Frauenhäuser
Kein Spar-, sondern ein Trostschwein steht in Karin Bartls Büro
Finanziell ist bei dem rosa Schweinchen in Karin Bartls Büro nichts zu holen. In seinem Bauch stecken keine harten Münzen, sondern weiche Taschentücher. Wohlhabend ist das Evangelische Frauenhaus Duisburg nicht.
Aber es ist ein freundlicher Ort, an dem die Frauen, die hier mit ihren Kindern seit fast vierzig Jahren Schutz vor ihren gewalttätigen Partnern oder Familien suchen, Trost und Hilfe bekommen. Hier müssen sie ihre Tränen nicht mehr verstecken. Dafür steht das Taschentuch-Schweinchen auf Karin Bartls Tisch.
Rutschen erwünscht - Karin Bartl auf dem Spielplatz des Frauenhauses
Kinder dürfen laut sein
"Viele Frauen haben Jahre der Angst, Bedrohung und Gewalt erlebt und kommen hier zum ersten Mal zur Ruhe", erzählt die Leiterin. "Die Kinder fühlen sich von einem großen Druck befreit und leben bei uns richtig auf, weil sie nicht mehr ständig befürchten müssen, dass der Vater die Mutter schlägt."
Viele sind von der häuslichen Gewalt traumatisiert, aggressiv oder in sich gekehrt. Es tut ihnen gut, wenn sie im Innenhof des Hauses spielen und toben können.
Im Frauenhaus Duisburg leben viele Kinder. Nicht selten werden ihre Mütter über Kitas und Schulen auf das Hilfsangebot aufmerksam. (Foto: Sabine Damaschke)
Hoffnung auf ein neues Leben
Neun Frauen mit 13 Kindern bietet das Frauenhaus derzeit Schutz. Neben Karin Bartl kümmern sich noch eine Sozialarbeiterin, eine Erzieherin und zwei Hauswirtschafterinnen um die Bewohnerinnen und ihre Kinder. Im Durchschnitt bleiben diese 36 Tage im Frauenhaus.
Im vergangenen Jahr waren es insgesamt 70 Frauen und 88 Kinder, die hier Schutz erhielten. Danach gefragt hatten aber viel mehr Menschen. In diesem Jahr musste Karin Bartl schon über 300 Frauen absagen, weil kein Platz im Frauenhaus frei war.
Karin Bartl führt viele Telefongespräche, um für Frauen in Not einen Platz zu finden
Die Ampel steht meist auf rot
"Manche konnte ich an andere Frauenhäuser verweisen", erzählt sie. Über das NRW-Fraueninfonetz hat die Sozialarbeiterin Zugriff auf eine Liste mit allen Frauenhausplätzen. Doch die Ampel, die dort anzeigt, wo es freie Zimmer gibt, stehe oft auf rot.
Frauen zu vertrösten, gehört inzwischen zum Alltagsgeschäft von Karin Bartl. "Das ist eine unhaltbare Situation", ärgert sie sich. "Wir müssen Frauen und Kindern, die sich in einer Notlage befinden, eine Absage erteilen. Das würde es in keinem deutschen Krankenhaus geben."
Das Frauenhaus kooperiert mit dem bundeweiten Hilfetelefon
Dringend: Solide Finanzierung
Auf diese dramatische Situation hat das Frauenhaus, das vom Evangelischen Christophoruswerk in Duisburg getragen wird, die neue Landesregierung bereits im August aufmerksam gemacht und die im Koalitionsvertrag versprochene "solide Finanzierung" der Frauenhäuser eingefordert.
Jetzt geht es aus Anlass des Tages gegen Gewalt an Frauen, der weltweit an diesem Samstag begangen wird, noch einmal gemeinsam mit der Diakonie RWL an die Öffentlichkeit.
Lara Salewski zu Besuch im Frauenhaus Duisburg
Gemeinsam Druck machen
"Wir brauchen mehr Plätze und mehr Personal für von Gewalt bedrohte und betroffene Frauen", betont Lara Salewski. Als Referentin der Diakonie RWL ist sie zuständig für sieben Frauenhäuser und einige Frauenberatungsstellen in evangelischer Trägerschaft.
Insgesamt gibt es in NRW 62 landesgeförderte Frauenhäuser, die 2015 knapp 3.800 Frauen aufgenommen haben und über 6.600 Anfragen ablehnen mussten.
Karin Bartl erklärt den Frauen, wie der Platz im Frauenhaus finanziert wird
Sparprogramm statt Ausbau
Die Finanzierung der Frauenhäuser durch Land und Kommunen oder Kreise reicht bei weitem nicht aus. In Duisburg decken die Landeszuschüsse gerade mal 54 Prozent der Personalkosten. Für Miete und Nebenkosten müssen die Frauen einen Tagessatz zahlen, der gegebenenfalls von Jobcenter und Sozialamt finanziert wird.
Besteht dieser Anspruch nicht, muss die Frau selbst dafür aufkommen. Das sei für viele eine enorme Hürde, betont Lara Salewski. Die restlichen Personalkosten und ein Großteil der Sachkosten werden durch Spenden getragen.
Im Frauenhaus Duisburg gibt es Appartements eigenem Bad. Ein Glücksfalls in der Pandemie mit den strengen Hygieneregeln. (Foto: Sabine Damaschke)
Schwieriger Wohnungsmarkt
Dass es an Plätzen im Frauenhaus mangelt, liegt für Lara Salewski und Karin Bartl unter anderem am schwierigen Wohnungsmarkt in den Großstädten.
Die Frauen bleiben länger in den Einrichtungen, weil sie kaum noch günstigen Wohnraum finden. Außerdem suchen mehr Migrantinnen und geflüchtete Frauen dort Schutz. Ihnen fehlen oft die sozialen Netzwerke vor Ort, auf die deutsche Frauen zurückgreifen können.
Kochen in der Gemeinschaftsküche des Frauenhauses Duisburg - die Nachfrage nach Plätzen wird im kommenden Jahr weiter steigen, vermuten Karin Bartl und Maike Schöne. (Foto: Sabine Damaschke)
"Migrantinnen brauchen meist eine intensivere Betreuung, denn sie müssen mehr bürokratische Hürden überwinden, haben kein eigenes Geld und sprechen kaum Deutsch", berichtet Karin Bartl.
"Kein Job, kaum Deutschkenntnisse, da winken die meisten Hausbesitzer gleich ab", so ihre Erfahrung. Im vergangenen Jahr lebten Frauen aus 21 unterschiedlichen Nationen im Frauenhaus. 31 Prozent von ihnen gingen wieder in ihre alte Wohnung und somit zum Täter zurück.
Schwerer Weg in ein neues Leben
"Einen echten Neuanfang in einer neuen Umgebung mit eigener Wohnung und Job zu schaffen, ist schwer", beobachtet Karin Bartl. "Die meisten Frauen brauchen nicht nur bei der Wohnungs- und Jobsuche sowie im Umgang mit den Behörden viel Unterstützung, sondern auch wenn es um die Loslösung von ihren gewalttätigen Partnern geht." Nicht selten übten diese Druck aus, auch über die sozialen Medien.
Im Frauenhaus malen die Kinder wieder bunte und lustige Bilder
Weg in ein neues Leben
Wenn Frauen trotz all dieser Schwierigkeiten der Schritt in ein selbständiges und gewaltfreies Leben gelinge, sei die Freude groß, sagt Karin Bartl. Viele täten es vor allem für ihre Kinder.
"Manchen wird hier zum ersten Mal klar, dass ihre Kinder alles mitbekommen und still ertragen haben. Deren positive Entwicklung motiviert die Mütter, ihnen ein neues Zuhause ohne Angst und Gewalt aufzubauen."
Text und Fotos: Sabine Damaschke