18. Oktober 2022

Freiwilligendienste

Erinnerungen zum Anfassen

Wie können schöne Erinnerungen und Momente greifbar bleiben? Genau damit beschäftigt sich Franziska Kühnen. Sie macht ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer Senioreneinrichtung der Diakonie Michaelshoven. Damit die persönlichen Erinnerungen immer wieder greifbar werden, gestaltet die 19-Jährige mit den Bewohner*innen Erinnerungsboxen.

  • Franziska Kühnen hält die Erinnerungsbox hoch.
  • Erinnerungen an ein Leben voller geliebter Menschen, Hobbies und einem erfüllenden Beruf.
  • Franziska Kühnen ist begeistert von ihrem Freiwilligen Sozialen Jahr im Thomas-Müntzer-Haus.

Nach dem Abitur ging es Franziska Kühnen so wie vielen: Sie wusste nicht genau, was sie machen wollte. Also hat sie sich wie ihre Geschwister für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) entschieden. Nach einem Vorstellungsgespräch und zwei Probetagen im Thomas-Müntzer-Haus, einer Senioreneinrichtung der Diakonie Michaelshoven im Kölner Süden, begann sie im Oktober 2021 ihren einjährigen Freiwilligendienst. "Ich arbeite im Sozialen Dienst der Einrichtung und mir wurden erstmal die Abläufe gezeigt", erzählt Franziska Kühnen. Sehr schnell konnte sie sich in die Arbeit einbringen: "Ich habe die Angebote begleitet, die Wochenpläne nach Anleitung und Vorgabe geschrieben und mich vor allem mit den Bewohner*innen unterhalten."

Ihre Anleiterin Esther Mühlhan vom Sozialen Dienst hat ihr den besonderen, wertschätzenden Umgang mit Menschen mit Demenz nähergebracht. "Ich bin ein ruhiger Mensch und eher eine Zuhörerin. Aber hier habe ich angefangen, aktiv auf die Menschen zuzugehen und Gespräche mit ihnen zu führen", sagt Franziska Kühnen. Auch bei den Festen motiviert sie die älteren Bewohner*innen, damit sie Spaß und Freude haben. "Hier komme ich aus meiner Komfortzone raus und da hat mich das FSJ persönlich weitergebracht."

Franziska Kühnen bastelt mit der Bewohnerin die Box voller Erinnerungen.

Franziska Kühnen bastelt mit der Bewohnerin die Box voller Erinnerungen. Dabei hat die FSJ'lerin der Bewohnerin verschiedene Gegenstände und Bilder angeboten. Die Auswahl traf die Dame jedoch selbst. 

Eine Box mit Erinnerungen

Als es darum ging, ein eigenes Projekt umzusetzen, kam ihr nach einem Gespräch mit einer Bewohnerin die Idee einer Biografiekiste. "Ich wollte, dass die Bewohnerin etwas hat, in das sie reinschauen kann und in dem sich die schönen Dinge in ihrem Leben befinden, damit sie in Erinnerungen schwelgen kann", erklärt die 19-Jährige. Die erste Erinnerungsbox entstand gemeinsam mit einer 80-jährigen Bewohnerin, die Psychoanalytikerin war und ein Buch über ihr Leben geschrieben hat. "Ich habe ihr Buch gelesen und auch mehrere Gespräche mit ihr geführt. Dann habe ich mehrere Gegenstände und Fotos zusammengesucht, aus denen sie ihre persönlichen Momente und Erinnerungen auswählen konnte", berichtet Franziska Kühnen.

In der Box, die sie in den Wunschfarben der Bewohnerin gestrichen hat, befand sich nun eine spannende Reise durch ihre Vergangenheit: Ein Foto mit ihrem Mann am Hochzeitstag, der geliebte Hund beim gemeinsamen Spielen, die erste Familienreise nach London, ein Bild von Sigmund Freud, das sie an ihre berufliche Tätigkeit erinnert, Knöpfe und eine Strickliesel, da sie Hobbyschneiderin war, ein Foto ihrer Mädchenschule, ihre erste Puppe mit dem Namen Anna und ein Musikinstrument, da sie Mandoline und Geige gespielt hat.

Bewohnerin Rosemarie zeigt ihre Erinnerungsbox.

Momente und Menschen, die ihr Leben geprägt haben: Hochzeit und Ehemann, der geliebte Hund, Hobbies.

Große Freude beim Erinnern

"Ich habe ihr alle Gegenstände, die ich für sie ausgesucht habe, zur Auswahl gegeben, aber sie ist nicht auf alle angesprungen. Diese Gegenstände und Bilder hat sie selbst rausgesucht und ich habe es dann gemeinsam mit ihr in der Box platziert", sagt Franziska Kühnen. Mit dem Ergebnis waren sie beide zufrieden: "Am Ende sagte sie mir, wie schön sie geworden sei." Die Erinnerungsbox steht nun bei der Bewohnerin im Zimmer. Immer, wenn sie gemeinsam reinschauen, ist es erneut eine Freude, weil die Erinnerungen auf einmal wieder da sind.

Franziska Kühnen möchte gerne weitere Erinnerungsboxen mit Bewohner*innen gestalten. "Hier leben Menschen, die so viel Spannendes und Interessantes zu erzählen haben. Und die Reaktion auf die eigenen Erinnerungen ist echt schön", sagt die Kölnerin. Das fand eine Jury auch - und zeichnete Franziska Kühnens Idee bei einem bundesweiten Projektwettbewerb ihres FSJ-Trägers mit dem ersten Platz aus. 

Kreativ werden und Orientierung finden

Doch es gibt in ihrer Einsatzstelle so viele weitere Aktivitäten, die Franziska Kühnen mitbegleitet. "Nach unserem Sommerfest haben wir jetzt noch mal einen Musiker da", berichtet sie. "Tiere sind auch oft zu Gast: Esel, Lama, Meerschweinchen, Hasen, Hühner, Hunde kommen hierhin. Und wir besuchen hier auf dem Gelände die Therapiepferde."

"Das Thomas-Müntzer-Haus strahlt sehr viel positive Energie aus, weil es einfach fröhlich gestaltet ist, hier viel mit den Menschen unternommen wird, immer wieder versucht wird, die Bewohner und Bewohnerinnen zu aktivieren und zu motivieren. Und ich mag hier auch die Kolleg*innen, die immer so positiv sind", sagt Franziska Kühnen.

Franziska Kühnen (Mitte) mit Esther Mühlhan und Dennis Baharuddin vom Sozialen Dienst.

In ihrem FSJ hat Franziska Kühnen viele Vorbilder gefunden, die sie ermutigen, im sozialen Bereich zu bleiben.

 

Mit dem FSJ gewachsen

Für sie hat sich das FSJ jetzt schon gelohnt, da sie neben dem gewonnenen Selbstbewusstsein auch eine berufliche Orientierung gefunden hat. "Ich möchte Soziale Arbeit studieren, da habe ich natürlich auch die besten Vorbilder mit Esther Mühlhan und ihrem Kollegen Dennis Baharuddin vom Sozialen Dienst", erzählt Franziska Kühnen. "Damit bin ich vielseitig aufgestellt und muss mich nicht direkt festlegen, mit welcher Zielgruppe ich später arbeiten möchte."

Franziska Kühnen ist vom FSJ überzeugt und empfiehlt es jungen Menschen nach der Schule, die noch nicht wissen, wohin mit sich. "Für mich wäre nach der Schule ein Studium nicht in Frage gekommen. Von der Theorie in die Theorie? Nein, danke", sagt sie. Das FSJ sei gut für die Orientierung und man könne auch mal praktisch arbeiten. "Auch, wenn man am Ende sagen sollte, dass man genau in dem Bereich nicht arbeiten mag", erklärt sie. So wie ihre Geschwister es mit ihrem FSJ erlebt haben: Der Bruder arbeitet in der Anästhesie im Krankenhaus, genau da, wo er sein FSJ absolviert hat. "Meine Schwester hat hingegen mit Kindern gearbeitet und weiß, dass sie nie wieder mit Kindern arbeiten möchte", lacht Franziska Kühnen.

Text und Fotos: Diakonie Michaelshoven, Redaktion: Jana Hofmann

Ihr/e Ansprechpartner/in
Mathias Schmitten
Zentrum Freiwilligendienste
Weitere Informationen

Diakonie RWL – größter evangelischer Träger von Freiwilligendiensten
Mit rund 2.000 Freiwilligen ist die Diakonie RWL bundesweit der größte evangelische Anbieter eines Freiwilligen Sozialen Jahres oder eines Bundesfreiwilligendienstes. Zwischen Ostwestfalen und Saarbrücken unterstützen sie die soziale Arbeit in Schulen, Kliniken, Kitas oder Alten- und Behindertenheimen. 95 Prozent von ihnen sind junge Leute zwischen 16 und 26 Jahren. Knapp fünf Prozent machen im Bundesfreiwilligendienst Ü27 für Ältere mit. Rund 40 Prozent der jugendlichen Teilnehmer entscheidet sich nach dem Freiwilligendienst für eine Ausbildung oder ein Studium im sozialen Bereich. Drei Viertel beginnen ihren Dienst im August oder September, aber Bewerbungen sind das ganze Jahr über möglich und willkommen.