Jugendmigrationsdienst Diakonie Saar
Die Jugendlichen, die zu Yaseen Taha kommen, haben oft die gleichen Fragen. Wie funktioniert das mit den Behörden? Welche Möglichkeiten habe ich für Schule und Ausbildung? Und vor allem: Was soll ich machen? – "Die letzte Frage ist mir am liebsten", sagt Yaseen Taha lachend. Er freut sich, wenn er den jungen Menschen helfen kann. Auch, wenn er nie sagt, was sie nun genau machen sollen. "Ich zeige ihnen den Weg, es herauszufinden." Yaseen Taha arbeitet seit 2016 für den Jugendmigrationsdienst (JMD) in Neunkirchen im Saarland.
Bei gemeinsamen Freizeitaktionen - etwa bei Ausflügen oder der Arbeit im Aller-Welts-Garten - lernen sich die Jugendlichen besser kennen.
Unterstützung im Alltag
Rund 500 solcher Jugendmigrationsdienste gibt es bundesweit. Im Saarland ist die Diakonie Saar Träger von dreien davon. Dort werden junge Menschen zwischen zwölf und 27 Jahren bei ihrer Integration begleitet. Sie bekommen Unterstützung bei ihrem Weg in Schule und Ausbildung und Hilfe bei Bewerbungen und auch bei vielen alltäglichen Fragen, die sie beschäftigen. Manchmal geht es auch einfach nur ums Zuhören.
Außerdem organisiert der JMD Freizeitangebote: Ausflüge, gemeinsames Gärtnern oder Kunstprojekte. "Da lernen sich die Jugendlichen ganz anders kennen - diese Art von Kommunikation und Kontakt schafft man nicht im Sprachkurs", sagt Yaseen Taha. Etwa 604 Jugendliche wurden 2021 von den drei Jugendmigrationsdiensten der Diakonie im Saarland begleitet. 212 waren es bei Yaseen Taha in Neunkirchen.
Yaseen Taha freut sich, wenn er jungen Menschen helfen kann und sagt: "In jedem Jugendlichen, den ich begleite, sehe ich mich auch ein bisschen selbst."
Eigene Fluchtgeschichte
"In jedem Jugendlichen, den ich begleite, sehe ich mich auch ein bisschen selbst", sagt Yaseen Taha. Auch er hat eine Fluchtgeschichte hinter sich. Er stand gerade kurz vor dem Abschluss seines Informatik-Studiums, als in seiner Heimat, dem Irak, Krieg ausgebrochen ist. "Krieg ist immer eine Katastrophe", sagt er. Um nicht selbst in den Einsatz zu müssen, entschied er sich - damals Anfang 20 – zur Flucht nach Deutschland.
Anfang der 2000er Jahre sah sein Ankommen in Deutschland noch ganz anders aus, als für junge Menschen heute. Er selbst zeigte vor allem eines: Eigeninitiative. In dem Dorf, in dem er als Geflüchteter landete, machte Yaseen Taha ein Tauschgeschäft mit einem Bauern: Hilfe auf dem Hof gegen Deutsch-Stunden. Um sich später einen richtigen Sprachkurs finanzieren zu können, begann er bei einer Burger-Kette zu arbeiten. "Ich wollte mein Studium fortsetzen, aber damals durfte man sich nur einschreiben, wenn man Deutschkenntnisse auf B1-Niveau nachweisen konnte." Auch das ist heute anders. Bis er sein Studium wieder aufnehmen konnte, dauerte es mehrere Jahre. "Manchmal frage ich mich, wo ich heute wäre, wenn es damals schon den Jugendmigrationsdienst gegeben hätte."
Yaseen Taha ist oft gemeinsam mit seiner Kollegin Melanie Franz unterwegs.
Probleme lösen
Über eine Freundin kam Yaseen Taha 2015 mit der Diakonie in Neunkirchen in Kontakt - sie bat ihn, als viele Geflüchtete hier ankamen, beim Übersetzen zu helfen. Über die ehrenamtliche Arbeit wurde ihm bewusst, wie gern er mit Kindern und Jugendlichen zusammenarbeitet. Später bot sich ihm eine Stelle in der Koordinierung von Sprachkursen bei der Diakonie. Als sein Vorgänger beim Jugendmigrationsdienst 2019 in den Ruhestand ging, stand er dafür bereit – schon seit 2018 hatte er begonnen, nebenberuflich Soziale Arbeit zu studieren. Immer wieder werde er gefragt, wie man von der Informatik zur Sozialarbeit kommt. "In der Informatik geht es darum, Probleme zu lösen – und so ist es in der Sozialarbeit im Prinzip auch", sagt er mit einem Augenzwinkern.
Stefan Gebhardt, Leiter des Bereiches Offene Sozialarbeit bei der Diakonie Saar, sagt über Yaseen Taha: "Natürlich ist er mit seiner eigenen Geschichte ein Vorbild für die Jugendlichen, aber auch für die Diakonie intern."
Kompetent und empathisch
"Yaseen Taha zeichnet sich aus durch seine hohen empathischen Fähigkeiten und durch sein Fachwissen", sagt Stefan Gebhardt, Leiter des Bereiches Offene Sozialarbeit bei der Diakonie Saar, über seinen Mitarbeiter in Neunkirchen. Jugendliche, die in Deutschland ankommen, brauchen besonders verlässliche Ansprechpersonen. Menschen, denen sie vertrauen können, die dranbleiben und den Kontakt nicht verlieren, auch wenn mal etwas schief geht. Die gut vernetzt sind und Angebote kennen, die für die Jugendlichen relevant sein können. "Viele sind zwar mit ihren Familien hier, doch für die Eltern kann es in manchen Situationen schwierig sein, sie zu unterstützen", sagt Stefan Gebhardt. Viele hätten mit eigenen Traumata zu kämpfen - und oft fehle auch das Wissen über das Schul- und Ausbildungssystem in Deutschland.
Yaseen Taha möchte in seinen Beratungsgesprächen Vertrauen aufbauen.
Vertrauen schaffen
Von seiner eigenen Geschichte erzählt Yaseen Taha den Jugendlichen nicht immer direkt. In der Beratung soll es eher um sie gehen, als um ihn. Doch wenn es Situationen gibt, die auch er schon erlebt hat, kann es nützlich sein, auch von sich zu erzählen. Das schafft Vertrauen. "Es ist für die Jugendlichen etwas anderes, ob jemand mit oder ohne Migrationshintergrund ihnen sagt: Du hast die Wahl - du kannst selbst entscheiden, was du machen möchtest." Viele bleiben über Jahre in Kontakt, auch wenn der Bedarf nach Unterstützung mit der Zeit weniger wird.
"Natürlich ist Yaseen Taha ein Vorbild", sagt Stefan Gebhardt, "mit seiner eigenen Geschichte für die Jugendlichen, aber auch für die Diakonie intern." Sein Einsatz zeige, wie wertvoll es sein könne, Menschen mit Migrationshintergrund einzusetzen und sich dahingehend zu öffnen.
Text: Carolin Scholz, Fotos: Melanie Franz, Sylvia Kolbe/Jugendmigrationsdienst, Diakonie Saar