Kürzungen mit Folgen
Moya (Name geändert), Anfang 20, erwartete ihr drittes Kind, als sie in die Remscheider Schwangerenberatungsstelle der Diakonie im Kirchenkreis Lennep kam. Die Afrikanerin sprach kaum Deutsch und war erleichtert, dass sie sich mit Beraterin Maren Wunderlich-Gerwers auf Französisch verständigen konnte. Von ihr bekam sie auch im Anschluss an die Schwangerschaft umfassende Unterstützung – von der Hilfe beim Ausfüllen von Anträgen bis zur Suche nach einem Kita-Platz. Entscheidend für Moyas Zukunft war jedoch, dass die Beraterin die junge Frau bei der Familienplanung unterstützte und auf Hilfen für Verhütungsmittel zurückgreifen konnte. "Alleine hätte sich Moya das Einsetzen einer Spirale nicht leisten können", sagt Wunderlich-Gerwers. "Sie war sehr erleichtert, dass sie so weitere Schwangerschaften verhindern konnte." Inzwischen hat Moya Deutsch gelernt und macht eine Ausbildung zur Heil- und Gesundheitspflegerin.
"Der Einsatz von Verhütungsmitteln scheitert oftmals am Geld", so Diakonie RWL-Referentin Heike Buschmann.
Verhütungsmittel für Geflüchtete meist unbezahlbar
Erfolgsgeschichten wie die von Moya werden künftig wohl seltener. Denn die Sachkosten, die die nordrhein-westfälische Landesregierung den Schwangerenberatungsstellen für die Unterstützung geflüchteter Frauen zur Verfügung stellte, sollen ab dem nächsten Jahr gestrichen werden. In den Jahren 2022 und 2023 standen 800.000 Euro zur Verfügung, 2024 waren es noch 777.800 Euro. "Die Schwangerenberatungsstellen verwenden den größten Teil dieser Sachkostenmittel, um Verhütungsmittel zu finanzieren", erklärt Heike Buschmann, Referentin im Geschäftsfeld Familien und junge Menschen bei der Diakonie RWL. "Denn tatsächlich scheitert der Einsatz von Verhütungsmitteln oftmals am Geld." Wunderlich-Gerwers kann das bestätigen: "Die Frauen, für die wir die Kosten übernommen haben, hätten sich ohne diese Hilfe keine Verhütungsmittel leisten können." Alternative Finanzierungquellen etwa über die Krankenkasse seien aussichtslos: "In meinen 18 Jahren als Schwangerenberaterin habe ich fast noch nie erlebt, dass die Krankenkasse Verhütungsmittel übernimmt – selbst bei Frauen, bei denen eine Schwangerschaft mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen verbunden ist", so Wunderlich-Gerwers.
Und so wie im Fall von Moya ist die Kostenübernahme für Verhütungsmittel Voraussetzung dafür, in der neuen Heimat Fuß zu fassen. Teilnahme an Deutschkursen oder gar der Einstieg in einen Beruf seien kaum möglich, wenn eine Frau immer wieder schwanger werde, weiß Wunderlich-Gerwers. "Es geht also nicht nur um Familienplanung, sondern letztlich auch um Integration."
Die Kupferspirale ist ein sicheres und langfristiges Verhütungsmittel, das in die Gebärmutter eingelegt wird. Je nach Modell kostet sie zwischen 120 und 300 Euro.
Die Beraterin befürchtet, dass ungewollte Schwangerschaften geflüchteter Frauen ab dem nächsten Jahr häufiger werden. Denn die Hilfen für die Finanzierung von Verhütungsmitteln reichten schon jetzt kaum aus. "Unser Topf war in diesem Jahr schon vor den Sommerferien leer." In manchen Städten und Gemeinden gibt es zwar Verhütungsmittelfonds. Aber auch die seien oftmals unterfinanziert, beobachtet Buschmann. Wenn nun die entsprechenden Sachmittelkosten für die Schwangerenberatungsstellen wegfielen, werde sich die Situation verschärfen, fürchtet Wunderlich-Gerwers. "Die Folgen werden katastrophal sein." Mehr geflüchtete Frauen bekämen dann ungewollt Kinder. Und das in einer Situation, in der viele geflüchtete Familien wegen des Wohnungsmangels auf engstem Raum leben müssten. Die Beraterin befürchtet, dass das auch zu einem Anstieg der Schwangerschaftsabbrüche führen könnte.
Wichtige Angebote in Beratungsstellen gefährdet
Von der Streichung der Sachmittelkosten wären weitere wichtige Angebote für geflüchtete Frauen betroffen, sagt Buschmann. Einige Schwangerenberatungsstellen finanzieren mit dem Geld auch die Sachkosten für Gruppen wie etwa Mütter-Cafés für Migrantinnen. "Diese Angebote sind wichtig, weil sie besonders niedrigschwellig sind, und die Frauen oftmals erst dadurch den Zugang zur Beratung finden", weiß Buschmann. In einer Gruppe mit Frauen in ähnlicher Lebenslage kämen oftmals Themen auf den Tisch, die sonst nicht angesprochen würden. Frauen etwa, die von FGM (Female Genital Mutilation, weibliche Genitalbeschneidung) betroffen sind, öffnen sich nach Buschmanns Erfahrung oft erst in einem solch geschützten Umfeld. "Die Beraterinnen können dann zum Beispiel dafür sorgen, dass Ärzt*innen und medizinisches Personal im Vorfeld einer Geburt entsprechend vorbereitet sind."
Wenn die Sachkostenmittel gestrichen werden, müssen viele Beratungsstellen zusätzliche Angebote für Geflüchtete einstellen.
Wenn künftig die Sachmittelkosten für solche Gruppenangebote wegfielen, seien sie kaum noch aufrecht zu erhalten, sagt Buschmann. "Denn der Bereich der Schwangerschaftsberatung ist ohnehin schon unterfinanziert." Die Personalkosten für die Gruppen für Geflüchtete werden den Beratungsstellen nicht erstattet. In der Regel stemmen sie diese zusätzlichen Angebote mit den vorhandenen Mitarbeiterinnen. Insgesamt müssen die Träger ohnehin Eigenmittel in die Beratungsstellen fließen lassen, weil die Personalkosten nur zu 80 Prozent gefördert werden. Wenn nun ab dem kommenden Jahr die Sachkostenmittel gestrichen würden, müssten Schwangerenberatungsstellen ihre zusätzlichen Angebote für Geflüchtete einstellen, warnt Buschmann. "Im Landeshaushalt ist dieser Posten sicher ein verschwindend geringer Betrag. Aber wenn er wegfällt, wird das ein schwerer Verlust sein." Schließlich habe etwa die Hälfte der Frauen, die in die Schwangerenberatungsstellen kämen, einen Migrationshintergrund.
Bleibt es bei den Kürzungsplänen der Landesregierung, so werden es Frauen wie Moya künftig schwerer haben. Die dreifache Mutter schaffte es mit viel Willenskraft, sich in ihrer neuen Heimat im Bergischen Land zu integrieren. Die Unterstützung durch die Schwangerenberatungsstelle war eine entscheidende Hilfe dabei. Moya ist es vor allem wichtig, einen Beruf zu erlernen und bald ohne Sozialleistungen auszukommen. "Ich will ein gutes Vorbild für meine Kinder sein", hat sie zu ihrer Beraterin Maren Wunderlich-Gerwers gesagt.
Text: Claudia Rometsch, Fotos: Canva, Diakonie RWL