Integration stärken
Es waren viele kleinere Schwierigkeiten, die Familie Khaled (Name geändert) das Leben in ihrer neuen Heimat schwer machten. "Keine unlösbaren Probleme, aber in der Summe für die Familie sehr belastend", sagt Vincent Metro, Berater bei der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer des Diakonischen Werks Dortmund und Lünen. Da war die kleine Tochter der syrischen Familie, bei der die Erzieherinnen in der Kita eine Entwicklungsverzögerung feststellten. Doch die empfohlene Untersuchung in der Kinderklinik scheiterte zunächst an Verständigungsproblemen. Schulden hatten sich angesammelt, unter anderem wegen eines überteuerten Handy- und Internetvertrags, der der Familie aufgeschwatzt worden war. Zugleich hatte die Familie auf den Kinderzuschlag verzichtet, weil sie mit dem Antrag nicht zurechtkam. Und schließlich hatte der Familienvater, der in einem Logistikzentrum arbeitet, Probleme mit seinem Vorarbeiter.
Die Berater*innen helfen beim Zugang zum Arbeitsmarkt und bei Schwierigkeiten mit Behörden.
Kleine Probleme lösen, dauerhafte Krisen verhindern
Die Khaleds sind ein typisches Beispiel einer Zuwandererfamilie, die sich um Integration bemüht, aber dennoch manchmal an komplizierten Regeln und fremden Gepflogenheiten scheitert. In solchen Fällen hilft die Migrationsberatung für Erwachsene (MBE) und verhindert oftmals, dass überschaubare Probleme sich zu dauerhaften Krisen auswachsen. "Ein Großteil der Arbeit besteht darin, Briefe von Ämtern oder Behörden zu erklären, die die Menschen nicht verstehen", sagt Metro. Dann unterstützen die Beratungsstellen beim Zugang zum Arbeitsmarkt. Das beginnt damit, dass die Beraterinnen und Berater das Potenzial der Zugewanderten analysieren. Die meisten Menschen hätten Berufsausbildungen, ein kleinerer Teil sogar Studienabschlüsse, sagt Metro. Allerdings ist der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt dennoch für viele zunächst ein Problem. "Wir kümmern uns häufig darum, dass die Abschlüsse unserer Klient*innen zunächst übersetzt und dann anerkannt werden", berichtet Metro. Oft sind das langwierige Verfahren, mit denen die Zugewanderten alleine überfordert wären.
Wenn Menschen etwa wegen eines Behördenbriefs in die Beratung kommen, wird manchmal im Gespräch deutlich, dass weiterer Hilfe nötig ist. Hin und wieder falle zum Beispiel auf, dass jemand kaum Deutsch spreche, obwohl er schon mehrere Jahre im Land sei, beobachtet Metro. Dann vermittle er in Deutsch- oder Integrationskurse. Für manche Zuwanderer gebe es Hürden, an solchen Angeboten teilzunehmen. Da sei etwa der Familienvater, dem keine Zeit bleibt, weil er als Arbeiter viele Überstunden schiebt, um seine Familie zu ernähren. Oder die Mutter, die keine Betreuungsmöglichkeit für ihre kleinen Kinder hat. Dann versuchen die Berater*innen, Lösungen zu finden. Zum Beispiel vermitteln sie in die leider sehr selten verfügbaren Sprachkurse mit Kinderbetreuung. Manchmal brauchen Familien auch Hilfe bei der Eingewöhnung der Kinder in die Schule oder die Kita oder Unterstützung bei der Wohnungssuche.
Die Migrationsdienste stärken den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Beratungsstellen durch Sparkurs gefährdet
"Es gibt kaum ein anderes Beratungsprogramm, das Zugewanderte so umfassend bei allen Themen des täglichen Lebens unterstützt wie die MBE", sagt Julia Köhler, Referentin im Geschäftsfeld Flucht, Migration und Integration beim Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe (Diakonie RWL). "Die Sozialsysteme werden durch diese Beratung entlastet, da sie Menschen dabei unterstützt, in Arbeit zu kommen." Dennoch wurden die Mittel für die MBE für dieses Jahr von 81,5 Millionen Euro auf 77,5 Millionen Euro gekürzt. Im Entwurf für den Bundeshaushalt im kommenden Jahr ist noch einmal ein leichter Rückgang auf 77 Millionen Euro vorgesehen – trotz steigender Personal- und Sachkosten. In diesem Jahr seien deshalb zwei Standorte auf dem Gebiet der Diakonie RWL aufgegeben worden, so Köhler. Für das kommende Jahr sei bereits die Schließung einer weiteren Beratungsstelle angekündigt worden. Einige Träger planten wegen der Kürzungen mit weniger Personal bei der MBE.
Ein Rückgang der Beratung werde sich negativ auf die Integration Zugewanderter auswirken, fürchtet Köhler. "Wenn Menschen alleine gelassen werden, verlieren sie auch das Vertrauen in das System." In manchen Fällen hätten die Menschen zum Beispiel gar nicht die Möglichkeit, sich um ihre Belange zu kümmern. So sei die personelle Überlastung in manchen Ausländerbehörden und Jobcentern so groß, dass die Betroffenen ihre Sachbearbeiter*innen nicht erreichen. Oftmals hätten dann nur die Migrationsberater*innen noch Kontaktmöglichkeiten. "Durch die Begleitung und Unterstützung der Menschen in solchen Fällen fördert die Migrationsberatung auch den gesellschaftlichen Frieden und Zusammenhalt", so Köhler.
Wirkungsvolle Unterstützung bei der Integration
Familie Khaled ist ein Beispiel dafür, wie Unterstützung zum richtigen Zeitpunkt die Entwicklung größerer Probleme verhindern kann. So begleitete MBE-Berater Vincent Metro die Familie zu einem Termin in der Kinderklinik, um im Gespräch mit den Ärzten zu vermitteln: "Jetzt ist das Mädchen in Behandlung und erhält unterstützende Therapien wie etwa Logopädie." Der Berater half der Familie auch, den Kinderzuschlag zu beantragen. Und er erarbeitete mit ihnen einen Plan, die entstandenen Schulden abzubezahlen. Bei starker Überschuldung vermitteln die Berater*innen an die Schuldnerberatung. Bei den Khaleds waren die Schulden jedoch überschaubar. Überteuerte Handy- und Internetverträge wird die Familie künftig nicht mehr abschließen. Denn in der Beratung wurden sie dafür sensibilisiert, beim Abschluss von Verträgen vorsichtig zu sein. Seitdem lassen sie sich beraten, bevor sie ihre Unterschrift unter ein Dokument setzen.
Ziel der Beratung sei aber, dass die Familie langfristig selbst ihre Belange mit Ämtern, Behörden oder Gesundheitseinrichtungen regeln könne, sagt Vincent Metro. Die Beratung soll dafür die Voraussetzungen schaffen. Wie das gelingt, zeigt nicht zuletzt das Beispiel des Familienvaters, der die Schwierigkeiten mit seinem Vorgesetzten inzwischen lösen konnte. Metro hatte ihm empfohlen, Hilfe bei der Gewerkschaft zu suchen. Jetzt ist der zugewanderte Syrer Gewerkschaftsmitglied und wird Probleme am Arbeitsplatz künftig selbst in die Hand nehmen können – ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung Integration.
Text: Claudia Rometsch, Fotos: Canva