Kampagne Zusammen ist Zukunft
"Schnelles Dating oder wahre Liebe?" So einfach lässt sich die Frage nicht beantworten, die Zora Kiesow vom Social Media Team der Stiftung Hephata aus der Fragenhagel-Box gezogen hat. Julia Wefelnberg neigt den Kopf und denkt nach, bevor sie antwortet. "Es kommt auf den Charakter an", sagt die Leiterin der "Schatzkiste", einer Partnervermittlung der Diakonie Michaelshoven. "Ob jemand schüchtern oder forsch ist, ob man nur eine Bettgeschichte oder die große Liebe sucht."
Die Sozialarbeiterin macht klar, dass sie alle Wünsche ernst nimmt und versucht, die Paare entsprechend zusammenzubringen. "Jeder Mensch hat ein Recht darauf, Partnerschaft zu leben und sein Leben so zu gestalten, wie er oder sie sich das vorstellt", betont Julia Wefelnberg. Sie vermittelt heterosexuelle genauso wie gleichgeschlechtliche Partnerschaften oder Freund- und Bekanntschaften.
Seit zwei Jahren betreut Wefelnberg die Kölner Kontakt- und Partnervermittlung für Menschen mit Beeinträchtigungen. Sie ist eine von bundesweit über 30 Schatzkisten, die alle in unterschiedlicher Trägerschaft sind, aber immer kostenlos oder gegen eine kleine Gebühr Singles mit Behinderung in ihre Kartei aufnehmen.
Die Schatzkiste als "Schutzraum"
Die erste "Schatzkiste" wurde 1998 von der Evangelischen Stiftung Alsterdorf der Diakonie Hamburg gegründet und kann längst erste Hochzeiten vermelden. Die Diakonie Michaelshoven startete ihre Schatzkiste im Jahr 2004. Mehr als 300 Menschen gehören derzeit zu ihren Kunden. Die meisten sind männlich. Anders als bei den üblichen Partnerschaftsvermittlungen führt Julia Wefelnberg erst ein Aufnahmegespräch in ihrem Büro. Dabei geht es um Interessen, Hobbies und darum, wie der zukünftige Partner oder die Partnerin sein sollte. Aber auch um die eigenen Erwartungen und Wünsche: "Viele der Menschen, die ich bei der Partnersuche unterstütze, haben noch gar keine Erfahrung in der Beziehungsgestaltung. Wir gucken dann gemeinsam, was braucht oder erhofft sich der- oder diejenige."
In ihrer Kartei sucht sie dann nach einem passenden Partner und schickt beiden einen Steckbrief des anderen zu. Wollen sie sich kennenlernen, lädt die Sozialarbeiterin zu einem ersten Treffen ein. Auf Wunsch ist sie dabei. Wollen sich beide danach weiter treffen, können die Kontaktdaten ausgetauscht werden. Es sei wichtig, den Menschen einen Schutzraum zu bieten, betont Julia Wefelnberg im Interview. "Viele haben schon schlechte Erfahrungen mit Datingportalen im Internet gemacht."
Vermittlerin auch bei Konflikten
In den zwei Jahren als Partnervermittlerin hat sie schon viel erlebt: Paare, die tatsächlich die große Liebe fanden, aber auch solche, die sich wieder getrennt haben. Die Sozialarbeiterin steht mit Rat und Tat zur Seite. Sie vermittelt auch bei Konflikten und versucht gute Lösungen mit dem Paar zu finden. Und die können bisweilen in einer Trennung bestehen. "Das ist dann nicht so schön, gehört aber genauso zur Liebe dazu", sagt sie.
Neben der Partnervermittlung bietet die Schatzkiste auch Veranstaltungen an wie Single-Partys, Kinoabende oder die "Schwatzkiste", eine lockere Stammtischgruppe zum näheren Kennenlernen.
Eine Partnervermittlung nur für Menschen mit Behinderung - Ist das im Sinne der Inklusion? Julia Welfensberg musste auch kritische Fragen wie diese beantworten.
Nicht inklusiv, dafür Raum zum Kennenlernen
Mit ihrem starken Fokus auf Menschen mit Beeinträchtigungen ist die Schatzkiste nicht inklusiv, sagt Julia Wefelnberg. Das sei ihr bewusst, aber nur so lasse sich ein Raum zum Kennenlernen für Menschen schaffen, die in den gängigen Datingportalen schnell unter gingen. Und dann fragt sie Zora Kiesow und Philipp Fuchs: "Aber wie findet ihr das, dass die Schatzkiste nur Menschen mit einer geistigen Behinderung oder einer Lernbehinderung anspricht?"
Zora Kiesow gefällt das Konzept. "Ich finde gut, dass die Menschen generell eine Unterstützung bekommen“, sagt sie. Schließlich wüssten viele nicht, was sie unternehmen könnten, um einen Partner oder eine Partnerin kennenzulernen. Auch Philipp Fuchs ist überzeugt von der ungewöhnlichen Partnerbörse: "Manche trauen sich nicht, auf die Menschen zuzugehen. Das ist gut, dass ihr ihnen helft, andere anzusprechen", meint er.
Text: Sabine Damaschke und Ann-Kristin Herbst, Fotos: Ann-Kristin Herbst
Behinderung und Teilhabe
Partnerschaften bei
Menschen mit Behinderung
Jeder Mensch hat das Recht zu Ehe, Elternschaft und Partnerschaft. So steht es in Artikel 23 der UN-Behindertenrechtskonvention. Doch die Möglichkeiten, andere Menschen mit oder ohne Behinderung kennenzulernen, sind für Menschen mit Beeinträchtigungen oft deutlich eingeschränkter. Laut Teilhabebericht der NRW-Landesregierung leben 33 Prozent von ihnen alleine. Das sind deutlich mehr als in der sonstigen Bevölkerung. Hier sind es nur 18 Prozent.