24. Januar 2023

Schwangerenberatung

Finanzielle Sorgen belasten Familien

Strom, Gas, Lebensmittel oder Miete – das Leben wird immer teurer. Wie stark Inflation und steigende Energiekosten junge Familien mit geringem Einkommen belasten, bekommen die Schwangerenberatungsstellen der Diakonie derzeit hautnah mit. Immer häufiger geht es in den Gesprächen um finanzielle Nöte und Sorgen.

  • Sabine Hoffmann-Blum (Mitte) berät und unterstützt im Diakonischen Werk des Kirchenkreises Wied junge Familien in der Schwangerschaft und den ersten Lebensjahren.
  • Mutter tröstet ein Baby, das weint.
  • Mutter hat ihr Kleinkind auf dem Arm und fühlt, ob die Heizung warm ist.
  • Junge Eltern mit Kleinkind rechnen besorgt Geld und Rechnungen zusammen.
  • Mann und Frau halten kleine Babyschuhe in den Händen.

"Die Zahl der Beratungen hat im Jahr 2022 deutlich zugenommen, und auch die Probleme haben sich verschärft", sagt Sabine Hoffmann-Blum, die im Diakonischen Werk des Kirchenkreises Wied junge Familien in der Schwangerschaft und den ersten Lebensjahren unterstützt. Drohende Stromsperren, eine junge Mutter, die am Monatsende kein Geld mehr für Babynahrung hat und weinend in der Beratungsstelle sitzt oder die Familie, der der Gashahn kurz vor der Geburt des dritten Kindes abgestellt wird – solche Fälle gehen der Diplom-Pädagogin besonders nahe. "Wir haben es geschafft, dass das Gas zur Geburt wieder angestellt wurde", erzählt Hoffmann-Blum weiter. Aber die Probleme seien damit nicht gelöst: Die vereinbarten Raten müssen gezahlt werden, die finanzielle Situation bleibt angespannt.

Wenn das Geld sowieso schon knapp ist, bringen Preissteigerungen Familien schnell an die Grenzen, das  merkt Hoffmann-Blum in vielen Fällen. Im Notfall werde Geld, das eigentlich für die Kinder gedacht war, für Energie oder Essen ausgegeben. "Solche Verschiebungen erleben wir derzeit öfter."  

Eine Schwangere sitzt vor einem kleinen Haufen Münzgeld.

In der Schwangerenberatung geht es mittlerweile immer häufiger um finanzielle Fragen.

Wenn das Einkommen nicht reicht

Dass es in der Schwangerenberatung immer häufiger um finanzielle Fragen geht, berichten Diakonie-Einrichtungen überall in Nordrhein-Westfalen, weiß Heike Buschmann, Referentin für Schwangeren- und Schwangerenkonfliktberatung bei der Diakonie RWL. "Dabei kommen nicht nur Frauen und Paare, die Arbeitslosengeld II beziehen, sondern zunehmend auch Familien, die mit dem eigenen Einkommen nicht mehr zurechtkommen. Das verändert die Beratung."

Wohngeld, Kinderzuschlag, Leistungen vom Jobcenter oder Unterstützung von der Bundesstiftung "Mutter und Kind" – die Mitarbeitenden helfen dabei, Anträge auf mögliche finanzielle Hilfen zu stellen. Von der Bundesstiftung "Mutter und Kind" gibt es beispielsweise Geld für Schwangerenkleidung und die Erstausstattung für das Baby. Außerdem konnten Frauen, die keine Sozialleistungen erhalten, im Jahr 2022 einen einmaligen Energiekostenzuschuss von 200 Euro beantragen.

Heike Buschmann, Referentin für Schwangeren- und Schwangerenkonfliktberatung bei der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe.

Die Diakonie RWL hat im Jahr 2022 über die evangelischen Schwangerenberatungsstellen in NRW 4,9 Millionen Euro Stiftungsgelder verteilt, berichtet Heike Buschmann, Referentin für Schwangeren- und Schwangerenkonfliktberatung bei der Diakonie RWL.

Allgemeine Zukunftsangst 

Allein die Diakonie RWL hat im vergangenen Jahr 2022 über die evangelischen Schwangerenberatungsstellen in NRW 4,9 Millionen Euro Stiftungsgelder verteilt. 2021 waren es 4,5 Millionen Euro. "Für mich ist ein Anstieg immer auch ein Indikator dafür, dass sich die wirtschaftliche Situation der Familien verschärft", sagt Heike Buschmann. Schon die Coronapandemie habe einkommensärmere Familien stark belastet, die aktuelle Situation führe zu weiteren Härten und Verunsicherungen. Eine "allgemeine Zukunftsangst" sei immer häufiger Anlass für ein Beratungsgespräch, nicht nur in der Schwangerschafts- und Konfliktberatung, sondern auch in der Ehe- und Familienberatung, beobachtet Heike Buschmann.

Ein Junge stochert traurig mit einem Stock im Boden.

Auch die Kinder leiden mit. Sie merken, wenn es den Eltern nicht gut geht.

Kinder leiden mit 

Die Angst vor der nächsten Rechnung, davor, dass die Waschmaschine kaputt geht oder dass das Geld nicht fürs Essen reicht – das belastet das gesamte Familienleben. "Viele Eltern, die zu uns kommen, sind verzweifelt", berichtet Sabine Hoffmann-Blum. Und das habe auch Auswirkungen auf die Kinder. "Schon kleine Kinder merken es doch, wenn es den Eltern nicht gut geht. Wenn die Angst überhand nimmt, Mütter bedrückt oder depressiv sind", sagt die Leiterin der Schwangerenberatung in Neuwied und betont, dass von Armut betroffene Kinder eben nicht die gleichen Teilhabemöglichkeiten haben wie andere.   

Vier junge Mütter sitzen mit ihren Babys auf dem Boden und erzählen.

Bei wöchentlichen Treffen können sich die jungen Mütter unter fachlich-pädagogischer Leitung über Erziehungsfragen und die Entwicklung ihrer Kinder austauschen. 

Einfach mal rauskommen 

Auch für die Frauen sei es wichtig, ab und an aus der belasteten Situation herauszukommen. Die Diakonie in Neuwied hat dazu einige niedrigschwellige Angebote, zum Beispiel einen wöchentlichen Treff für Schwangere und junge Mütter. Dort können sich die Frauen austauschen und unter fachlich-pädagogischer Leitung über Erziehungsfragen, die Entwicklung ihrer Kinder und andere Themen sprechen, die ihnen auf den Nägeln brennen. "Außerdem haben wir gerade ein Kreativ-Wochenende organisiert, das besonders gut angenommen wurde", erzählt Hoffmann-Blum. Die Frauen konnten töpfern oder sich mit Upcycling beschäftigen. "Wer sich nur noch Sorgen ums Überleben macht, kommt eher nicht auf die Idee, so einen Kurs zu buchen und könnte ihn auch nicht bezahlen", sagt die Leiterin der Beratungsstelle. Dabei sei es wichtig, "einfach mal rauszukommen, sich mit etwas anderem zu beschäftigen und etwas für sich zu tun". Das habe den Frauen gut getan und Kraft gegeben – und die wird auch in diesem Jahr gebraucht.

Angesichts hoher Energiepreise und anhaltender Teuerung rechnet nicht nur die Diakonie in Neuwied 2023 mit einem weiter steigenden Beratungsbedarf.

Text: Silke Tornede, Fotos: Christian Carls, Diakonie Neuwied, Pixabay, Shutterstock