Weltfrauentag
"Kunde" – für manche Frauen ist es nur eine Kleinigkeit, eine Endung, die fehlt. Kein Problem, denn "Frau" ist natürlich mitgemeint. Für Marlis Krämer aus dem Saarland ist es Ausdruck patriarchaler Strukturen. Sie hat ihre örtliche Sparkasse verklagt, weil sie in den Formularen als "Kunde" und nicht als "Kundin" bezeichnet wurde. "Sprachliche Ausgrenzung ist das", sagte Krämer gegenüber dem Tagesspiegel.
Bis zum Bundesgerichtshof zog die damals 80-jährige Krämer. Der entschied: Die Bezeichnung "Kunde" verstoße nicht gegen das Gleichbehandlungsgesetz. Das "generische Maskulinum" werde im Deutschen geschlechtsneutral verwendet. Frauen seien mitgemeint.
Gendersensible oder keine gendersensible Sprache: "Man kann sich nicht nicht positionieren", sagt Katja Vossenberg.
Unsere Sprache grenzt aus
"Unsere sprachliche Welt ist nicht gerecht und sie entspricht einfach nicht der Wirklichkeit", sagt Katja Vossenberg. "Eine Sprache, die ganz viele Menschen gar nicht erst zeigt, die schließt und grenzt aus." Die Journalistin ist Medientrainerin und sensibilisiert Menschen, sich um eine gerechtere Sprache zu bemühen. Von Frauen und von nichtbinären Menschen, also all jenen, die sich nicht als Frau oder als Mann identifizieren, werde einfach erwartet, dass sie nichts dagegen haben, mit der männlichen Form quasi "mitgemeint" zu werden.
Frauen sind in Deutschland nach wie vor strukturell benachteiligt. So verdienen sie beispielsweise durchschnittlich weniger und haben bedeutend seltener Führungspositionen inne. Diese Benachteiligungen zeigten sich auch in unserer Sprache, sagen Expertinnen wie Katja Vossenberg, die Gender Studies studiert hat. Sie spricht von "gendersensibler" statt "gendergerechter" Sprache. Denn: "Meiner Erfahrung nach fühlen Menschen sich schnell angegriffen, wenn man von gendergerecht spricht. Sie sagen dann: Aber warum, ich behandle andere Menschen doch fair, ich bin doch nicht ungerecht! Bei gendersensibel ist die Abwehrhaltung geringer und viele kommen dann eher ins Grübeln."
Wer gendersensibel formulieren möchte, hat eine große Auswahl an unterschiedlichen Varianten.
Menschen einen Platz in der Sprache geben
Gendersensible Sprache stößt häufig auf emotional aufgeladenen Widerstand. Zu sperrig, zu umständlich und unnötig, so die Kritik. "Dabei gibt es zahlreiche Studien, die zeigen, dass es nicht egal ist, ob wir männlich sprechen oder nicht", weiß Reinhard van Spankeren. Der Kommunikationsexperte der Diakonie RWL hat sich intensiv mit dem Thema beschäftigt. "Unsere Sprache hängt auch mit gesellschaftlicher Teilhabe zusammen", betont er und verweist auf eine Untersuchung der Freien Universität Berlin. Sie hat gezeigt, dass das generische Maskulinum Einfluss auf die Berufswahl von Jugendlichen hat.
Zudem sind manche Berufsbezeichnungen im generischen Maskulinum nicht das Gleiche wie in der weiblichen Formulierung. So bedeutet "Chefsekretär" laut Duden: "Leitender Funktionär einer Organisation". Die weibliche Form "Chefsekretärin" meint hingegen: "Sekretärin des Chefs".
"Unsere Sprache kann sogar Auswirkungen auf die politischen Einstellungen zur Gleichberechtigung haben", sagt van Spankeren. In einer aktuellen schwedischen Studie zeigten Befragte, die zuvor eine Person mit dem geschlechtsneutralen "hen" beschrieben hatten, danach eine positivere Einstellung gegenüber Frauen in politischen Positionen und der LGBTIQ-Community.
Das Gendersternchen hat es bislang noch nicht in den deutschen Duden geschafft. (Foto: Pixabay)
Gendersensibel und trotzdem verständlich
Auch aus journalistischer Perspektive sei es sinnvoll gendersensibel zu formulieren, meint Vossenberg. "Gendersensible Sprache ist präziser." Wir würden gezwungen, uns viel exakter mit der Wirklichkeit auseinanderzusetzen und genau zu beschreiben statt uns hinter "Stellvertreter-Formulierungen" zu verstecken, argumentiert die Journalistin. Wer genau benennt, dass sich die deutschen Landesinnenminister getroffen haben, zeigt, dass es aktuell in keinem deutschen Bundesland eine Innenministerin gibt. So werden exklusiv männliche Räume deutlich gemacht.
In Texten könne man viel durch Doppelungen lösen, wie die Lehrinnen und Lehrer oder neutrale Formulierungen wie Mitarbeitende finden. Wer das Gendersternchen oder den Gender-Unterstrich verwende, sollte darauf achten, einheitlich im Text eine der Varianten zu nutzen. "Man kann sich nicht nicht positionieren", ist Katja Vossenberg überzeugt. Wer sich gegen gendersensible Sprache entscheide, drücke genauso eine Haltung aus, wie Menschen, die sich um eine inklusivere Sprache bemühen.
Gender-Doppelpunkt: Die Variationen der gendersensiblen Schreibweise sind Geschmackssache.
Gendersensible Sprache in der Diakonie RWL
Genau darum bemüht sich die Diakonie RWL in ihren Texten. In der täglichen Arbeit orientierten sich die Mitarbeitenden an dem Leitfaden der Diakonie Deutschland "Sie ist unser bester Mann". "Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner männlichen Welt", betont van Spankeren. Als Wohlfahrtsverband müsse sich die Diakonie RWL für einen sensibleren sprachlichen Umgang mit den Geschlechtern einsetzen.
Der Kommunikationsexperte empfiehlt, jeden Text noch einmal Korrektur zu lesen. "Überprüfen Sie nicht nur Ihre Grammatik und Zeichensetzung, sondern lesen Sie auch kritisch über Ihre Texte und fragen Sie sich: Wie inklusiv habe ich da formuliert?" Gendersensible Sprache sei eben auch eine Übungssache. Tipps für gendersensible Formulierungen gibt es auch auf der Website "genderleicht.de". Medientrainerin Katja Vossenberg ermutigt Unternehmen und Verbände, einfach zu starten, statt die perfekte Lösung zu suchen: "Die Diskussion und das Bemühen kann man und frau auch ruhig im Sprachgebrauch sehen. Da muss nicht gleich alles perfekt sein."
Text und Fotos: Ann-Kristin Herbst
Buchtipp von Reinhard van Spankeren zum Thema
Stefanowitsch, Anatol (2018): Eine Frage der Moral. Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen. Berlin: Dudenverlag.
Diakonie RWL
Maskulinum und Gendersternchen
In der Diskussion um gendersensible Sprache gibt es einige Begriffe, die nicht selbsterklärend sind. Das generische Maskulinum meint, dass die Bezeichnungen für männliche Personen auch zur Bezeichnung von allgemein Menschlichem verwendet werden. Also auch bei gemischten Personengruppen oder Menschen mit spezifischem oder unspezifischem Geschlecht. Demnach ist das grammatische Geschlecht nicht mit dem biologischen Geschlecht gleichzusetzen.
In der gendersensiblen Schreibweise gibt es unterschiedliche Varianten:
- Das Binnen-I: An den Wortstamm, beziehungsweise die männliche Endung wird die weibliche angehängt. Dabei wird das "I" großgeschrieben. So sollen bewusst männliche und weibliche Personen angesprochen werden. Zum Beispiel MitarbeiterInnen.
- Das Gendersternchen: Zwischen Wortstamm, beziehungsweise der männlichen Endung und der weiblichen Endung einer Personenbezeichnung wird ein Sternchen eingefügt: Zum Beispiel Kolleg*innen. So soll zum Ausdruck gebracht werden, dass Personen mit männlicher, weiblicher und nicht-binärer Geschlechteridentität angesprochen werden. In der Aussprache wird das Gendersternchen mit einer kurzen Pause markiert. Das Gleiche gilt für den Gendergap, einen Unterstrich an der Stelle des Sternchens.
- Der Doppelpunkt: Wie das Sternchen markiert auch der Doppelpunkt sprachlich Platz für andere Geschlechtsidentitäten. Zum Beispiel: Mitarbeiter:innen. In der Aussprache wird das Wort aber nicht auseinandergezogen (Aus Material von ZDF Online).