Sommerinterview mit Sozialminister Karl-Josef Laumann
Kirsten Schwenke: Herr Laumann, Sie wurden auf dem Bundesparteitag im Mai zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden der CDU gewählt. Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem guten Ergebnis. Warum wollen Sie sich neben Ihrem Ministeramt hier in Nordrhein-Westfalen noch stärker in der Bundespolitik engagieren?
Karl-Josef Laumann: Ich bin der Überzeugung, dass sich die CDU als Volkspartei breit aufstellen muss, bei den Themen, aber auch beim Führungspersonal. Die CDU darf nicht nur den Mittelstand ansprechen, sondern muss auch bei Themen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer klar positioniert sein. Diese Positionen müssen auch mit einem Gesicht verbunden werden. Das war ein Hauptgrund für die Kandidatur. Ich glaube, dass wir ein gutes Angebot für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer machen müssen, wenn die CDU ein anständiges Wahlergebnis bei der Bundestagswahl haben will.
Auf der anderen Seite weiß ich auch: Einen stellvertretenden CDU-Bundesvorsitzenden macht man nicht so nebenbei. Deswegen habe ich entschieden, dass ich nicht mehr als Bundesvorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA) kandidiere und dass ich die Position als CDU-Bezirksvorsitzender im Münsterland abgebe. Damit kann ich mich voll auf Nordrhein-Westfalen und meine neue Bundesaufgabe konzentrieren.
Diakonie RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann möchte wissen, welche sozialpolitischen Themen Karl-Josef Laumann als stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU besonders voranbringen möchte.
Christian Heine-Göttelmann: Welche sozialpolitischen Themen möchten Sie als stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU besonders voranbringen?
Karl-Josef Laumann: Mir sind drei Themen besonders wichtig. Ich möchte zum einen, dass noch deutlicher wird, dass sich die CDU für eine hohe Tarifbindung einsetzt. In Deutschland haben wir nur noch eine Tarifbindung von rund 49 Prozent, Tendenz seit Jahren sinkend. Tariflöhne, die sozialpartnerschaftlich zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ausgehandelt werden, gehören für mich fest zu unserer sozialen Marktwirtschaft.
Als CDU müssen wir aber auch klarmachen, dass wir ein Industrieland bleiben wollen. Wir merken das auch in Nordrhein-Westfalen. In den Industriebereichen, wo wir sehr hohe Energiekosten haben, treffen die Unternehmen keine Investitionsentscheidung mehr für NRW. Um es ganz klar zu sagen: Wir müssen eine Antwort finden, wie wir die Transformation zur Klimaneutralität hinkriegen, ohne unsere Industrie zu verlieren.
Und drittens müssen wir die Frage der Fachkräftesicherung voranbringen. Dabei ist mir wichtig, dass wir nicht nur über Fachkräfteanwerbung im Ausland reden. Wir müssen auch die Leute, die hier sind, besser in den Arbeitsmarkt kriegen. Wir werden gesellschaftlich nicht aushalten, dass wir hohe Zahlen bei den Jobcentern haben und gleichzeitig einen Arbeitskräftemangel. Das müssen wir besser zusammenbringen.
Kirsten Schwenke: In der Diskussion von der politisch rechten Seite wird der Sozialstaat häufig stark kritisiert als ein System, das einem vermeintlichen Gerechtigkeitsempfinden entgegenstünde. Als jemand, der den Sozialstaat in den letzten Jahren mitgeprägt hat, wie stehen Sie zu dieser Kritik?
Karl-Josef Laumann: Ich glaube, dass der Sozialstaat für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft unabdingbar notwendig ist. Punkt. Ich glaube aber auch, dass eine gute Sozialpolitik in der Arbeitsmarktpolitik aktivierend sein muss. Es ist wichtig, dass die Instrumente der Arbeitslosenversicherung und der Grundsicherung für Arbeitsuchende darauf ausgerichtet sind, die Leute wieder in ein Arbeitsverhältnis zu bringen. Über die Hälfte meines politischen Lebens haben wir uns mit dem Thema Massenarbeitslosigkeit herumgeschlagen, weil wir nicht für alle Leute Arbeitsplätze hatten. Jetzt haben wir einen Arbeits- und Fachkräftemangel.
Deswegen muss Arbeitsmarktpolitik heute zwei Sachen machen: Sie muss auf der einen Seite arbeitslosen Menschen helfen, wieder in den Arbeitsmarkt zu kommen. Aber sie muss auch ganz eindeutig sehen, dass die Gesellschaft von der Arbeitsmarktpolitik verlangt, und das meiner Meinung nach auch zu Recht, einen Beitrag zur Arbeitskräftesicherung zu leisten. Das heißt, es müssen möglichst viele Menschen in Arbeit vermittelt werden. Das ist aus meiner Sicht sehr gut in Einklang zu bringen: auf der einen Seite ein starker Sozialstaat, auf der anderen Seite aber auch ein aktivierender Sozialstaat.
"Ich glaube, dass derzeit in Deutschland keiner das eine Mittel gegen die AfD gefunden hat", sagt NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU).
Christian Heine-Göttelmann: Sie hatten vor einigen Jahren ein Programm für Langzeitarbeitslose mit europäischen Förderlinien aufgelegt. Hat das Programm zu dem gewünschten Erfolg geführt und ist die Langzeitarbeitslosigkeit in NRW gesunken?
Karl-Josef Laumann: Zwischen 2013 und 2018 haben wir als Land das Programm "Öffentlich geförderte Beschäftigung" mit Landes- und ESF-Mitteln gefördert. Ziel des Programms war es, Langzeitarbeitslose wieder in das Erwerbsleben zu integrieren, indem die Lohnkosten bezuschusst wurden. Dabei haben wir auch bereits Coachingansätze neben der Beschäftigung erprobt. Wir haben damit damals gute Erfahrungen gemacht. Deswegen bin ich stolz darauf, dass der Bund diese Ideen aus Nordrhein-Westfalen mit dem Teilhabechancengesetz in die Regelförderung überführt hat. Dabei werden Lohnkosten für Langzeitarbeitslose bis zu fünf Jahre lang bezuschusst. Es ist entscheidend, dass diejenigen, deren Stellen so gefördert werden und die sich bei der Arbeit bewähren, dann auch wirklich in den Arbeitsmarkt integriert werden. Alles andere ist für die Leute sehr enttäuschend. Wir haben kürzlich Daten zur Teilhabe am Arbeitsmarkt ausgewertet. Rund 45 Prozent der Personen, die im Jahr 2022 aus der Förderung ausgeschieden sind, waren sechs Monate nach Beendigung der Förderung sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Bei den Leuten, die schon seit langer Zeit arbeitslos sind, ist das aus meiner Sicht eine gute Quote.
Kirsten Schwenke: In Deutschland erleben wir einen weit verbreiteten Rechtspopulismus. Das hat sich zuletzt in den Ergebnissen der Europawahlen gezeigt. Als Wohlfahrtsverbände und Kirchen sehen wir uns in der Verantwortung, gemeinsam mit der Politik demokratische Werte zu vermitteln. Welche Rolle spielt die Demokratieförderung bei Ihrem Engagement auf Bundesebene?
Karl-Josef Laumann: Ich glaube, dass derzeit in Deutschland keiner das eine Mittel gegen die AfD gefunden hat. Wir hatten im letzten Jahr überall gewaltige Demonstrationen für die Demokratie und gegen Rechtsextremismus. Die AfD-Wähler hat das anscheinend nicht beeindruckt. Trotzdem war das Wahlergebnis bei der Europawahl so, wie es war. Gut ist, dass wir bei der Europawahl eine etwas höhere Wahlbeteiligung hatten. Da müssen wir weitermachen. Denn für die Demokratie ist es sehr wichtig, dass die Leute aus der Mitte auch zur Wahl gehen.
Wenn wir jetzt nach Amerika schauen, finde ich es wichtig, dass man alles dafür tut, dass sich die politische Auseinandersetzung bei uns nicht personell radikalisiert. Wahlkämpfe und politische Auseinandersetzungen müssen sein und gehören zur Demokratie. Die Integrität der Personen unterschiedlicher demokratischer Parteien muss man aber sehr achten, damit nicht wie jetzt in Amerika ein ganzes Land in Bezug auf einzelne Politiker gespalten ist. Da sind wir Gott sei Dank in Deutschland noch weit von entfernt, aber wir müssen auch etwas dafür tun, dass das so bleibt.
Christian Heine-Göttelmann: Ein Baustein für die Stärkung des gesellschaftlichen und demokratischen Zusammenhalts ist aus unserer Sicht ein attraktives Angebot an Freiwilligendiensten. Dabei schlagen wir einen Rechtsanspruch vor, damit mehr junge Menschen vielfältige praktische Einblicke in soziale Berufe bekommen und sich nach der Schule besser orientieren können. Statt auf Freiwilligkeit zu setzen, wird auch in der CDU aktuell über ein Pflichtjahr diskutiert. Was halten Sie von dieser Debatte?
Karl-Josef Laumann: Ich finde die Idee nicht verkehrt, dass junge Menschen eine gewisse Zeit etwas machen, was sie sonst nicht tun würden. Wenn ich mich an meine Wehrdienstzeit erinnere, war das schon Teil meines Erwachsenwerdens. Ich glaube, dass es auch sehr viele Menschen gibt, die beim Zivildienst Erfahrungen fürs Leben gesammelt haben. Die Einführung einer sozialen Pflichtzeit wäre sicher eine logistische Herausforderung, aber bietet auch die Chance, dass hier junge Menschen aus verschiedenen Milieus zusammentreffen, sich austauschen und so der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt wird.
Diakonie RWL-Vorständin Kirsten Schwenke sagt: "Mit Blick auf die politische Lage braucht es aus unserer Sicht eher mehr als weniger Sozialpolitik."
Kirsten Schwenke: In Ihren Zielen für Ihre neue Rolle als stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU haben Sie auch weitreichende gesellschaftliche Probleme angesprochen. Glauben Sie, dass unsere Systeme in der Lage sind, diese Probleme zu lösen?
Karl-Josef Laumann: Ja, ich bin ganz entschieden der Meinung, dass die Bunderepublik Deutschland ein ziemlich stabiler Staat ist. Wir sind wirtschaftlich stark. Man mag über unser Bildungssystem sagen, was man will, aber so schlecht ist es auch nicht. Auch bei unserem Gesundheitssystem bin ich der Meinung, dass wir trotz aller Probleme wie zum Beispiel Wartezeiten bei Fachärzten, eines der besten Gesundheitssysteme der Welt haben. Und das im Übrigen für alle Menschen, die hier leben. Wir haben mit der Rente erreicht, dass rund 96 Prozent der alten Leute nicht auf Grundsicherung angewiesen sind. Und wir haben eine Grundsicherung, die Menschen auffängt, die in Not geraten sind. Die Hilfe bekommen diejenigen, die sich nicht selbst helfen können und die Unterstützung auch nicht von anderen erhalten. Auch über unsere Infrastruktur wird zu viel geschimpft. Ich glaube schon, dass wir alles in allem eine einigermaßen akzeptable Infrastruktur haben, wenn man von der Bahn mal absieht.
Kirsten Schwenke: Aber es gibt ja auch Herausforderungen…
Karl-Josef Laumann: Das Problem ist, dass viele Leute den Eindruck haben, dass der Staat zu kompliziert geworden ist, und da ist auch was dran. Als Staat kriegen wir manche Dinge aufgrund der Komplexität nicht mehr vom Schreibtisch, auch weil wir überall Einzelfallgerechtigkeit wollen. Ich glaube, dass wir eine starke Entbürokratisierung brauchen, sodass ein bisschen mehr Beinfreiheit entsteht. Wir haben zum Beispiel ein Gesetz in Deutschland, dass man den Mittleren Schulabschluss haben muss, wenn man in eine Pflegeschule will. Aber wird das den vielen Kindern gerecht, die erst nach einigen Schuljahren oder später in unsere Schulen kommen? Warum lassen wir diese Menschen nicht erstmal in die Pflegeschule? Und wenn die Ausbilder nach einem Jahr der Meinung sind, dass dieser Mensch die Lernziele erreichen kann, warum lassen wir es dann nicht gut sein?
Ich finde es nicht gut, dass wir so stark auf formale Bildungsabschlüsse setzen. Ich glaube, dass man damit einer so bunten Gesellschaft wie unserer nicht mehr gerecht wird. Das ist aber natürlich auch eine Systemfrage. Um das mal in die Sprache eines Schlossers zu setzen: Ich glaube, wir brauchen eine etwas gröbere Gesetzgebung.
Christian Heine-Göttelmann: Um Bürokratie abzubauen, könnte aus unserer Sicht auch eine integrierte Gesetzgebung helfen. Wir warten schon länger auf eine Reform der Sozialgesetzgebung, zum Beispiel auf eine SGB VIII-Reform, mit der die Jugendhilfe und die Eingliederungshilfe verschränkt werden. Werden Sie in Ihrer neuen Rolle dafür werben?
Karl-Josef Laumann: Die Frage, wie man die unterschiedlichen staatlichen Ebenen zusammenbringt, finde ich berechtigt. Ich habe bis jetzt aber noch kein Konzept gesehen, das eine vernünftige Lösung dafür bietet. Ich glaube, dass wir jetzt erst einmal gute Antworten brauchen, was die Rente angeht und was die Weiterentwicklung der Pflegeversicherung angeht. Wir brauchen ein gutes Konzept, wie wir die Situation in den Schulen für die Schülerinnen und Schüler verbessern, die als Geflüchtete zu uns gekommen sind oder in den sogenannten Grundsicherungs- oder Bürgergeld-Haushalten leben. Das ist mir erst mal alles sehr viel wichtiger, als die Systeme zusammenzubringen. Denn wenn wir eine Ungerechtigkeit in unserem Land haben, dann ist es die Tatsache, dass dein Elternhaus sehr viel damit zu tun hat, wie du durch das deutsche Schulsystem kommst. Das ist schlecht. Es ist eine entscheidende soziale Frage, wie es unser Bildungssystem hinbekommt, dass alle Menschen ihre Talente entwickeln können.
"Der Landeshaushalt ist eine große Herausforderung", sagt Karl-Josef Laumann, NRW-Sozialminister (CDU).
Kirsten Schwenke: Lassen Sie uns noch einmal auf NRW schauen. Wie erwartet ist die Haushaltslage für das kommende Jahr schwierig. In Zeiten angespannter Kassen geht leider die Debatte um Einsparungen im sozialen Bereich schnell in Gang. Uns ist wichtig, dass in der Diskussion das Soziale nicht gegen andere Bereiche ausgespielt wird. Mit Blick auf die politische Lage braucht es aus unserer Sicht eher mehr als weniger Sozialpolitik. Was dürfen wir vom Landeshaushalt 2025 erwarten?
Karl-Josef Laumann: Der Landeshaushalt ist eine große Herausforderung. Vor der Sommerpause haben wir im Kabinett den Haushaltsplanentwurf 2025 verabschiedet. Bei dem Entwurf haben wir Prioritäten gesetzt. Das ist in so einer Zeit unabdingbar. Eine Priorität ist, dass wir weiterhin in Kinder und Schulen investieren. Denn wir wollen den Kitaausbau beschleunigen, den offenen Ganztag ausbauen und die Herausforderungen im Schulbereich abfangen. Das heißt aber auch, dass anderswo gespart werden muss. Auch in meinem Haushalt werden wir spürbare Einsparungen machen und Prioritäten setzen müssen. Der Haushaltsentwurf wird dem Landtag als Haushaltsgesetzgeber zur weiteren Beratung zugeleitet. Das parlamentarische Verfahren müssen wir natürlich abwarten.
Christian Heine-Göttelmann: Eine Ihrer Prioritäten ist die Krankenhausstrukturreform. Sie sagen, dass Sie in den Prozess keine Unruhe reinbringen wollen. Wie sehen Sie momentan den Stand der Reform?
Karl-Josef Laumann: Mit der neuen Krankenhausplanung stellen wir klare Qualitätsvorgaben und den tatsächlichen Bedarf in den Mittelpunkt. Wir wollen, dass die Patientinnen und Patienten in Nordrhein-Westfalen die bestmögliche stationäre Versorgung erhalten – sowohl was die ortsnahe Notfallversorgung als auch was die Spezialversorgung angeht. Durch mehr Abstimmung und Kooperation der Krankenhäuser untereinander sollen die knappen Ressourcen besser eingesetzt werden. Zugleich soll die Bildung von Schwerpunkten der Qualität der Behandlungen zugutekommen. Deshalb muss es bei komplexeren Leistungsgruppen, wie beispielsweise komplizierten Krebsbehandlungen, teilweise zu deutlichen Konzentrationen kommen.
Ich bin mit der bisherigen Umsetzung der neuen Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen sehr zufrieden. Wir befinden uns jetzt auf der Zielgeraden. Derzeit läuft das Anhörungsverfahren, in dem insbesondere die Krankenhäuser Stellungnahmen zu unseren geplanten Zuweisungen abgeben können. In den Anhörungsschreiben, die wir den Krankenhäusern geschickt haben, werden diese notwendigen Konzentrationen sehr deutlich. Nach unseren Planungsüberlegungen werden nur etwa 50 Prozent der beantragenden Krankenhäuser die Leistungsgruppen im Bereich der Endoprothetik bekommen, bei Krebs-Behandlungen ein Drittel.
Da wir unsere Partner im Gesundheitswesen von Anfang an eingebunden und auf Konsens statt Konfrontation gesetzt haben, ist es trotzdem so, dass die Krankenhausgesellschaft, die Krankenkassen, die Ärzte und die Pflege in Nordrhein-Westfalen zu dieser Reform stehen. Ich glaube, dass es uns insgesamt ganz gut gelungen ist, die Leistungsbereiche so auf die Krankenhäuser zu verteilen, dass sie damit wirtschaftlich auch klarkommen können. In der Anhörung haben alle Krankenhäuser jetzt die Möglichkeit zu sagen, wo ihnen der Schuh drückt. Anschließend gucken wir uns das nochmal an. Bis Ende des Jahres sollen dann alle Krankenhäuser ihre Feststellungsbescheide erhalten, sodass dann die neue Planung in Nordrhein-Westfalen ab dem 1. Januar 2025 scharf gestellt ist.
Zum Thema Armut sagt Sozialminister Karl-Josef Laumann: "Ich glaube, dass es in der jetzigen finanziellen Situation sehr darauf ankommt, dass wir die verschiedenen Mittel, die wir haben, an die richtige Adresse bekommen."
Kirsten Schwenke: Ein weiteres Thema, das Sie angesprochen haben, ist das Thema Armut. Es ist durchaus beobachtbar, dass die verschiedenen Armutsphänomene in NRW nicht verschwinden, sondern dass wir beim Thema Armut auch weiterhin große Herausforderungen vor uns haben werden. Sie haben in NRW einen Aktionsplan gegen Armut aufgelegt. Welche konkreten Maßnahmen haben Sie zur Bekämpfung von Armut geplant?
Karl-Josef Laumann: Zunächst einmal ist es gut, dass wir in Deutschland mit der Grundsicherung und dem Recht auf Wohnen ein grundlegendes Netz haben, das Menschen auffängt. Gleichzeitig ist klar, dass wir bei der Bekämpfung von Armut am Ball bleiben müssen. Mit dem Stärkungspakt NRW haben wir letztes Jahr rund 150 Millionen Euro zur Unterstützung von Menschen in sozialen Notlagen auf den Weg gebracht. Das ging jedoch nur mit den Sondermitteln, die wir damals zur Bewältigung der Krisensituation in Folge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine hatten.
Ich glaube, dass das Wichtigste bei der Armutsbekämpfung ist, dass man nicht glaubt, man wüsste als Ministerium, was von Armut Betroffene brauchen, sondern dass man diese Prozesse stark partizipativ gestaltet. Deshalb haben wir Ende 2023 einen ersten Workshop gemeinsam mit Menschen mit Armutserfahrung und der Freien Wohlfahrt konzipiert und umgesetzt. Ziel war und ist es, die Perspektiven und Anliegen von Menschen mit Armutserfahrungen bei der Entwicklung von Strategien gegen Armut auf der Landesebene miteinzubeziehen. Diesen Prozess wollen wir fortsetzen.
Ich glaube, dass es in der jetzigen finanziellen Situation sehr darauf ankommt, dass wir die verschiedenen Mittel, die wir haben, an die richtige Adresse bekommen. Ich kann aktuell kein neues Programm auflegen, das mit vielen Millionen hinterlegt ist. Wir müssen uns jetzt darauf konzentrieren, beim Thema Partizipation weiterzukommen. Und wir müssen sehen, dass das Geld nicht in den Strukturen hängenbleibt, sondern bei den betroffenen Menschen ankommt. Wenn wir das hinbekommen, wäre unter den jetzigen Haushaltsbedingungen eine Menge getan.
Christian Heine-Göttelmann: Vielen Dank für das Gespräch.
Fotos: Diakonie RWL/Jana Hofmann