Tag des Ehrenamts
Karen Sommer-Loeffen
Wenn Ehrenamtliche gefragt werden, warum sie sich in sozialen Einrichtungen und Projekten engagieren, sagen die meisten, dass sie unsere Gesellschaft gerechter, sozialer und menschlicher machen wollen. Reicht das, um von einem "guten Ehrenamt" zu sprechen?
Nein, das reicht nicht. Auch die Bürger, die sich der Pegida-Bewegung angeschlossen haben und diejenigen, die sich bei der AFD oder sogar der NDP engagieren, reden von sozialer Gerechtigkeit und Menschenwürde. Doch sie schließen dabei eine große Gruppe von Menschen aus. Insofern muss man sehr genau hinschauen, welche Ziele sie mit ihrem Engagement verfolgen. Für viele diakonische Einrichtungen und Kirchengemeinden ist das eine neue Herausforderung. Oft wurde jeder, der sich einbringen wollte, willkommen geheißen und nur selten ein klares "Nein" ausgesprochen. Jetzt ist die Diskussion um ein "gutes" und "schlechtes" Ehrenamt auch bei uns angekommen.
Wo erleben Sie als Diakonie RWL-Referentin für die Ehrenamtsarbeit solche Diskussionen?
Bisher werden sie vor allem in den Freiwilligenzentralen geführt. Dort melden sich jetzt auch Menschen, die Anhänger rechtspopulistischer oder sogar rechtsextremer Parteien und Organisationen sind. Da möchte ein NPD-Mitglied Hausaufgabenhilfe für sozial benachteiligte Kinder anbieten und bittet die Freiwilligenzentrale um Unterstützung. In der Flüchtlingsarbeit engagiert sich ein Anhänger der AFD, weil er geflüchtete Menschen zur Rückkehr in ihr Herkunftsland bewegen möchte. Diese Fälle häufen sich und erfordern eine klare Haltung. Vor allem zeigen sie, wie wichtig das Erstgespräch mit den Menschen ist, die sich um ein Ehrenamt bewerben. Leider wird dieses Gespräch häufig nicht ernst genug genommen.
Ist die sorgfältige Auswahl und enge Begleitung freiwilliger Helfer für Sie ein Kriterium für ein "gutes Ehrenamt"?
In jedem Fall. Es ist für die Einrichtung wie auch die Ehrenamtlichen wichtig, dass es einen Rahmen für die Zusammenarbeit gibt. Das Ehrenamt ist keine Selbstverwirklichungswiese, sondern ein Auftragsverhältnis. Insofern gibt es für beiden Seiten Verpflichtungen, aber auch Freiheiten. Für die Einrichtung heißt das, den Ehrenamtlichen gut zu begleiten, ihn nicht nur fortzubilden, sondern ihm auch die Möglichkeit zu geben, das zu reflektieren, was er tut. Zum Beispiel in Fallbesprechungen, Supervision oder Coachings. Die Einrichtung darf aber auch Grenzen ziehen, was Mitspracherechte anbelangt. Die Ehrenamtlichen sollten die Ziele der Organisation mittragen und sich an bestehende Standards halten, haben aber auch die Freiheit, "Nein" zu sagen, wenn Tätigkeiten sie überfordern oder sie sich in anderen Bereichen ausprobieren möchten.
Helfen tut gut, aber für das Engagement braucht es klare Vereinbarungen, betont Karen Sommer-Loeffen (Foto: Christoph Bünten)
Mitsprache ist immer wieder ein heikles Thema. Gehört die Möglichkeit, ein Ehrenamt mitzugestalten für Sie nicht auch zum "guten Engagement"?
Die Forderung nach Mitsprache und einer "Partizipation auf Augenhöhe" wird immer schnell in den Mund genommen. Doch eine Einrichtung sollte sich genau überlegen, wie viel Mitsprache sie ihren ehrenamtlichen Helfern einräumt. Es ist ein großer Unterschied, ob hauptamtliche Mitarbeiter ihre freiwilligen Helfer einbinden, indem sie diese regelmäßig informieren, ob sie deren Ideen aufgreifen und die Arbeit mitgestalten lassen oder sie sogar auf Augenhöhe alles mitentscheiden lassen. In den Bahnhofsmissionen gibt es zum Beispiel den Grundsatz, dass dort kein Essen verteilt wird. Darüber wollen sich Helfer immer wieder hinwegsetzen. Sollen sie diese Freiheit haben? Das muss vorab geklärt sein.
Der typische Ehrenamtliche in Kirche und Diakonie ist weiblich, mittleren Alters oder älter und kommt aus der Mittelschicht. Erwerbslose oder Menschen mit Behinderung fehlen meistens. Wie steht es um die Vielfalt im Ehrenamt?
Da ist tatsächlich noch viel zu tun. Die Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit des Ehrenamts setzt voraus, dass man es sich finanziell leisten kann. Menschen in prekären Lebenssituation haben oft Hemmungen sich zu engagieren. Sie befürchten, dass sie nicht nur Zeit, sondern auch eigenes Geld einbringen müssen. Diese Ängste werden ihnen dort am besten genommen, wo man persönlich auf sie zugeht. Das geschieht oft in Stadtteilprojekten, aber leider selten in Kirchengemeinden. Für Menschen mit Handicap spielt die Barrierefreiheit eine große Rolle. Auch da muss sich mehr tun, damit die im Rahmen der Inklusion geforderte Teilhabe an der Gesellschaft keine Worthülse bleibt.
Zwar ist das ehrenamtliche Engagement in Deutschland ungebrochen hoch. Rund 31 Millionen Bürger setzen sich für Menschen ein, die Hilfe benötigen. Doch gutes Engagement braucht Zeit. Das aber wird in einer Arbeitswelt mit zunehmend flexiblen Arbeitszeiten schwieriger. Muss sich hier nicht auch die Wirtschaft bewegen?
Die Wirtschaft hat den hohen Stellenwert des freiwilligen sozialen Engagements durchaus erkannt. Große Unternehmen beteiligen sich regelmäßig an Aktionen wie dem "Day of Caring". Sie geben ihren Mitarbeitenden einen Tag frei, damit diese sich in sozialen Projekten engagieren. Das bringen sie dann an die Öffentlichkeit, denn es nützt ihrem Image. Wenn es aber darum geht, Angestellte für ein Ehrenamt regelmäßig freizustellen, sieht es anders aus. Hier muss sich meiner Ansicht nach noch mehr bewegen, damit sich auch beruflich stärker eingebundene Menschen in der Lebensmitte engagieren können.
Das Gespräch führte Sabine Damaschke.