Kampagne Zusammen ist Zukunft
Rund zwanzig Prozent der Menschen mit Behinderung gelten als arm. Für viele ist schwierig, eine qualifizierte Arbeit zu finden. Und wenn sie diese haben, geht viel Geld für die notwendige Unterstützung im Alltag drauf. Von echter Barrierefreiheit – sei es im Hinblick auf Mobilität oder Sprache – kann in Deutschland nämlich noch keine Rede sein. Andere können aufgrund ihrer Behinderung nicht voll erwerbstätig sein und verdienen deshalb weniger oder sogar gar kein Geld. Und wieder andere sind in Werkstätten beschäftigt, weil sie auf dem ersten Arbeitsmarkt keinen Job finden.
Müssten also nicht viel mehr öffentliche Gelder ausgegeben werden, damit Menschen mit Behinderung besser leben und vor allem an dieser Gesellschaft teilhaben können? Zora Kiesow und Philipp Fuchs vom Social Media Team Hephata kommen mit ihrer ersten Frage direkt zur Sache, als sie den CDU-Landtagsabgeordneten Jochen Klenner an seinem Arbeitsplatz im Düsseldorfer Landtag besuchen.
Mitreden, wofür das Geld ausgegeben wird
Klenner ist Mitglied des Haushalts- und Finanzausschusses und bestimmt darüber mit, wieviel Geld das Land für Inklusion ausgibt. Im Haushalt für 2021 sind im Posten Inklusion des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales 24,5 Millionen Euro vorgesehen. Vor zwei Jahren war es noch doppelt so viel Geld, das dem Ministerium unter der Überschrift Inklusion zur Verfügung stand. Das gefällt den beiden Moderatoren der Kampagne "Zusammen ist Zukunft" der Diakonie RWL und Stiftung Hephata nicht. Wie können Menschen mit Behinderung beeinflussen, wieviel Mittel im Haushalt für Inklusion zur Verfügung stehen und wofür das Geld ausgegeben wird?
Der CDU-Politiker gibt zu, dass das Haushaltsgesetz tatsächlich „das wichtigste Gesetz“ ist, um das viel gerungen wird. Sein Tipp: "Macht den Politiker aus Eurer Stadt konkrete Vorschläge, wofür Geld ausgegeben werden sollte. Es ist ganz wichtig, für die eigenen Interessen einzustehen und dafür zu werben."
Wofür wird das Geld ausgegeben? Im Haushaltsausschuss im NRW-Landtag wird darüber diskutiert.
Höhere Freigrenzen
Diese "Eigenverantwortung" stärke auch das Bundesteilhabegesetz, so Klenner weiter, an dem auch Menschen mit Behinderung mitgeschrieben hätten. Durch das neue Gesetz dürfen Menschen, die Hilfe zur Pflege oder Eingliederungshilfe bekommen, mehr Geld behalten. Die Freigrenzen für Vermögen und Einkommen steigen an. Wer Eingliederungshilfe bekommt, muss erst einen Eigenbeitrag leisten, wenn das Jahreseinkommen 30.000 Euro übersteigt. Der Vermögens-Freibetrag steigt auf über 50.000 Euro. Und das Einkommen und das Vermögen des Lebenspartners werden nicht mehr herangezogen.
Was aber, wenn kein Geld zum Sparen übrig bleibt, weil man in einer Werkstatt deutlich weniger als den Mindestlohn verdient? Ist es gerecht, dass auf dem sogenannten "zweiten Arbeitsmarkt" kein Mindestlohn gezahlt wird? Eine "heikle, rote" Frage, die Zora Kiesow da aus der Fragenhagel-Box zieht und auf die Jochen Klenner auch zunächst ausweichend antwortet. Denn eigentlich hält er den Mindestlohn für "wichtig, damit Menschen selbstbestimmt von ihrer Arbeit leben können".
Andererseits, so Klenner weiter, "sollten wir Menschen nicht danach beurteilen, wieviel Geld sie verdienen". Und die Werkstätten bieten Menschen mit Behinderung eine besondere Betreuung und ein geschütztes Umfeld, Leistungsdruck steht nicht im Vordergrund. Im besten Fall folgt nach einiger Zeit die Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Viele hätten später auch eine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt und diese Durchlässigkeit sei für ihn sehr wichtig.
Inklusion muss in den Köpfen ankommen: Dafür plädiert der CDU-Abgeordnete Jochen Klenner im Interview.
Inklusion muss in den Köpfen ankommen
Eine klare Position zur Diskussion um den Mindestlohn in Werkstätten, die schon seit einigen Jahren geführt wird, bietet der CDU-Politiker nicht. Ganz Haushaltspolitiker ist für ihn auch entscheidend, dass alles bezahlbar bleibt.
Aber die Inklusion, so gibt er zu, könne dennoch entschiedener voranschreiten. Er sei auch etwas ungeduldig, dass es noch so viele Orte gebe, die nicht barrierefrei seien, sagt Klenner. Für ihn liegt das aber nicht nur am Geld. "In allen Köpfen und Herzen muss ankommen, dass jeder Mensch Rechte hat und jeder sich entfalten kann." Wichtiger als jeder Euro sei die richtige Einstellung in Politik und Gesellschaft. Nur dann könne Inklusion wirklich gelingen.
Text: Sabine Damaschke, Fotos: Ann-Kristin Herbst