12. Juli 2017

Kampagne Offene Ganztagsschulen

Lautstark für eine bessere Betreuung

Mit Fackeln, bunt bemalten T-Shirts und selbst gedichteten Liedern protestieren über 3.000 Fachkräfte, Eltern und Grundschüler aus ganz NRW heute vor dem Düsseldorfer Landtag. Sie fordern mehr Geld und verbindliche Standards für die Offene Ganztagsschule (OGS). Es ist der Abschluss einer Kampagne der Freien Wohlfahrtspflege NRW, an der sich viele Mitarbeitende der Diakonie beteiligt haben.

Fackelübergabe der Bonner an die Kölner OGS (Foto: Diakonisches Werk Bonn)

Wie man Politikern Feuer macht, damit sie mehr Geld für eine gute Sache geben, wissen die Offenen Ganztagsschulen in Bonn. Schon vor drei Jahren hat die Diakonie gemeinsam mit anderen Trägern, Eltern, Kindern und Schulleitungen mächtig Druck gemacht, damit die Stadt mehr Plätze einrichtet. Mit Erfolg.

Jetzt tragen sie ihr Feuer nach Düsseldorf zur Landesregierung. Drei Tage lang haben sie brennende Fackeln von einer OGS zur anderen weitergereicht – über Niederkassel, Köln, Leverkusen bis in die Landeshauptstadt. Ihr Motto: "Wir brennen für OGS".

Was in Bonn gelungen ist, muss auch landesweit möglich werden, meint Marion Schaefer, Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes Bonn. "Es kann doch nicht sein, dass es in NRW vom Ort abhängt, ob es genug Plätze und eine gute Betreuung in den Offenen Ganztagsschulen gibt", betont sie. "Die OGS ist keine Verwahranstalt für Kinder. Sie hat den Auftrag, überall im Land gleiche Bildungschancen zu ermöglichen."

Kind bastelt eine Puppenstube

Genug Platz für alle: So stellen sich Kinder in Wuppertal eine gute OGS vor (Foto: Uli Christenn)

In einem Boot: Träger, Kommunen und Eltern

Dafür stehen Marion Schaefer und ihre Mitstreiter heute vor dem Düsseldorfer Landtag. Gemeinsam mit Fachkräften, Eltern, Schulleitungen und Kindern protestieren sie dagegen, dass sich mancherorts 160 Kinder drei leer geräumte Klassenzimmer zum Spielen teilen müssen und dabei von keiner pädagogischen Fachkraft betreut werden. Sie fordern mehr Geld für qualifiziertes Personal und Räume. Und sie wollen endlich einheitliche Qualitätsstandards für alle rund 300.000 OGS-Plätze im Land.

Die Demonstration ist der laute Abschluss der Kampagne "OGS darf keine Glückssache sein", die die Freie Wohlfahrtspflege NRW im April gestartet hat. 

T-Shirts hinter Fensterscheiben

Kampagnen-Shirts aus ganz NRW ausgestellt bei der Diakonie RWL

Seitdem wurden überall im Land T-Shirts unter dem Kampagnenmotto bemalt, Plakate geklebt, Flyer verteilt und Podiumsdiskussionen mit Politikern vor Ort geführt. Es ging darum, Träger, Eltern und Kommunen in ein Boot zu holen. Denn die Forderungen richten sich klar an die Landesregierung.

Schließlich stehen viele Kommunen unter Haushaltssicherung und können gar nicht, wie die Stadt Bonn, mehr Geld für die OGS geben. Die Kosten pro OGS-Kind belaufen sich auf rund 3.000 Euro im Jahr. Das Land zahlt nur 1.000 Euro, die Kommunen müssen 435 Euro dazu geben. Bleiben noch rund 1.500 Euro pro Kind, die dann häufig von den Sozialverbänden aufgebracht werden müssen. Sie machen 80 Prozent der Träger aus.

Portrait

T-Shirt überziehen und los zum Protest: Irene Düring

Schluss mit dem Sparzwang

Seit Jahren bleibe die Diakonie Ruhr Hellweg auf 50.000 Euro jährlich sitzen, erzählt Irene Düring, die dort den Fachbereich Bildung und Erziehung leitet und für 15 Offene Ganztagsschulen zuständig ist. "Wir wissen nicht mehr, wo wir noch sparen können, ohne die Qualität der Betreuung massiv herunterzufahren“, sagt sie.

Mit der Kampagne ist es nun gelungen, alle Verantwortlichen an einen Tisch zu bringen. "Wir haben hier auch die Kommunen in unserer Region für das Problem sensibilisiert." 

Für Düring ist es Ehrensache, dass sie zum Abschluss der Kampagne mit rund 100 Erzieherinnen und Grundschülern aus der Region rund um Hamm, Soest und Arnsberg vor dem Düsseldorfer Landtag steht.

Portrait

Helga Siemens-Weibring kämpft für ein neues Gesetz

Dringend nötig: Gesetz mit Rechtsanspruch

Mit dabei ist auch Helga Siemens-Weibring von der Diakonie RWL. Als Vorsitzende des Ausschusses Familie, Jugend und Frauen der Freien Wohlfahrtspflege NRW hat sie die Kampagne federführend auf den Weg gebracht. "Um verbindliche einheitliche Standards schaffen zu können, brauchen wir ein Gesetz", erklärt sie. Das soll aber nicht nur die auskömmliche Finanzierung, sondern auch den Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz festlegen wie es ihn für die Kitas gibt. "Es darf nicht sein, dass Familie und Beruf unvereinbar werden, wenn Kinder in die Schule kommen, weil OGS-Plätze fehlen." 

Siemens-Weibring bedauert, dass die neue Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag kaum ein Wort zur Situation der Offenen Ganztagsschulen verliert. Einen ersten Brief mit ihren Forderungen hat die Freie Wohlfahrtspflege bereits an Ministerpräsident Armin Laschet verschickt. Nun hofft sie darauf, dass der Protest vor dem Landtag wirkt.

T-Shirts hängen über Stühlen

Viele Ideen für eine gute OGS: von Kindern bemalte T-Shirts

Das Glück einer guten OGS

Nicht zuletzt, weil diejenigen, um die es geht, fleißig an den Aktionen mitgewirkt haben. Auf vielen T-Shirts haben Grundschüler dargestellt, wie sie sich eine gute OGS vorstellen: viel Zeit zum Spielen, schöne Ausflüge, fröhliche statt gestresste Erzieherinnen, ein leckeres Mittagessen sowie Ruhe und Unterstützung, damit man die lästigen Hausaufgaben gut und schnell erledigen kann.

Dabei brauchten manche Grundschüler beim Malen nicht viel Phantasie. Sie kennen all das schon lange. Zum Beispiel in Detmold. Dort haben Kommune und Träger gemeinsam Qualitätsstandards festgelegt, deren Einhaltung jedes Jahr abgefragt und überprüft wird. Für jede Gruppe mit 25 Kindern gibt es zwei Fachkräfte. Die Stadt zahlt Extragelder für Honorarkräfte, die vielfältige Freizeitangebote vom Sport über Musikunterricht bis zur Reittherapie gestalten. In manchen Schulen sind die Erzieherinnen sogar eingebunden in die Klassenleitung.

Portrait

Zufrieden mit den OGS in Detmold: Katja Brinkmann

"Unsere Kinder in Detmold haben Glück", sagt OGS-Koordinatorin Katja Brinkmann von der diakonischen Fürstin-Pauline-Stiftung. "Doch dieses Glück brauchen alle Grundschüler. Deshalb haben wir bei der Kampagne mitgemacht." 

Text: Sabine Damaschke, Fotos: Pawel Junker/Diakonie RWL, Fotos Slide-Show: Presse FW NRW-NVK