7. August 2024

Straffälligenhilfe

Erfrischender Besuch von Ehrenamtlichen

Für Menschen in Haft ist die Sommerzeit nicht anders als der Rest des Jahres – bis auf die Hitze. Ehrenamtliche helfen, indem sie sie mit "auf Reisen" nehmen. Zumindest gedanklich. Durch Gespräche und Erlebnisse von draußen können die Inhaftierten für eine Weile den tristen Alltag vergessen.

  • Auf einer Mauer mit Stacheldraht wächst eine Pflanze.
  • Buchstaben bilden das Wort Ehrenamt.
  • Ein leerer Zellentrakt im Gefängnis.

Sommerzeit bedeutet für viele Eisessen, Urlaub machen, Nachmittage am Badesee oder Abende mit Freundinnen und Freunden im Biergarten. Man schwitzt im Büro und lässt sich allerlei zur Abkühlung einfallen – und freut sich gleichzeitig über Sommerabende, an denen man scheinbar ewig draußen sitzen kann, ohne zu frieren.

Für Menschen in Haft gibt es im Sommer oft nur Hitze und Alltag wie sonst auch. Besuche von Ehrenamtlichen sorgen aber immer wieder für Erfrischung – wenn auch nur im übertragenen Sinn.

"Den Gefangenen steht im Sommer wie sonst auch eine Stunde am Tag zu, in der sie sich draußen aufhalten können", sagt Nadine Trepmann, Sozialarbeiterin in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Geldern. Wann diese Stunde draußen stattfindet, ist festgelegt. "Wenn es da gerade einen Wolkenbruch gibt, dann war's das eben für den Tag." 

Ein Mann im Gefängnis hält sich traurig an den Gitterstäben fest.

Wenn draußen die Sonne scheint und viele Menschen in Urlaub fahren, ist der Alltag im Gefängnis für die Inhaftierten besonders schwer zu ertragen.

Schwierige Sommerzeit

Für uns sei der Sommer oft die schönste Zeit im Jahr – für die Inhaftierten gebe es nicht wirklich ein draußen. Es bleibe bei dem Alltag, der Struktur, die das ganze Jahr über gilt.

"Es gibt immer Anlässe, bei denen die Gefangenen besonders deutlich merken, dass sie nicht in Freiheit sind. Weihnachten, Zuckerfest, Geburtstage – die Sommerzeit gehört da auch dazu", sagt Nadine Trepmann. 

Oftmals komme im Sommer auch die Familie seltener zu Besuchen. Gerade wenn die JVA weiter weg von deren Wohnort liege, nehmen einige ungern eine lange Autofahrt auf sich. Für die Inhaftierten ist das oft schwer – Besuch von draußen, von den Kindern und engsten Vertrauten ist eine Abwechslung im Alltag, auf die sie sich lange freuen. Immer wieder sei im Sommer so nicht nur der Körper, sondern auch die Stimmung aufgeheizt.

Umso wichtiger ist da der Einsatz von Ehrenamtlichen, die regelmäßig zu Besuchen kommen und Zeit mit den Inhaftierten verbringen. Bianca Hültz ist eine der Ehrenamtlichen in der JVA Siegburg. "In dem Altbau wird es im Sommer wirklich unerträglich heiß", sagt sie. Dass die Hitze den Gefangenen zusetze, sei immer wieder spürbar. Immerhin gebe es in Siegburg einen Garten, in dem hin und wieder gegrillt werde. 

Ein Wärter schließt die Zellentür auf.

Den Gefangenen steht auch im Sommer nur eine begrenzte Zeit am Tag zu, in der sie sich draußen aufhalten können.

Für Ablenkung sorgen

Ihre Aufgabe sei es im Sommer wie sonst auch, für Ablenkung zu sorgen. "Hinsetzen, zuhören, aushalten, aber auch den Alltag unterbrechen", sagt Bianca Hültz. Sie würde gerne im Sommer auch für richtige Abkühlung sorgen, aber: "Wir dürfen nicht mal ein Eis mit reinbringen." Der Grund dafür ist einfach. Es muss im Gefängnis gerecht zugehen. "Nicht jeder hat Betreuung durch Ehrenamtliche. Wenn einer von 60 dann ein Eis bekommt, kann es schnell Neid geben", sagt Nadine Trepmann. Außerdem sind Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen, denn es könnten unerlaubte Substanzen oder Gegenstände in die JVA geschmuggelt werden. 

Doch auch ohne Eis sorgen die Ehrenamtlichen für viel Entlastung. "Manche denken, sie sollten sich mit den Erzählungen von draußen eher zurückhalten, aber die Gefangenen freuen sich, von den Erlebnissen zu hören", sagt Nadine Trepmann. Sie wollen wissen, wie der Urlaub war. Was ihre Betreuenden beim EM-Gucken erlebt haben oder welche Unternehmungen sie mit ihren Kindern oder Enkelkindern planen. 

Heike Moerland, Leitung Geschäftsfeld Berufliche und soziale Integration der Diakonie RWL sowie Leitung Landeskoordinierungsstelle für das Ehrenamt in der Straffälligenhilfe.

"Vieles von dem, was für uns den Sommer an Sinneswahrnehmungen ausmacht, können Inhaftierte nicht erleben", sagt Heike Moerland, Leitung Geschäftsfeld Berufliche und soziale Integration der Diakonie RWL sowie Leitung Landeskoordinierungsstelle für das Ehrenamt in der Straffälligenhilfe.

Zum Durchhalten motivieren

"Vieles von dem, was für uns den Sommer an Sinneswahrnehmungen ausmacht, können Inhaftierte nicht erleben", sagt Heike Moerland, die bei der Diakonie RWL das Geschäftsfeld Berufliche und soziale Integration, Armut- und Existenzsicherung und Straffälligenhilfe leitet. "In der JVA gibt es meist wenig Grün und schon gar kein Freibad, Inhaftierte hören kein Kindergeschrei vom Spielplatz, Zeiten für unmittelbare Frischluft sind beschränkt." Eine JVA-Mitarbeiterin habe den Besuch der Ehrenamtlichen einmal als einen Spaziergang im Kopf beschrieben. 

Nadine Trepmann kann diesem Vergleich nur zustimmen. Die Gedanken aus den Erzählungen der Ehrenamtlichen nehmen sie mit und erinnern sich auch an ihre eigenen Erlebnisse vor der Haft – an Urlaube und Eisessen mit den Kindern. Die Berichte von draußen haben auch immer wieder noch einen weiteren Effekt. "Für viele kann das auch motivierend sein, durchzuhalten", sagt die Sozialarbeiterin. Und auf den Moment hinzuarbeiten, an dem sie auch selbst wieder den Sommer und das schöne Wetter draußen genießen können. 

Text: Caro Scholz, Fotos: Diakonie RWL/Andreas Endermann, Pixabay, Shutterstock

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