Inklusion - Gute Beispiele
Renate Heinze und Marcel Böhm arbeiten gerne zusammen
Als Marcel Böhm vor zwei Jahren seinen neuen Job im Fairhaus Düsseldorf antrat, war er über das Verhalten mancher Kollegen etwas verblüfft. „Es gab ein paar Mitarbeiter, die einfach an mir vorbeiliefen und nicht grüßten“, erzählt der 28-jährige Bürokaufmann und grinst. „Die waren aber nicht unhöflich, sondern haben mich einfach nicht gesehen, weil sie fast blind sind.“ Heute grüßt Marcel Böhm zuerst und springt auch schnell mal hinzu, um einen sehbehinderten Kollegen vor dem Zusammenprall mit einem Möbelstück zu bewahren. „Hier hilft einer dem anderen“, erzählt er. „Das gilt auch umgekehrt. Mich hat ein schwer gehbehinderter Kollege eingearbeitet.“
Gutes tun und Umsatz damit machen
Immer freundlich zu Kunden: Marcel Böhm an der Ladentheke
Marcel Böhm gehört zu den rund 30 festangestellten Mitarbeitern, die beim Fairhaus Düsseldorf angestellt sind. Hinzu kommen 19 Kollegen mit Behinderung. Sie arbeiten in den acht Filialen der Sozialkaufhäuser, die über ganz Düsseldorf verteilt sind und Kleidung, Bücher, Spielwaren, Haushaltsartikel sowie Möbel als Secondhand und Neuware anbieten. Für die Mitarbeiter mit Handicap erhält das Fairhaus jeweils einen Lohnkostenzuschuss von 30 Prozent, den sogenannten Minderleistungsausgleich. Ansonsten muss es aber wie andere Firmen auch Umsatz machen, um am Markt bestehen und das Personal bezahlen zu können.
Verantwortlich dafür ist nicht nur die Geschäftsführung des Integrationsunternehmens „renatec“ der Diakonie Düsseldorf, zu der die Fairhäuser gehören, sondern auch Michael Wirtz. Seit 2008 leitet er die Integrationsabteilung der „renatec“ und ist Chef der Fairhäuser. Über zwanzig Jahre hat er im Einzelhandel gearbeitet. „Das war ein knallhartes Geschäft, bei dem es immer nur um die Steigerung des Umsatzes ging“, erzählt der 53-jährige Abteilungsleiter. „Davon wollte ich weg.“ Bei „renatec“ sieht sich Michael Wirtz genau an der richtigen Stelle. „Es ist eine schöne Herausforderung, Umsatz damit zu machen, dass man als Kaufhaus sozial, ökologisch und integrativ ist.“
Respekt vor allen Kunden
Respekt ist wichtig: Michael Wirtz und Britta Zweigner
Dazu gehört für den Einzelhandelsexperten aber unbedingt, modern zu sein. „Wir wollen eine große Bandbreite an Kunden, deshalb dürfen wir als Sozialkaufhaus nicht mit muffigen Teppichen und alten Registrierkassen daher kommen.“ Die Fairhäuser in Düsseldorf sind hell und geräumig. Kunden können mit EC-Karte zahlen. Hinter der Kasse läuft ein Video, das für die sogenannte Faircard wirbt. Marcel Böhm hat daran mitgearbeitet. Wer von Sozialhilfe lebt oder nur wenig Geld verdient, muss keinen Einkommensnachweis vorzeigen, sondern eine „faircard 30“. Mit dieser Kundenkarte spart er bei jedem Einkauf 30 Prozent.Von der Rabattkarte machen inzwischen rund 30.000 Kunden Gebrauch. Tendenz steigend. „Zwar sind wir eine reiche Stadt, aber auch bei uns steigen die Armutszahlen“, erklärt renatec-Geschäftsführerin Britta Zweigner. „Besonders betroffen sind Menschen im Alter und Langzeitarbeitslose.“ Michael Wirtz ist wichtig, dass diese Gruppe, die sich oft am Rand der Gesellschaft fühlt, in den Fairhäusern genauso respektvoll behandelt wird wie die anderen Kunden. Immerhin macht das Unternehmen 60 bis 70 Prozent Umsatz mit der „faircard 30“.
Gute Stimmung im Zentrallager
Das Sortiment der Fairhäuser besteht zu gut 40 Prozent aus gespendeter Ware. Der Rest sind Firmenspenden und 2. Wahl-Artikel, die zugekauft werden. Neben dem einzigen Möbel-Fairhaus, in dem Marcel Böhm arbeitet, befindet sich das Zentrallager, in dem Regine Heinze täglich die Kleiderspenden kontrolliert, sortiert und etikettiert, bevor sie auf die verschiedenen Filialen verteilt werden. „Ich finde meinen Job sehr abwechslungsreich“, sagt sie. „Außerdem lachen wir viel bei der Arbeit. Das tut gut.“
Seit sechs Jahren arbeitet Regine Heinze im Fairhaus-Lager. Sie gehört zu den Mitarbeitern mit Handicap und war längere Zeit arbeitslos, bevor sie den Job bei dem Düsseldorfer Integrationsunternehmen bekam. „Im Verkauf könnte ich nicht arbeiten“, erzählt die 49-jährige Frau. „Damit wäre ich überfordert, denn ich kann nur eines nach dem anderen erledigen.“ Dafür nimmt sie ihre Arbeit sehr genau und erntet viel Lob der Kollegen. „Ich bin viel selbstbewusster geworden, seit ich hier arbeite“, sagt Regine Heinze.
Persönlichkeit ist wichtiger als das Zeugnis
Renate Heinze liebt ihren Job im Lager
Auch sie hat - wie die gut zwei Drittel der Menschen mit Behinderung, die im Fairhaus angestellt sind, - keine abgeschlossene Berufsausbildung. Denn für Abteilungsleiter Michael Wirtz zählen nicht die Zeugnisse, sondern die Persönlichkeit. Er nimmt sich daher viel Zeit für Vorstellungsgespräche. Neben dem Jobcenter, das ihm regelmäßig Bewerber schickt, schaltet er auch selbst Stellenanzeigen. Gerade hat er auf diesem Weg drei Auszubildende gefunden, darunter einen Jugendlichen mit Behinderung. „In einem Integrationsunternehmen ist Teamfähigkeit wichtig“, betont er. „Aber ich muss auch die Leistungsgrenzen jedes einzelnen Mitarbeiters im Blick haben, damit ich ihn nicht über-, aber auch nicht unterfordere.“
Zu Anfang, so gibt Michael Wirtz zu, sei das für ihn nach so vielen Jahren im harten Einzelhandelsgeschäft gewöhnungsbedürftig gewesen. „Heute sehe ich, dass man gerade mit dieser Personalpolitik erfolgreich sein kann, denn die Mitarbeiter identifizieren sich viel stärker mit ihrem Unternehmen.“ Tatsächlich gibt es nur wenig Fluktuation im Team der Fairhäuser. Mit gutem Grund, meint Regine Heinze. „Wir sind hier wie eine große Familie.“
Sabine Damaschke