Freiwillige im Sommerporträt
Thomas Kaufke im Garten der Außenwohngruppe – er liebt die Abwechslung, die der Job bietet.
Beruflich hat Thomas Kaufke immer wieder Neuland ausprobiert. Nach seiner Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten und Bürokaufmann jobbte er als Briefträger. Danach folgte eine lange Reihe weiterer Tätigkeiten. Heute ist Thomas Kaufke 48 Jahre alt. Doch so richtig zufrieden war er in einem Job selten. Das ist seit einem Jahr anders. "Ich gehe jeden Morgen richtig gern zur Arbeit", erzählt er.
Thomas Kaufke betreut in der Evangelischen Perthes-Stiftung in Lippetal acht Menschen mit Behinderungen, die in einer Außenwohngruppe leben. Die meisten sind geistig behindert. In einem Team mit Heilerziehungspflegern kümmert er sich darum, dass sie ihren Alltag und Haushalt möglichst selbstständig bewältigen. Thomas Kaufke hilft beim Duschen, Wäschewaschen oder geht mit zum Frisör oder Arzt. "Irgendwann kennt man alle und weiß, welche Hilfe der Einzelne braucht."
Sonne, Strand, Urlaub - Gerne begleitet Thomas Kaufke Menschen mit Behinderung in die Ferien. (Foto: pixabay)
Neuanfang mit Ende 40
Manchmal macht er mit einigen eine Fahrradtour oder geht mit ihnen Eis essen. Besonders viel Spaß haben ihm die Urlaube gemacht, die er schon begleitet hat. Die Freizeit mit Teilnehmern aus verschiedenen Wohngruppen nach Bulgarien sei ein Highlight gewesen, erzählt er. "Egal, wie unterschiedlich wir sind, alle gehen respektvoll miteinander um."
Wie wichtig ihm das ist, hat Thomas Kaufke in seiner Umschulung zum Personaldienstleistungskaufmann in Stralsund gemerkt. "In diesem Job hätte ich nicht nur neue Mitarbeiter eingestellt, sondern auch Personal entlassen müssen", erzählt er. "Dieser knallharte Umgang mit anderen Menschen ist nichts für mich."
Er beendete die Maßnahme vorzeitig und kehrte zu seiner Familie nach Westfalen zurück, um erstmal in Ruhe überlegen zu können, wie es mit Mitte 40 für ihn weitergehen sollte. Ehrenamtlich arbeitete er im Intenetcafé bei der Diakonie Ruhr-Hellweg in Soest. Dort lernte er einen Mann kennen, der erst mit Mitte 40 einen Bundesfreiwilligendienst gemacht hatte und sich jetzt zum Heilerziehungspfleger ausbilden lässt. Das brachte ihn auf die Idee, diesen Weg auch einzuschlagen.
Menschen mit Behinderung seien oft besonders dankbar, meint Thomas Kaufke. (Foto: Freie Wohlfahrtspflege NRW)
Große Dankbarkeit
Er schrieb mehrere Bewerbungen und wurde schließlich in der Wohngruppe für behinderte Menschen angenommen. "Die Dankbarkeit, die ich hier zurückbekomme, gibt es in keinem anderen Job", ist er überzeugt. Seine Hilfe wird angenommen. "Da kommt was rüber."
Ein junger Mann, zu dem er ein enges Verhältnis in der Wohngruppe entwickelt hat, kehrt bald aus der Ferienfreizeit zurück. "Ich weiß schon, wie er sich freuen wird, wenn er mich wiedersieht", sagt er. Der Kontakt zur Familie sei bei den Menschen mit Behinderung unterschiedlich, erzählt er. Während einige ihre Eltern und Geschwister kaum sehen, reisen andere häufig zu ihrer Familie. Um diejenigen, die in der Wohngruppe zurückbleiben, kümmert sich Thomas Kaufe liebevoll. So nutzt er die Zeit, um mit ihnen Ausflüge zu machen, Eis essen oder ins Schwimmbad zu gehen.
Wäsche machen, Aufräumen, beim Duschen helfen, zu Arztterminen begleiten - Stress kennt Thomas Kaufke bisweilen auch.
Stressige Tage gehören dazu
Klar gibt es auch für ihn mal stressige Zeiten – wie in jedem anderen Job . "Aber damit kann ich mich arrangieren." Das Einzige, das ihm am Freiwilligendienst nicht gefällt, betrifft die Entlohnung. Von seinen monatlich 380 Euro zieht ihm das Jobcenter fast die Hälfte ab. "Ich muss kein Vermögen bekommen, aber davon meine Lebenshaltungskosten bestreiten können."
Immerhin wird die Zeit im Bundesfreiwilligendienst für seine Rente anerkannt. Die Bildungstage, die zum Bundesfreiwilligendienst dazu gehören, waren für den 48-Jährigen sehr wichtig. Hier konnte er Erfahrungen austauschen und andere Freiwillige kennenlernen, die in einer ähnlichen Situation sind wie er. Rund 100 Freiwillige nehmen jedes Jahr am Programm des Bundesfreiwilligendienstes für Menschen über 27 Jahre in der Diakonie RWL teil. Eine Minderheit von rund fünf Prozent, was nach Überzeugung von Thomas Kaufe auch damit zu tun hat, dass ältere Freiwillige eine finanzielle Absicherung brauchen, um sich die berufliche Neuorientierung leisten zu können.
Thomas Kaufke würde gerne weiter in der Wohngruppe arbeiten. Bald wechselt er in die Schule.
Schwerer Abschied vom Traumjob
In einer Woche beendet Thomas Kaufke seinen Freiwilligendienst. Es fällt ihm schwer, die Wohngruppe dann wieder zu verlassen. "Das ist bisher die schönste Zeit meines Lebens gewesen", sagt er mit Bedauern. Die Menschen mit Behinderung, mit denen er in der Außenwohngruppe lebe, seien einfach klasse. "Sie gehören in die Mitte der Gesellschaft und nicht an den Rand", ist er überzeugt.
Gerne würde er an den Erfahrungen, die er gemacht hat, beruflich anknüpfen und eine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger machen. Aber mit 48 Jahren sei es schwierig, vom Jobcenter eine Ausbildung finanziert zu bekommen, erzählt er. Zunächst will sich Thomas Kaufke als Aushilfe beim Verein "Gemeinsam e.V." engagieren und dort Freizeiten für Menschen mit Behinderungen organisieren. Sobald die Schule wieder anfängt, wird er als Integrationshelfer in einer Klasse arbeiten. Das Ende des Bundesfreiwilligendienstes ist für ihn in jedem Fall ein beruflicher Neuanfang. Dafür wird er kämpfen.
Text und Fotos: Sabine Portmann