29. November 2016

Inklusion – Gute Beispiele

Vom Bastelstand zum Christkindlmarkt

Aus einem kleinen Verkaufsstand für Selbstgebasteltes vor 43 Jahren wurde ein Markenzeichen der Stadt Mönchengladbach: der "Christkindlmarkt für behinderte Menschen". Am vergangenen Wochenende haben Hunderte Freiwillige gekocht, gebastelt und gezimmert, um mit dem Erlös der Weihnachtsspeisen und -dekoration Einrichtungen der Behindertenhilfe zu unterstützen, darunter die Stiftung Hephata.

Bude auf dem Christkindlmarkt Mönchengladbach

Gute Laune bei kaltem Wetter: Verkaufsstand der Sparkasse beim Christkindlmarkt

Auf den ersten Blick unterscheidet der Christkindlmarkt auf dem Alten Markt in Mönchengladbach sich nicht von anderen Weihnachtsmärkten. Es gibt Glühwein und Waffeln, Weihnachtsdekoration, Spielzeug, Holzschnitzereien und einen Nikolaus, der Kindern die Hand schüttelt.

Erst auf den zweiten Blick fallen die Schilder an den Ständen auf: "Christkindlmarkt für behinderte Menschen" steht darauf geschrieben. Seit 43 Jahren gibt es diesen besonderen Markt, dessen Erlös Einrichtungen für behinderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene in der Stadt zugutekommt. 2,6 Millionen Euro sind im Laufe der Jahre zusammen gekommen.

Dass der kleine Verkaufstisch, mit dem Ruth Walter und Renate Gliemeroth sich vor 43 Jahren vor das Theater stellten, um Selbstgebasteltes zu verkaufen und den Erlös einer Behinderteneinrichtung zu spenden, einmal solche Ausmaße annimmt, hätten die beiden Frauen wohl selbst nicht gedacht. "Das waren zwei junge Mütter, die nicht-behinderte Kinder hatten, sich aber für Behinderte in der Stadt engagieren wollten", erklärt Dieter Kalesse von der evangelischen Stiftung Hephata, die an 36 Orten in Nordrhein-Westfalen mehr als 3.000 Behinderte betreut. Hephata gehört seit vielen Jahren zu den acht festen Einrichtungen, an die der Erlös des Marktes gespendet wird. In guten Jahren kommen bis zu 80.000 Euro zusammen.

Nikolaus mit Kind vor den Buden des Christkindlmarktes

Darf auf keinem Christkindlmarkt fehlen: der Nikolaus

Azubis bauen Holzhäuser und Zelte auf

Nicht nur der hohe Erlös, der an nur einem Tag erwirtschaftet wird, ist erstaunlich. Auch das ganze Drumherum zeigt den Stellenwert des Christkindlmarktes. "Am Abend vor der Eröffnung schickt die Firma Trützschler ihre Auszubildenden, die gemeinsam mit den Jugendlichen, die ein Freiwilliges Soziales Jahr in den Einrichtungen absolvierten, den gesamten Markt aufbauen", erzählt Charlotte Lorenz vom Christkindlmarkt-Vorstand. In diesem Jahr waren es 50 Holzhäuschen und Zelte, die die jungen Leute unentgeltlich auf- und am nächsten Abend wieder abgebaut haben.

Ebenfalls bemerkenswert sind die rund 500 Teilnehmer, die alle ehrenamtlich arbeiten: Elf Service-Clubs wie Zonta, Inner Wheel, Ladies' Circle, Rotary und Lions Club, Vereine, Parteien, die Stadtsparkasse und der Presseverein sind mit Ständen vertreten. Auch Einrichtungen und Förderschulen sind dabei. So stehen Jennifer Catania und Jasmin Weigang am Stand der Förderschule Dahlener Straße. "Wir haben Tomatensauce gekocht und Marmelade", erzählen die 19-Jährigen. Auch Tannenbäume aus Pappe und Filz, Weihnachtsplätzchen und Holzarbeiten haben die Kinder und Jugendlichen in der Schule hergestellt. 

Frau mit Kinderwagen und drei Kindern

Viele Familien besuchen den Christkindlmarkt

Besonderes Markenzeichen der Stadt

Frank Vahlaus dagegen verkauft Gutscheine für Suppe in Flaschen, die die Aktion Freizeit behinderter Jugendlicher gekocht hat. "Sonst habe ich immer Lose verkauft und einige Eimer leer gemacht", erzählt der 48-Jährige, der in der Wohnstätte des Vereins "Menschen im Zentrum" lebt.

Auf die Frage, warum er sich für den Weihnachtsmarkt engagiert, sagt Valhaus: "Ich möchte die Fähigkeiten, die ich habe, für die gute Sache einsetzen." So sehen es wohl auch die Bürger, die für diesen Tag gebastelt, gezimmert, gesammelt und gekocht haben und jetzt in den kleinen Holzhäusern stehen, um ihre Waren zu verkaufen. Eine von ihnen ist die 92-jährige Magda Korres. Die Hobbyfotografin bietet seit 25 Jahren selbst gestaltete Fotokarten mit Motiven aus Mönchengladbach an und spendet die Einnahmen.

Zwei junge Frauen stehen lachend in Bude des Christkindlmarktes

Sich für andere zu engagieren, macht sichtbar Freude

Und noch etwas fällt auf: Das benachbarte "Weihnachtsdorf", der mehrwöchige, kommerzielle Weihnachtsmarkt am Alten Markt, bleibt am Samstag vor dem ersten Advent von 9 bis 17 Uhr geschlossen, wenn der Christkindlmarkt geöffnet hat. "Der Betreiber hat gesagt, er möchte uns keine Konkurrenz machen", sagt Dieter Kalesse.

Er findet, am Christkindlmarkt zeige sich, dass Mönchengladbach eine sozial eingestellte Stadt sei: "Mit der finanziellen Erfolgsbilanz, dem beispielhaften bürgerschaftlichen Engagement und der Kontinuität von mehr als 40 Jahren ist der Christkindlmarkt zu einem Markenzeichen der Stadt geworden, das in ganz NRW seinesgleichen sucht."

Text: Stephanie Wickerath (epd)

Fotos: Myriam Topel/Christkindlmarkt Mönchengladbach e.V.