8. Februar 2022

Inklusionshotel im Flutgebiet

Vom Materiallager zum Gästehaus

Kaum eröffnet, blickt das neue Bethel Hotel zum Weinberg schon auf eine außergewöhnliche Geschichte zurück. Wo seit dem vergangenen Wochenende Gäste essen und schlafen können, stapelten sich monatelang Nahrungsmittel. In Bad Neuenahr-Ahrweiler diente das Inklusionshotel als Lager für die Fluthilfe. Von ihm soll auch künftig ein Zeichen der Hoffnung für die Region ausgehen, wünscht sich Bethel.

  • Hotelier an der Rezeption des neuen Bethel-Hotels in Bad Neuenahr gibt einer Frau ihre Hotelkarte
  • Eine Gruppe von Menschen steht vor dem neuen Bethel Hotel.

Ein wunderschöner Blick auf die Weinberge des Ahrtals, eine gemütliche Atmosphäre und ein Statement, dass Inklusion möglich ist: Für all das sollte das dritte Gästehaus der von Bodelschwingschen Stiftungen Bethel in Bad Neuenahr stehen. Etwa zwei Jahre wurde an dem Hotel, in dem Menschen mit und ohne Behinderungen zusammen arbeiten, gebaut. Dann kam Mitte Juli 2021 die Flutkatastrophe. An einen Weiterbau war zunächst nicht mehr zu denken. Stattdessen wurde das Inklusionshotel in der Nähe des Bahnhofs als großes Materiallager für die Fluthilfe genutzt. Davor entstand eine Container- und Zeltstadt, von der aus die Hilfe für die gesamte Region koordiniert wurde.

"Wir haben in Bethel ein Motto: Gemeinsam leben und arbeiten. Das ist auch für das Ahrtal ein gutes Motto", betonte die Bethel-Vorständin Pastorin Johanna Will-Armstrong bei der Eröffnung des Inklusionshotels am vergangenen Wochenende. "Die Botschaft dieses Leuchtturmprojekts lautet: Wir werden es gemeinsam schaffen", ergänzte der Bürgermeister von Bad Neuenahr-Ahrweiler, Guido Orthen.

Erster Gast des Hauses ist Thisabe Alfter. Die 69 Jahre alte alleinstehende Frau, die nach mehreren Schlaganfällen auf einen Rollator angewiesen ist, befindet sich nach der Hochwasserkatastrophe auf Wohnungssuche. Der Aufenthalt im Bethel Hotel zum Weinberg tue ihr als Flutopfer "richtig gut", sagte sie. Ihr Eindruck vom Haus ist durchweg positiv. "Die erste Nacht war ausgesprochen gut", berichtete sie, "und der Kaffee zum Frühstück war der beste, den ich den vergangenen acht Monaten bekommen habe". In Kürze sollen in Kooperation mit der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler weitere Flutopfer im Hotel untergebracht werden. 

Eine Frau mit geistiger Behinderung steht selbstbewusst vor Cafétischen.

Selbstbewusster Hotelservice: Im neuen Inklusionshotel werden etwa 40 Prozent der Beschäftigten mit Beeinträchtigung arbeiten.

Inklusiver Service 

Im Hotel nehmen Menschen mit Beeinträchtigungen rund 40 Prozent der Arbeitsplätze ein. Sie sind in nahezu allen Bereichen tätig, zum Beispiel im Service, im Housekeeping und an der Rezeption. Bethel hat knapp acht Millionen Euro in das barrierefrei zugängliche Hotel am Bahnhof Bad Neuenahr investiert. Weitere 500.000 Euro sind für einen geplanten Anbau vorgesehen: Am Hotel soll eine Weinstube entstehen.

Sechs der 72 Zimmer mit insgesamt 138 Betten sind rollstuhlgerecht konzipiert und mit elektrischen Pflegebetten ausgestattet. Je drei weitere Zimmer sind für Menschen mit Sehbehinderungen und für Menschen mit Hörschädigungen vorgesehen und bieten spezielle assistive Technologien wie etwa Lichtklingeln und visuellen Feueralarm. Zudem gibt es zwei Familienzimmer und ein Zimmer für Menschen mit Autismus. Mittlerweile liegen für die kommenden Monate schon viele Reservierungen vor. Besonders auffällig ist dabei die hohe Anzahl an Hochzeitsgesellschaften, die im Hotel feiern möchten.

Eingang des stationären Hospiz im Ahrtal

Auch das stationäre Hospiz im Ahrtal war von der Flutkatastrophe betroffen, ist aber wieder renoviert. Der Hospiz-Verein ist nun auch im Bethel-Hotel zu finden.

Neue Büros für Hospiz-Verein 

Im Neubau hat inzwischen auch der Hospiz-Verein Rhein-Ahr Büroräume bezogen. Der Verein, der gemeinsam mit Bethel das Hospiz in Bad Neuenahr-Ahrweiler trägt, war ebenfalls von der Hochwasserkatastrophe betroffen und in einen Container vor den Rohbau des Bethel-Hotels gezogen. Dort richtete er eine psychosoziale Anlaufstelle für Flutopfer ein, die ein Gespräch suchten, um über das Erlebte zu reden. 

Der Verein organisierte aber auch Toiletten und Dusch-Container, Waschmaschinen und Trockengeräte. Mitarbeitende beteiligten sich an der täglichen Zubereitung von bis zu 6.000 warmen Mahlzeiten für die Flutopfer und die Helferinnen und Helfer. Auch das mobile Fluthilfe-Team, das von Bethel, der Diakonie Katastrophenhilfe und Diakonie RWL finanziert wird, hat nun seinen Sitz im Hotel. Das Regionalteam bietet vielfältige Hilfeangebote für Menschen, die von der Hochwasserkatastrophe betroffen sind. 

Ein gutes halbes Jahr nach der Flutkatastrophe kann der Tourismus in der beliebten Urlaubsregion nun dank des neuen Bethel-Hotels zum Weinberg wieder Fahrt aufnehmen. Die offizielle Einweihungsfeier des neuen Hotels mit der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer musste aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt werden. Sie soll aber im Sommer dieses Jahres mit einem Begegnungsfest nachgeholt werden. 

Text und Fotos: Philipp Kreutzer/Bethel, Redaktion: Sabine Damaschke

Foto im Slider: Bürgermeister Guido Orthen (von links), Hotel-Geschäftsführer und Bauherr Kay Andresen, Bethel-Vorstand Pastorin Johanna Will-Armstrong, der stellvertretende Landrat Horst Gies und Hotel-Geschäftsführerin Heike Pelzer stehen vor dem neuen Bethel Hotel zum Weinberg. Andere Fotos: Shutterstock und Hospizverein Rhein-Ahr.