Sonntag, 15. September 2024

Ankommen unterstützen

Migrationsberatung stärken und den Zusammenhalt fördern

Düsseldorf, 15. September 2024. Das Diakonische Werk Rheinland-Westfalen-Lippe (Diakonie RWL) ruft den Bund und das Land NRW dazu auf, die geplanten Kürzungen in der Flüchtlings- und Migrationsberatung zurückzunehmen. "Wer heute an den Migrationsfachdiensten spart, gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt von morgen", sagt Diakonie RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann. "Wir brauchen mehr Präventions- und Beratungsangebote, nicht weniger."

Ihr/e Ansprechpartner/in
Dr. André Hartjes
Geschäftsfeld Flucht, Migration, Integration

Sachliche Debatte 

Mit Blick auf die aktuelle Diskussion nach dem Anschlag in Solingen mahnt der Theologe mehr Sachlichkeit an. "Schutzsuchende haben ein Recht auf Beratung. Diese stiftet für alle Menschen in Deutschland gesellschaftlichen Nutzen. Es ist unerträglich, dass fachliche und rechtliche Beratung in Asylverfahren derzeit verunglimpft wird", so Heine-Göttelmann. "Die Mitarbeitenden in den Migrationsfachdiensten arbeiten hoch professionell. Selbstverständlich folgen die Sozialarbeiter*innen und Berater*innen dabei immer ihrer jeweiligen Mandatierung und bewegen sich stets im geltenden gesetzlichen Rahmen unseres Rechtsstaats."  

Ankommen unterstützen 

"Migrationsberatung unterstützt das Ankommen in Deutschland", sagt Heine-Göttelmann. "Sie ermöglicht einen ersten Zugang in unsere Gesellschaft, erleichtert den Weg in Ausbildung und Beruf und senkt somit Integrationskosten und Sozialausgaben für die Zukunft." Doch obwohl der Beratungsbedarf steigt, planen sowohl der Bund als auch die Bundesländer, in diesem Bereich zu sparen. 

Recht auf Beratung zu Asylverfahren umsetzen 

Die nordrhein-westfälische Landesregierung will ihre unabhängige Asylverfahrensberatung (AVB) streichen. Gleichzeitig plant sie, ihre Landesaufnahmeeinrichtungen von derzeit 57 auf 75 zu erhöhen. "Der tatsächliche Beratungsbedarf wird bereits jetzt nicht gedeckt. Mit der Streichung wären in derzeit 35 Landesaufnahmeeinrichtungen keine Berater*innen mehr tätig – bei dem geplanten Kapazitätsausbau bekämen Asylantragsstellende in zwei von drei Einrichtungen keine unabhängige Rechtsberatung mehr", sagt Heine-Göttelmann. "Der Wegfall der Landesförderung führt zu einer erheblichen Versorgungslücke und beschneidet die Rechte der Geflüchteten." Die EU-Verfahrensrichtlinie gewährt Geflüchteten ein Recht auf unabhängige Beratung in ihrem Asylverfahren. 

Geflüchtete unabhängig beraten 

Der NRW-Haushaltsentwurf sieht somit eine Zerschlagung und deutliche Reduzierung des seit knapp 30 Jahren etablierten Förderprogramms "Soziale Beratung von Geflüchteten" (SBvG) vor. Statt 35 Millionen Euro sollen 2025 nur noch 12,9 Millionen Euro zur Verfügung stehen. "Wir befürchten, dass die Pläne die lokale Expertise und das Subsidiaritätsprinzip gefährden", sagt der Diakonie RWL-Vorstand. "Geflüchtete müssen Zugang zu unabhängiger Beratung haben, die ihre Rechte schützt und ihnen hilft."

Den Plänen zufolge soll auch die Asylverfahrensberatung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge komplett gestrichen werden. Zudem sollen einige Aufgaben zusammengestrichen werden, andere, wie im Fall der sogenannten Rückkehrberatung in den Landesunterkünften an die Zentralen Ausländerbehörden übertragen werden. "Es ist unklar, wie staatliche Institutionen unabhängige Rechtsberatung sicherstellen wollen. Das verursacht zwangsläufig Interessenskonflikte", so Heine-Göttelmann. 

Hebel für Integration in Arbeit 

Das Bundesprogramm "Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte" (MBE) soll nur 77 Millionen Euro erhalten – etwa so viel wie 2024. "Angesichts der steigenden Kosten kommen die gleichbleibenden Mittel Kürzungen gleich", ordnet der Diakonie RWL-Vorstand ein. "Wir bräuchten mindestens wieder die 81,5 Millionen Euro entsprechend dem Niveau von 2023, um die Migrationsberatung als wichtigen Hebel für Erwerbsintegration und Arbeitskräftesicherung zu erhalten." Auch die Unterstützung und Therapie traumatisierter Geflüchteter ist am Limit: Für die Psychosozialen Zentren (PSZ) sieht der Bundeshaushalt sieben Millionen Euro vor. "Nötig wären aber 27 Millionen Euro, um Geflüchteten zu helfen, ihre Traumata von Krieg, Gewalt oder politischer Verfolgung zu verarbeiten", so Heine-Göttelmann. 

Junge Menschen begleiten 

Die Jugendmigrationsdienste der Diakonie RWL haben im vergangenen Jahr 7.400 junge Menschen begleitet. Allein in Nordrhein-Westfalen waren es verbandsübergreifend rund 25.000 junge Menschen. Die Zahl der Ratsuchenden in dem Bundesprogramm steigt kontinuierlich – 2023 um 8,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Personalstellen erhöhten sich aber nur um 2,7 Prozent. "Die Jugendmigrationsdienste mussten deshalb ihr Angebot einschränken. An mehreren Standorten gibt es keine Gruppenangebote mehr", so Heine-Göttelmann. "Mit insgesamt 77,4 Millionen Euro könnte der Bedarf gedeckt werden." Für 2025 werden den Jugendmigrationsdiensten wahrscheinlich lediglich 68,9 Millionen Euro zur Verfügung stehen, da die Summe des Kinder- und Jugendplans insgesamt gleich hoch bleibt. 

#AnkommenUnterstützen
Um die Zukunft ihrer Flüchtlings- und Migrationsarbeit zu sichern, ruft die Freie Wohlfahrtspflege vom 16. bis 20. September 2024 zur Aktionswoche Migrationsberatung auf. Unter dem Motto #AnkommenUnterstützen wird die Arbeit der bundesgeförderten Programme im Bereich Integration und Flucht vorgestellt: die Migrationsfachdienste Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte (MBE), Jugendmigrationsdienste (JMD), Asylverfahrensberatung (AVB) und Psychosoziale Zentren (PSZ). Die Jugendmigrationsdienste in evangelischer Trägerschaft zeigen mit der Aktion #jmdbeflügeln vor Ort, wie sie für junge Menschen Brücken bauen und ihnen Zukunft ermöglichen.  

Diakonie RWL in drei Sätzen:
Das Diakonische Werk Rheinland-Westfalen-Lippe e.V. – Diakonie RWL ist der größte diakonische Landesverband und einer der größten Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege. Es erstreckt sich über Nordrhein-Westfalen, das Saarland sowie Teile von Rheinland-Pfalz und Hessen. Die Diakonie RWL repräsentiert rund 5.000 evangelische Sozialeinrichtungen, in denen 390.000 Mitarbeitende hauptamtlich oder ehrenamtlich tätig sind.