldnerberatungsstelle.
Schulsozialarbeiterin Ilona Keller unterhält sich mit zwei Schülerinnen am Berufskolleg Michaelshoven.
Sie haben vor zehn Jahren Ihre Ausbildung am Berufskolleg Michaelshoven gemacht. Was hat sich seitdem verändert?
Keller Neben den Belastungen durch die Pandemie, die wir alle spüren, haben sich auch die Bildungsgänge verändert. Damals gab es die praxisintegrierte Ausbildung noch gar nicht, während der man zum Teil zur Schule geht, zum Teil aber schon in der Praxis arbeitet. Natürlich ist diese Ausbildung finanziell attraktiv, da die Schüler*innen ein Ausbildungsgehalt bekommen. Dafür haben sie aber andere Probleme, weil sie den Spagat zwischen Schule und Ausbildungsstätte bewältigen müssen. Und häufig ist es so, dass die Auszubildenden in der Praxis zu hart rangenommen werden: Der Fachkräftemangel ist spürbar. Ich finde, die Pandemie hat einiges aufgedeckt, das vorher nicht sichtbar war, aber durchaus schon existierte.
Was möchten Sie mit Ihrer Arbeit erreichen und was ist geplant?
Keller Ich möchte aktiv werden, bevor Studierende und Schüler*innen die Ausbildung abbrechen. Es braucht Zeit, dort präventiv anzusetzen – daher möchte ich die jungen Menschen rechtzeitig abholen und unterstützen, damit sie ihre Ausbildung fortsetzen können. Ich lade sie jeden Montag zu einem offenen Kaffeeplausch in der ersten Pause ein, um ins Gespräch zu kommen. Mit der Schüler*innenvertretung stehe ich im engen Kontakt, die die Angebote weiter an die Klassen tragen. Für dieses Jahr plane ich außerdem Workshops zum Thema Achtsamkeit und Selbstfürsorge. Das ist ein wichtiges Thema, um gesund in dieser herausfordernden Zeit der schulischen Ausbildung und auch im Job zu bleiben. Das habe ich selbst bei meiner langjährigen Tätigkeit in der Jugendhilfe festgestellt.
Text und Fotos: Diakonie Michaelshoven
Jugend und Schulen
Mehr über Ilona Keller
Ilona Keller begann 2012 ihre Ausbildung zur Erzieherin am Berufskolleg Michaelshoven. Sie studierte im Anschluss Soziale Arbeit an der TH Köln und arbeitete parallel als Fachkraft in der stationären Kinder- und Jugendhilfe. Nach dem Studium arbeitete sie in Wohngruppen der Jugendhilfe Michaelshoven und zuletzt bei den Ambulanten Familienhilfen in Leverkusen. 2022 hat Ilona Keller die neu geschaffene Stelle als Schulsozialarbeiterin im Berufskolleg Michaelshoven angetreten.