Schulprojekt "Respekt Coaches"
Melanie Franz ist sozusagen eine "Frau der ersten Stunde". Seit das bundesweite Präventionsprogramm "Respekt Coaches" im Jahr 2018 startete, ist sie am technisch-gewerblichen und sozialpflegerischen Berufsbildungszentrum im saarländischen Neunkirchen für Schüler und Lehrer da. Ihre Aufgabe: Mit Projekten und Workshops das Klassenklima verbessern, Respekt und Toleranz fördern sowie interkulturelle und interreligiöse Kompetenzen vermitteln.
Die Sozialarbeiterin ist eine von zwei "Respekt Coaches" des Diakonischen Werks Saar und gehört damit zu den 14 "Respekt Coaches" an neun Schulstandorten unter dem Dach der Diakonie RWL. Bis zu 300 der mehr als 1.700 Schülerinnen und Schüler erreicht die 42-Jährige pro Jahr mit ihren Projekten. "Ich werde inzwischen als fester Bestandteil und Vertrauensperson wahrgenommen", sagt sie.
Bei der "Stolperstein-Aktion" haben sich Schülerinnen und Schüler mit den Biografien von Menschen auseinandergesetzt, die von den Nationalsozialisten verfolgt wurden. (Foto: Diakonie Saar)
Stolperstein-Aktion und Mediation
Zu den Angeboten, die Melanie Franz bislang realisiert hat, zählt die "Stolperstein-Aktion", in der sich Schülerinnen und Schüler mit Biografien von Opfern des Nationalsozialismus auseinandersetzten. Zusammen mit einem Filmwissenschaftler lernten sie, einen Film zu drehen – vom Skript bis zum Schnitt.
Es gab unter anderem ein interkulturelles Volleyballturnier, ein Kunstprojekt, einen interkulturellen Ausbildungstag sowie einen Ausflug in einen Hochseilgarten mit Kooperationsspielen und Vertrauensübungen. Neben diesen Projekten betreut die Sozialarbeiterin mit den Vertrauenslehrkräften die Schülervertretung und ermöglicht den Jugendlichen damit eine aktive Partizipation am Schulleben. Außerdem begleitet sie die Mediatorinnen und Mediatoren. Das sind Schülerinnen und Schüler, die als eine Art Streitschlichter fungieren. Ganz im Sinne des "Respekt Coaches"-Mottos "Lass uns reden! Reden bringt Respekt".
Mobbing und Angst vor dem Fremden
"Wir sind eng dran am Alltag der Jugendlichen und genau dort wollen wir sie auch erreichen", betont die Sozialarbeiterin. Ein Alltag, der heutzutage nicht selten von sozialen Medien geprägt ist – und das nicht nur positiv, wie Melanie Franz weiß. "Vieles, was dort passiert, bekommt man gar nicht mit. Etwa Hass, Hetze und Mobbing." Das führe zwangsläufig zu Konflikten.
Ohne soziale Medien geht nichts - Deshalb gehört zu den Aufgaben der "Respect Coaches" auch die Medienerziehung. (Foto: pixabay)
"Deshalb fördern wir Medienkompetenz, einen richtigen Umgang mit Hate Speech und Fake News auf Instagram und Co." Außerdem bearbeiteten "Respekt Coaches" politische und interkulturelle Themen wie Fremdenangst. "Die Jugendlichen beschäftigen Fragen wie: Warum hat jemand ein Kopftuch an und warum isst jemand kein Schwein?", berichtet Franz von ihren Erfahrungen. Konflikte entstünden dann oft aus Unwissenheit. "Oder weil sie sich nicht trauen nachzufragen, aus Angst, dann als rechts eingestuft zu werden." Deshalb gelte es, einen Raum zu schaffen, um über so etwas offen sprechen zu können.
Mit der "Respect-Coach-Jacke" unterwegs
Im Normalfall hält sich Franz täglich an beiden Schulstandorten auf. Zu erkennen ist sie dort an ihrer "Respekt-Coach-Jacke". "Dann weiß jeder direkt, wo ich rumrenne", sagt sie und lacht. Wegen Corona ist sie vorerst aber nur an einem Standort. Ohnehin wirke sich die Pandemie auf ihre Arbeit aus. "Vor allem zu Beginn wusste ich nicht, wie ich mit den Jugendlichen arbeiten kann."
Schließlich sind Präsenzangebote nicht möglich gewesen. "Es lief dann vieles über WhatsApp." Dabei sei es oft um die Pandemie, die Situation zu Hause, aber auch um Home Schooling gegangen. "Auf der Strecke geblieben ist aber die Gemeinschaft", meint Melanie Franz.
Melanie Franz im "Aller-Welts-Garten" der Diakonie in Neunkirchen. Dort hat sie mit Schülern Beete gepflanzt. (Foto: Andreas Attinger)
Gemeinschaft dank Gartenaktion
Kurzerhand organisierte sie deshalb im Juni ein Projekt im Aller-Welts-Garten, der Begegnungsstätte des Hauses der Diakonie in Neunkirchen. Zusammen mit den Schülern pflanzte sie dort Beete und baute einen Komposter sowie Loungemöbel. Die Vorbereitungen auf das neue Schuljahr liefen wegen Corona ebenfalls weniger konkret als sonst. "Ich habe aber natürlich schon Ideen im Kopf." So werde es wieder ein Filmprojekt geben. Und ein abgesagter Besuch des Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof solle nachgeholt werden.
"Ich fand alle Projekte ganz toll. Vor allem das Filmprojekt war aber super", lobt Schülerin Samira Edelmann. Am meisten aber habe sie sich für Themen wie Ausgrenzung und Mobbing interessiert. "Das erleben wir im Schulalltag", sagt die 16-Jährige. "Man unterhält sich jetzt eher über solche Themen." Zudem seien klassenübergreifend neue Freundschaften entstanden. "Ich habe viel gelernt und mich persönlich weiterentwickelt", sagt Edelmann, die nun eine Ausbildung beginnt.
Besuch des Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof: Hier will Melanie Franz bald auch mit ihren Schülerinnen und Schülern hin. (Foto: Diakonie Saar)
Wichtiger Beitrag zur Werteerziehung
Wie glücklich auch die Schule über das Programm ist, verdeutlicht Manuela Niedermeier, stellvertretende Schulleiterin des Berufsbildungszentrums in Neunkirchen: "Das Programm leistet einen wichtigen Beitrag zur Werteerziehung." Durch die Angebote werde die Verantwortung gefördert, ein respektvoller Umgang erlernt sowie das Selbstbewusstsein und die Selbstwirksamkeit gestärkt.
"Die Schülerinnen und Schülern werden mit unterschiedlichen Weltanschauungen konfrontiert und lernen diese zu verstehen." Das sei ein entscheidender Beitrag für mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt. Dazu kann laut Melanie Franz ohnehin jeder etwas beitragen. Die Formel sei einfach: "Man sollte jeden so behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte. Viel mehr muss es nicht sein."
Text : Andreas Attinger (ekir), Redaktion: Sabine Damaschke
Jugend und Schulen
Das Bundesprogramm "Respekt Coaches"
Die Projekte des Programms zielen darauf ab, Werte wie Respekt und Toleranz bei jungen Menschen zu fördern sowie Vorurteile abzubauen. Zudem spielen Demokratiebildung und die Vermittlung von interkulturellen und interreligiösen Kompetenzen eine entscheidende Rolle. Dafür werden an deutschlandweit mehr als 190 Schulen Workshops und Projekte durchgeführt. Organisiert, begleitet und in Zusammenarbeit mit externen Partnern umgesetzt wird das Ganze von sogenannten "Respekt Coaches". Diese wiederum sind bei den Jugendmigrationsdiensten sozialer Träger wie der Diakonie angesiedelt.