Heimkinder nicht im Regen stehen lassen - Diakonie RWL fordert Jugendämter auf, volljährige Jugendliche zu unterstützen
Jugend und Schulen
Um Kosten zu sparen, entließen viele kommunale Jugendämter betroffene Jugendliche mit dem Tag ihrer Volljährigkeit aus der Verantwortung und verwiesen auf die Zuständigkeit der Jobcenter. „Dabei besteht bis zum Alter von 27 Jahren durchaus ein Recht auf Unterstützung im Rahmen der Jugendhilfe“, betont Siemens-Weibring. Doch dabei handele es sich bis zum 21. Lebensjahr um eine „Soll“- und danach um eine „Kann-Vorschrift“, die in der Praxis kaum angewendet werde.
„Heutzutage brauchen selbst 18-Jährige aus intakten Familien die Unterstützung ihrer Eltern, wenn sie eine Wohnung suchen oder sich um Ausbildung und Studium bewerben“, betont die Referentin für Erziehungshilfe, Tanja Buck. „Das gilt erst recht für junge Menschen, die in der stationären Jugendhilfe groß geworden und aufgrund ihrer Geschichte oft stark emotional belastet sind.“
Insgesamt befinden sich rund 53.000 Kinder und Jugendliche in NRW im Rahmen der stationären Jugendhilfe in der Obhut des Jugendamtes. Sie leben in Heimen, Wohngruppen oder bei professionellen Pflegeeltern. Rund ein Drittel der Jugendlichen, die mit 18 Jahren aus der stationären Jugendhilfe entlassen werden, haben laut Buck weder eine Ausbildung noch einen Job und sind ganz auf sich alleine gestellt. Nicht selten landeten sie in der Obdachlosigkeit, nachdem sie mit krisenhaften Situationen überfordert gewesen seien und keine geeigneten erwachsenen Ansprechpartner gefunden hätten, beobachtet die Expertin.
Die Diakonie RWL drängt auf eine andere Organisation der Hilfestruktur. Die Jugendämter müssten eine längere sozialpädagogische Begleitung sicherstellen, die über das 18. Lebensjahr hinausgeht, so Buck. „Statt vieler einzelner Projekte, die es je nach Kassenlage in den Kommunen schon heute gibt, brauchen wir Hilfen aus einer Hand.“ Das könne zum Beispiel durch Beratungsstellen geschehen, die den jungen Erwachsenen bei der Wohnungs- und Jobsuche sowie Behördengängen helfen.
Eine andere Möglichkeit besteht laut Buck darin, eigene Appartements für volljährige Jugendliche einzurichten, die an Wohngruppen angegliedert sind. Dies bieten bereits einige diakonische Einrichtungen wie die Graf-Recke-Stiftung in Düsseldorf an. Doch die Jugendhilfe finanziere diese Wohnmodelle nur in Ausnahmefällen. Keine Chance hätten Jugendliche, die nach dem gescheiterten Versuch, alleine zu leben, wieder in ein betreutes Wohnen zurück wollten, so Buck. „Die Jugendhilfe darf diese jungen Menschen nicht aufgeben.“
Hintergrund
In einer Studie hatte die Bertelsmann-Stiftung jüngst darauf hingewiesen, dass mehr als 20.000 volljährige Jugendliche in Deutschland gefährdet sind, aus Schule, Ausbildung und sozialen Strukturen herauszufallen. Zu diesen „entkoppelten Jugendlichen“ gehören laut Buck auch viele ehemalige Heim- und Pflegekinder.
Die Bildungsexpertin der Diakonie RWL, Tanja Buck, steht gerne für Interviews zur Verfügung. Bitte wenden Sie sich für die Gesprächsvermittlung an Sabine Damaschke, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Telefon 0211 6398-286,
E-Mail s.damaschke@diakonie-rwl.de.