14. August 2018

Freiwillige im Sommerportrait

Thomas Dietz: Auszeit im Jugendcafe

Nach sieben Jahren als Industriekaufmann in großen Firmen hat Thomas Dietz einen beruflichen Neuanfang gesucht. Ein Jahr im Bundesfreiwilligendienst sollte ihm Orientierung geben. Nach fünf Monaten Arbeit in einem Jugendhaus steht für ihn fest: Er möchte weniger am PC sitzen und "mehr mit Menschen zu tun haben". Und neu entdeckt hat er vor allem vertraute Fähigkeiten.

Thomas Dietz mit Stempel am Eingang

Mehr als Einlasskontrolle - aber der Stempel gehört bei Konzerten dazu. 

Das Café Nova ist ein Jugendhaus der Evangelische Kirchengemeinde Essen Borbeck-Vogelheim. Wer jetzt im Sommer dort eines der Konzerte besucht, trifft zuerst auf Thomas Dietz. Er steht mit Kasse und Stempel am Eingang, aber er kontrolliert nicht. "Jeder Gast wird von mir mit einem netten Spruch empfangen oder mit einer Frage, viele kenne ich ja auch schon." Dann erst kassiert er und drückt den Einlassstempel auf die Hand. 

"Auf diese Weise habe ich mit jedem schon ersten Kontakt gehabt", freut sich der 31-jährige Industriekaufmann. Später findet man ihn am Tresen, wo er die Getränke ausschenkt und kurze Gespräche fortsetzt. Dass ihm dieser Kontakt mit Menschen so viel Spaß macht, hat er in seinem Freiwilligendienst neu entdeckt. "Ich könnte auch den Kellner machen", schmunzelt er. Es macht ihm Spaß, Leute zu bewirten, sie willkommen zu heißen und mit allen ins Gespräch zu kommen, um "eben diese Atmosphäre hier zu schaffen, in der sich alle wohl fühlen". 

Am Tresen

Der Tresen ist Anlaufstelle für alle Gäste - und hier ergeben sich viele Gespräche. 

Treffpunkt für Azubis und Studenten

Viele Gäste kommen schon seit mehreren Jahren ins "Café Nova", besonders am Donnerstag, wenn das Nova erst um sieben Uhr abends öffnet. Dann finden sich hier eher die älteren Gäste ein, die meist schon über zwanzig Jahre alt sind.

Sie waren mit 14 oder 15 Jahren das erste Mal in dem Essener Jugendcafé und sind jetzt in Ausbildung oder Studium. Über die Begegnungen im Jugendhaus halten sie ihren Kontakt aufrecht. Den Raum dafür mit zu gestalten, gehört zu den neuen Aufgaben von Thomas Dietz. Und das macht er mit großer Freude.

"Ich habe entdeckt, dass ich gerne Menschen zusammenführe. Ich bin dann selbst Teil darin und gehe darin auf", erzählt er. Das ist eindeutig mehr als die Rolle eines Kellners. Thomas Dietz fühlt sich dafür verantwortlich, dass jeder sich wohl fühlt. Und dafür muss vieles perfekt sein.

Beim Tragen eines Stehtisches

Schleppen gehört immer dazu. Dieser Tisch wiegt etwa 70 Kilo - und davon gibt es im Jugendhaus viele. 

Kellner, Packer, Manager

"Ich bin dann derjenige, der guckt, ob alles sauber und in Ordnung ist und auch genug kühle Getränke da sind", erzählt er. "Und ich tu und mach und renn hier durch das Haus, schau, dass kein Müll liegen bleibt." Hinzu kommt die Schlepperei von Getränkekisten, Tischen und Stühlen.

"Wenn wir ein Konzert haben, muss der gesamte Raum leer sein, man ist da immer am Schleppen", berichtet er. "Aber genau das mach ich total gerne - ich habe vorher einfach zu viel am Bildschirm gesessen." Daneben aber ist er manchmal auch Manager. Das Catering, auch für große Veranstaltungen, wird inzwischen von ihm oft selbstständig organisiert.

"Bei ihm kann man sich darauf verlassen, dass alles klappt", bestätigt Till Baczyk, der das Café Nova leitet und sich freut, mit Thomas einen älteren Freiwilligen zu haben, der "seinen Plan immer im Kopf hat". 

Am Computer, neben ihm der Leiter des Café Nova

Vertraute Arbeit - seine ersten Berufsjahre als Industriekaufmann hatte Thomas Dietz vor allem am Computer verbracht. 

Vertraute Fähigkeiten in neuer Umgebung

Der Bundesfreiwilligendienst wird oft damit beworben, dass sich hier neue Fähigkeiten entdecken und entwickeln lassen. Aber die meisten Eigenschaften waren Thomas Dietz eigentlich schon vertraut. Dazu gehören die Bereitschaft zum Zupacken und auch das Organisationstalent.

Als Industriekaufmann war er für eine große Recyclingfirma tätig, im weltweiten Wertstoffhandel mit PET-Flaschen und Altglas. Zu seinen Aufgaben gehörte die Disposition, die kaufmännische Abwicklung, die Fakturierung. Das alles hatte ihm auch Spaß gemacht. Aber etwas hat gefehlt.

"Ich wollte ein Jahr Auszeit nehmen, um herauszufinden, was das ist", sagt er. Als "Auszeit" wählte er den Bundesfreiwilligendienst für Teilnehmer über 27 Jahre – mit einer 39- statt 40-Stundenwoche. Und mit einem Taschengeld von 380 Euro monatlich statt eines Gehaltes. Um sich das leisten zu können, musste er einige Jahre sparen.

Eingang des Cafe Nova mit bunten Plakaten

Der Eingang des Jugendhauses an der Stolbergstraße

Bereit für eine neue Arbeitswelt

Dafür weiß Thomas Dietz genauer, was er vermisst hat, wie wichtig ihm der Kontakt zu Menschen bei der Arbeit ist und wie er dabei aufblühen kann. Und er weiß, dass sein Organisationstalent auch im sozialen Bereich gefragt ist. Dieses Talent, so viel steht jetzt schon fest, würde er gerne in eine neue Arbeitswelt einbringen.

Welche das ist, ist aber noch offen. Am liebsten würde er in der Kulturarbeit, der Jugendarbeit, "vielleicht auch im Eventmanagement oder im Tagungsmanagement" arbeiten. "Ich hoffe, da wird was draus", sagt er etwas besorgt. Doch diese Sorgen waren in seinem Plan eigentlich noch nicht vorgesehen. "Ich hatte mir bewusst das erste halbe Jahr gegeben, um mich nur auf die Arbeit hier einzulassen."

Erst nach dem Sommerurlaub will er Weichen für die Zukunft nach dem BFD stellen und nach einer neuen Stelle suchen. Den Freiwilligendienst verlängern möchte er trotz aller guten Erfahrungen nicht. "Mir ist die Klarheit wichtig, dass ich danach wieder in einem richtigen Leben Fuß fassen muss", stellt er fest. 

Text und Fotos: Christian Carls