11. Dezember 2020

Hauptversammlung

Digital durch die Pandemie

Die Corona-Krise hat der diakonischen Welt viel abverlangt. Eine gestiegene Arbeitsbelastung, schnelles Reagieren und die Sorge um die zu unterstützenden Menschen haben die Mitglieder der Diakonie RWL enger zusammen gebracht. In der digitalen Hauptversammlung blickten sie auf das vergangene Jahr zurück. Mit dabei: NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann.

  • Screenshot der Videokonferenz zur Hauptversammlung
  • Christian Heine-Göttelmann und Thomas Oelkers
  • Portraitfoto von Karl-Josef Laumann

Schlaflose Nächte liegen hinter vielen Mitarbeitenden in Diakonie und Kirche. Die Sorge um alte und kranke Menschen, Wohnungslose, einkommensschwache Familien oder Menschen mit Behinderungen habe dieses Jahr geprägt. Das sagte der Vizepräsident der westfälischen Kirche, Ulf Schlüter. In seiner Andacht zur Hauptversammlung, die erstmals digital stattfand. "Manchmal schien es so, als sei da kein Licht am Ende des Tunnels." 

Doch "bei Licht betrachtet" gebe es viel zu sehen im Engagement der Mitarbeitenden für die Kinder in den Kitas, die Senioren in den Altenheimen oder Sterbenskranken in den Hospizen. Es werde dieses Jahr ein anderes Weihnachten sein als sonst, so Schlüter weiter. Aber es könne trotzdem eines sein, das von der Liebe Gottes und Fürsorge füreinander geprägt sei. 

Die ‘Ausbeute’  eines Vormittags im April: Rund 20 Angehörige haben jeden Tag Geschenke und Post im Altenzentrum abgegeben. (Foto: Diakonie Ruhr/ Vincke)

In Kontakt bleiben mit Briefen und Päckchen: Im Altenzentrum am Schwesternpark Feierabendhäuser in Witten stapelte sich während des Shutdowns im April die Post. 

Keine Besuchsverbote mehr

Was aber heißt das für die vielen Einrichtungen der Pflege und Behindertenhilfe in der Diakonie RWL? Unter Hochdruck setzen sie seit Monaten häufig wechselnde Verordnungen zu Hygiene-, Abstands- und Quarantäneregeln sowie Testungen um. Die Menschen gesundheitlich zu schützen, ohne sie zu isolieren, ist für viele Träger ein Balanceakt – vor allem zu Weihnachten. Diakonie RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann wollte dazu die Meinung der Politik hören und hatte NRW-Sozial- und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann zum Interview eingeladen.

"Das absolute Besuchsverbot während des Lockdowns im Frühjahr war ein schwerer Fehler", gab Laumann zu. "Das dürfen wir nie wieder machen." Einige der Menschen, die so abgeschirmt wurden, seien dennoch an einer Corona-Infektion verstorben. "Das können wir gar nicht wieder gutmachen."

Jetzt seien genügend Schnelltests vorhanden, um Besuche zu ermöglichen, die "ja auch über die unterschiedlichen Feiertage verteilt werden können", so Laumann. Eine Entlastung des Pflegepersonals bei den Testungen sei mit gesundheitlich geschulten Freiwilligen möglich. Im Freiwilligenregister der Ärztekammern befänden sich derzeit rund 11.000 Helferinnen und Helfer, die die Einrichtungen unterstützen könnten. 

Abstrich eines Corona-Schnelltests (Foto: Uwe Stoffels/Ev. Christophoruswerk)

Schnelltests gegen die Abschottung: Mittlerweile haben die meisten Einrichtungen ausreichend Materialien, um Besucher zu testen.

Hoffnungsträger Schnelltests und Impfungen

"Das gilt übrigens ebenso für die Eingliederungshilfe." Auch zu den Problemen bei der dortigen Refinanzierung von Schnelltests nahm der Minister Stellung. "Wir haben noch genug Geld im Rettungsschirm für die Pflege. Wir wollen eine Lösung finden, wie wir darüber auch die Schnelltests in den Einrichtungen der Behindertenhilfe finanzieren können."

Große Hoffnungen setzt Laumann in die Schutzimpfungen gegen das Covid-19-Virus. Hier wünscht er sich, dass der Bund den Ländern bei der Umsetzung einen "pragmatischen Freiraum" lässt. "Neben zentralen Impfzentren, die wir gerade aufbauen, wird es mobile Impfteams geben, die in Altenheime gehen", erklärte er. "Und wenn sich direkt gegenüber betreute Wohngruppen für Menschen mit Behinderung befinden, bin ich dafür, dass wir sie direkt mitimpfen können." Nur so könne die gewaltige Aufgabe der Durchimpfung der gesamten Bevölkerung zu stemmen sein.

Ein Mann mit Down-Syndrom wäscht ein Auto in einer Waschanlage

Die Hürde erster Arbeitsmarkt: Nur wenige Schwerbehinderte finden eine Anstellung bei einem privaten Arbeitgeber. Eine Stelle in einer Autowaschanlage ist keine Selbstverständlichkeit.

Inklusion – "Viel Licht, aber auch Schatten"

Auch die Reform der Pflegeversicherung, die finanzielle Ausstattung der Pflegeschulen und die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes waren Thema des Gesprächs. Dabei verwies der Minister auf den ersten Teilhabebericht des Landes, der "viel Licht, aber auch Schatten" im Hinblick auf die Inklusion in NRW werfe. Insbesondere die Teilhabe an Arbeit bleibe eine "anstrengende Daueraufgabe".

Von den derzeit 98.000 Mitarbeitenden in Werkstätten hätten nur 2.000 den Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt geschafft. Vor allem bei Arbeitgebern in der Privatwirtschaft gebe es "noch viel Luft nach oben", wenn es um die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen gehe.

Der Austausch mit der nordrhein-westfälischen Landesregierung ist der Diakonie RWL wichtig, betonte der theologische Vorstand Christian Heine-Göttelmann. Der Verband wolle seine politische Lobbyarbeit stärken, sich weiterhin mit den Politikerinnen und Politikern in den Dialog begeben und sich auf landespolitischer Ebene für seine Mitglieder einsetzen.

Laptop mit Block und Stift

Virtuelle Hauptversammlung: Die Diakonie RWL ist auf dem Weg der Digitalisierung. Während der Corona-Pandemie zahlt sich das aus.

Digital handlungsfähig

Für den Austausch mit den Mitgliedern werden die digitalen Plattformen weiter ausgebaut. "Schon vor der Pandemie haben wir in digitale Kommunikationstools investiert, so dass wir bereits während des ersten Shutdowns handlungsfähig waren", sagte Heine-Göttelmann. "Wir wollen nun Formate wie digitale Expertenrunden zu bestimmten Themen etablieren." Auch der gezielte Einsatz sozialer Medien erhöhe Reichweite und Aufmerksamkeit und schaffe neue Möglichkeiten zur Vernetzung.

Mit Mitteln der Stiftung Wohlfahrtspflege unterstützt die Diakonie RWL auch ihre Mitglieder bei der Digitalisierung. Etwa 280 Anträge seien bereits vom Stiftungsrat angenommen worden, erklärte Vorstand Thomas Oelkers. "Wir rechnen damit, dass rund 60 Millionen Euro für Digitalisierungsprojekte freigegeben werden."

Christian Heine-Göttelmann und Thomas Oelkers

Gefestigt in die Zukunft: Thomas Oelkers und Christian Heine-Göttelmann präsentierten den Jahresabschlussbericht 2019.

Wirtschaftlich stabil

Wirtschaftlich ist der Landesverband, der rund 2.500 Träger in Rheinland, Westfalen und Lippe vertritt, solide und stabil, wie Oelkers erklärte. So konnte das Jahr 2019 mit einem Überschuss von rund 2,3 Millionen Euro abgeschlossen werden. Es werde weiteres Personal eingestellt, um Geschäftsfelder wie das Zentrum "Teilhabe, Inklusion und Pflege" zu stärken. Eine Stelle für Quartiersentwicklung wurde im laufenden Jahr neu eingerichtet. 

Die über 100 Delegierten, die an der Hauptversammlung teilnahmen, bestätigten den Jahresabschluss sowie die Entlastung des Vorstandes und Verwaltungsrates mit großer Mehrheit.und beschlossen ebenfalls den Wirtschaftsplan für das Jahr 2021. 

Udo Zippel, Vorstand der Stiftung Eben-Ezer und Mitglied des Verwaltungsrates, dankte den beiden Vorständen für die geleistete Arbeit im vergangenen Jahr. Er freue sich, dass Vorstand Christian Heine-Göttelmann für eine weitere Amtszeit von acht Jahren zur Verfügung stehe, sagte er.

Text: Sabine Damaschke, Fotos: Ann-Kristin Herbst und Screenshots

Weitere Informationen
Ein Artikel zum Thema:
Diakonie RWL
Neue Entwicklungen bei
der Diakonie RWL
  • Der theologische Vorstand Christian Heine-Göttelmann wurde wiedergewählt und tritt eine weitere Amtszeit an.
  • Der juristische Vorstand Thomas Oelkers wird 2021 in den Ruhestand gehen.
  • Anfragen der Mitglieder sollen künftig durch ein Ticketsystem erfasst werden, sodass der Bearbeitungsfortschritt transparent ersichtlich ist.
  • Für die neuen Delegierten war es die erste Hauptversammlung. Die vollständige Liste der Nominierten finden Sie hier.