Ukraine-Hilfe in der Diakonie RWL
In der Diakonie RWL fragen viele Werke und Einrichtungen, was sie konkret für Geflüchtete aus der Ukraine tun können. Was raten Sie?
Ich bin beeindruckt, wie viele Mitarbeitende diakonischer Werke und Kirchenkreise sich gerade Gedanken machen, wie sie am besten helfen können. Die Bereitschaft, in Deutschland ein Willkommen zu gestalten, ist groß. Es ist zugleich ratsam, erst mit der Kommune, den Beratungsstellen und natürlich den hier lebenden Menschen aus der Ukraine zu sprechen, was gebraucht wird, bevor Sachspenden gesammelt oder Wohnraum angemietet wird.
Diakonie RWL-Migrationsexperte Dietrich Eckeberg arbeitet seit fast dreißig Jahren in der Flüchtlingshilfe.
Die Diakonie RWL hat viele Beratungsstellen für geflüchtete und zugewanderte Menschen. Mit welchen Fragen beschäftigen sie sich gerade?
Allein in NRW leben etwa 30.000 Ukrainer*innen, die sich große Sorgen um ihre Angehörigen machen und bei unseren Beratungsstellen nachfragen, ob diese hier bleiben und wohnen können. Vor allem die Frage, wovon die Geflüchteten leben sollen, spielt aktuell eine große Rolle. Nach derzeitiger Rechtslage besteht kein Anspruch auf Arbeitslosengeld vom Jobcenter oder Hilfe zum Lebensunterhalt. Es können aber sogenannte "Überbrückungsleistungen" beim Sozialamt beantragt werden. Doch diese Leistungen verwehren gerade einige Kommunen. Und schon bald, wenn mehr Menschen zu uns kommen, werden die Fragen der Grundversorgung im Mittelpunkt stehen.
Verunsichert die öffentlich geführte Diskussion um die rechtlichen Fragen die Menschen aus der Ukraine?
Ja, das kann man so sagen. Leider müssen sich unsere Flüchtlings- und Migrationsberatungsstellen sowie Jugendmigrationsdienste die relevanten Informationen gerade selbst zusammensuchen. Es wird zu viel aus Sicht der Administration und nicht der betroffenen Menschen kommuniziert. In NRW zum Beispiel fehlt mir eine landesweite verständliche Internetplattform, auf der auch auf Ukrainisch ganz konkret erklärt wird, was die Menschen tun müssen, wenn sie nach Deutschland kommen, um hier staatliche Leistungen zu erhalten.
Besorgt sind unsere Beratungsstellen auch darüber, dass es eine wachsende Feindseligkeit gegenüber Menschen aus Russland gibt und andere Geflüchtete, etwa aus Afghanistan, Syrien oder Eritrea in den Hintergrund rücken.
"Die unglaubliche Solidarität und Hilfsbereitschaft, die wir gerade erleben, sollte sich nicht alleine auf Menschen mit ukrainischem Pass beschränken. Wir dürfen die Augen nicht vor der Not anderer Geflüchteter verschließen."
Die Staaten der Europäischen Union haben sich gestern darauf geeinigt, dass Menschen aus der Ukraine im Rahmen der "Massenzustromrichtlinie" einen besonderen Aufenthaltsstatus erhalten. Was ändert sich damit?
Wenn die Richtlinie umgesetzt wird, müssen Ukrainer*innen keinen Visums- oder Asylantrag mehr stellen, sondern werden zunächst für ein Jahr eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, die auf insgesamt bis zu drei Jahre verlängert werden kann. Eine Arbeitserlaubnis, Zugang zu Sozialhilfe, eine medizinische Versorgung und unter Umständen auch der Familiennachzug wären damit garantiert. Zudem gibt es einen Verteilungsschlüssel innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten, auf den man sich in den vergangenen Jahren ja nicht einigen konnte. Diese Richtlinie ist in 2001 als Reaktion auf die Massenflucht aus dem ehemaligen Jugoslawien entstanden, wurde aber noch nie angewendet.
Wichtig ist uns, dass die Regelung nicht nur für Menschen mit ukrainischem Pass gilt, sondern für alle, die aus dem Kriegsland fliehen, also auch für Studierende, Arbeitsmigranten oder Flüchtlinge, die dort Schutz gesucht hatten. Dafür hat sich auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst ausgesprochen.
Unter den Geflüchteten aus der Ukraine sind viele Kinder. Sie sollten schnell Zugang zu Kitas und Schulen erhalten.
In NRW hat die Landesregierung Mitte der Woche gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden angekündigt, dass sie Geflüchtete "ohne Wenn und Aber" unterstützen wird. Was erwarten Sie jetzt von Land und Kommunen?
Das Land sollte die Kommunen bei der Aufnahme so intensiv unterstützen, wie dies gerade bei der Wohnraumsuche passiert. Denn es werden viele Menschen kommen! Die Unterbringung in Landesunterkünften sehe ich nur als einen Notanker. Schließlich können die Menschen aus der Ukraine anders als Asylbewerber aus Nicht-EU-Staaten selbst wählen, wo sie leben wollen und werden direkt in die Städte kommen. Das macht eine Registrierung zwar schwieriger, sollte aber auf digitalem Weg möglich sein.
Neben der Wohnraumfrage und Sicherung des Lebensunterhalts stellen sich noch andere Fragen. Dazu gehört jetzt vorrangig der schnelle Zugang zu Sprachkursen Deutsch, zu Kitas und Schulen. Hier braucht es gute Konzepte.
Was muss Deutschland im Vergleich zu 2015 besser machen?
Ich wünsche mir, dass das Land bei der Aufnahme der Menschen aus der Ukraine neben Kommunen, Wirtschaft und Gewerkschaften auch die Zivilgesellschaft strukturiert beteiligt. Und dass sich diese unglaubliche Solidarität und Hilfsbereitschaft, die wir gerade erleben, nicht alleine auf Menschen aus der Ukraine beschränkt. Wir dürfen die Augen nicht vor der Not der Menschen verschließen, die bis heute an den Grenzen zwischen Belarus und Polen am Grenzübertritt gehindert, drangsaliert und abgeschoben werden.
Parallel zur unbürokratischen Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine gehen auch der Grenzmauerbau und die Abschottung Europas weiter. Noch immer warten Hunderte von afghanischen Ortskräften darauf, endlich eine Aufnahme auch in Deutschland zu finden.
Das Gespräch führte Sabine Damaschke. Fotos: Frank Schultze/Diakonie Katastrophenhilfe, Shutterstock, pixabay
Infoportal der Diakonie zur Ukraine
FAQ des Bundesinnenministeriums zur Einreise aus der Ukraine
Aufenthaltsrechtliche Fragen vom Minor-Projektkonto für Bildung und Forschung
Pressemitteilung der Diakonie RWL und der Kirchen zum Ukraine-Krieg
Flucht Migration Integration
Laut NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach hat das Land alle 480 wohnungs- wirtschaftlichen Unternehmen gebeten, freien Wohnraum anzuzeigen. Daraus soll bis 9. März eine "Wohnraumkarte" für Geflüchtete aus der Ukraine entstehen. Im Saarland können laut Ministerpräsident Tobias Hans zurzeit 1.000 Menschen unterkommen. Es gebe 100 Plätze in der Landesaufnahmestelle in Lebach und über 300 Wohnungen seien bereits bereitgestellt, sagte er am Mittwoch nach einem Ukraine-Gipfel der Landesregierung in Saarbrücken. Daran nahmen unter anderem Religionsgemeinschaften, Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, Hilfsorganisation und Experten zur Cybersicherheit teil. (epd)