5. März 2024

Asylsuchende

Konto vor Bezahlkarte

Bund und Land wollen für Menschen, die einen Asylantrag in Nordrhein-Westfalen stellen, eine Bezahlkarte einführen. Eine solche Karte darf Schutzsuchende nicht entmündigen. Die Umstellung auf ein Bezahlkartensystem ist noch dazu aufwendig und teuer. Doch es gibt viel bessere Lösungen. 

  • Flüchtling hält Bezahlkarte in Richtung Kamera.

Eine bessere Lösung mit weniger Bürokratie und einfacher Handhabung bietet das Bankkonto – die beste Bezahlkarte. Bereits jetzt überweisen Sozialämter vieler Kommunen in NRW die Leistungen per Kontoüberweisung an die Empfänger*innen. Das Einführen einer Bezahlkarte erhöht den Verwaltungsaufwand statt ihn zu verringern.

Michael Mommer von der Freien Wohlfahrtspflege in Nordrhein-Westfalen appelliert: "Wenn es bei der Bezahlkarte um eine Entlastung der Kommunen und Verwaltungsvereinfachung geht, brauchen wir sie in NRW nicht. Die bestehende Lösung per Banküberweisung hat sich bewährt. Hier wird eine Scheinlösung für ein Scheinproblem diskutiert."

Diskriminierung und Entmündigung

Die Freie Wohlfahrtspflege in NRW appelliert an die Landesregierung, die Ausgestaltung genau zu prüfen. Aktuell sind die Beschränkung der Bargeldabhebungen oder der Ausschluss von Überweisungen geplant. Das entmündige und verhindere eine sparsame Lebensgestaltung. Die Bezahlkarte verletze Grundrechte wie das Grundrecht auf ein menschwürdiges Existenzminimum, und sei damit in ihrer Konzeption diskriminierend.

"Auf Flohmärkten können Geflüchtete damit nicht mehr günstig einkaufen, Kinder brauchen auf Schulausflügen Kleinstbeträge in bar, Jugendliche können keinem Sportverein beitreten, da sie die Mitgliedsbeiträge nicht überweisen können. Eine Rechtsanwältin, Handyverträge oder das Deutschlandticket können die Menschen so nicht bezahlen", betont Mommer.

Die Bezahlkarte sollte, wenn überhaupt, nur so lange in Aufnahmeeinrichtungen des Landes eingesetzt werden bis ein Bankkonto eröffnet werden könne. Dies setze eine diskriminierungsfreie und einheitliche Ausgestaltung voraus. Die Karte müsse einsetzbar sein wie alle anderen Debit- beziehungsweise EC-Karten, in allen Geschäften, für jede Dienstleistung und eine freie Verfügung über Bargeld ermöglichen. Sollten Bezahlkarten in den Kommunen tatsächlich eingeführt werden, seien Vorgaben durch die Landesregierung unerlässlich, damit kein Flickenteppich entstehe. Es sollte nicht jede Kommune für sich die Details zur Einführung der Bezahlkarte entwickeln.

Keine Änderungen des Asylbewerberleistungsgesetzes

Aktuell wird im Bund die Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes diskutiert. Schon jetzt kann die Bezahlkarte ohne weitere Änderungen im AsylbLG eingeführt werden. Die Freie Wohlfahrtspflege NRW lehnt die geplanten bundesgesetzlichen Änderungen ab, weil sie Restriktionen verschärfen und die Karte auf Bezieher*innen von Analogleistungen nach 36 Monaten Aufenthalt ausweiten würden. Das unterlaufe den Vorrang von Geldleistungen im Sozialleistungsrecht.

Menschenwürdiges Existenzminimum

Das Grundgesetz gewährt allen Menschen das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem Aufenthaltsstatus. Politisch begründete Leistungskürzungen, beispielsweise um Schutzsuchende abzuschrecken, sind nicht zulässig – und sind auf Dauer gesamtgesellschaftlich viel teurer. Viele der Menschen bleiben: Die Ausgrenzung der ersten Jahre sei finanziell und gesellschaftlich nur schwer zu heilen und erschwere die Integration.

Die Freie Wohlfahrtspflege NRW (der auch die Diakonie RWL angehört) appelliert an die Entscheidungsträger: "Das Bankkonto ist die beste Bezahlkarte. Damit sind Menschenwürde, soziale Teilhabe und Verwaltungsvereinfachung sichergestellt. In der Diskussion um die Bezahlkarte wünschen wir uns mehr Sachlichkeit, Würdigung der Grundrechte und Solidarität."

Text: Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege NRW, Foto: Shutterstock

Ihr/e Ansprechpartner/in
Dr. André Hartjes
Geschäftsfeld Flucht, Migration, Integration
Weitere Informationen

Freie Wohlfahrtspflege NRW (LAG FW NRW)

In der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW haben sich die Arbeiterwohlfahrt, die Caritas, der Paritätische, das Deutsche Rote Kreuz, die Diakonischen Werke und die Jüdischen Gemeinden mit ihren 16 Spitzenverbänden zusammengeschlossen. Die Freie Wohlfahrtspflege NRW weist auf soziale Missstände hin, initiiert neue soziale Dienste und wirkt an der Sozialgesetzgebung mit. Mit ihren Einrichtungen und Diensten bietet sie eine flächendeckende Infrastruktur der Unterstützung für alle, vor allem aber für benachteiligte und hilfebedürftige Menschen an. Ziel der Arbeit der Freien Wohlfahrtspflege NRW ist die Weiterentwicklung der sozialen Arbeit in Nordrhein-Westfalen und die Sicherung bestehender Angebote.