Bundesteilhabegesetz
Mehr Selbstständigkeit für Menschen mit Behinderung bedeutet auch mehr Bürokratie.
Herr Wagner ist querschnittgelähmt und lebt in einer Einrichtung der Diakonie. Bislang hat er sich nicht darum gekümmert, dass seine Wohnung, Kleidung oder auch die Assistentin bezahlt wurde, die ihn regelmäßig beim Einkaufen unterstützt hat. Alles wurde von der Einrichtung geregelt. Ab Januar 2020 ist das vorbei. Dann bestimmt Herr Wagner selbst über sein Leben. Er richtet sich ein Konto ein und kommt für die Kosten der Unterkunft und des Lebensunterhalts auf. Da er weder über Vermögen noch ausreichend Einkommen verfügt, erhält er Geld vom Sozialamt, das er nun beantragen muss.
In der Fachsprache nennt sich das "Trennung der Leistungen". Sie ist ein zentrales Kernelement des 2017 in Kraft getretenen Bundesteilhabegesetzes, das für die Träger von Einrichtungen und Menschen mit Behinderung eine gravierende Veränderung bedeutet. Doch wie macht man verständlich, was jetzt an Bürokratie auf die betroffenen Menschen zukommt? Die Diakonie RWL bietet dazu in Zusammenarbeit mit der Stiftung Wittekindshof ein Erklärvideo an, in dem Herr Wagner die Hauptrolle spielt.
Genauere Planung der individuellen Hilfen
Der kurze Film bildet den Auftakt einer dreiteiligen Reihe, in dem auch noch das sogenannte "Gesamtplanverfahren" und das "Teilhabeplanverfahren" erklärt werden. "Die Planung der persönlich notwendigen Unterstützung eines Menschen mit Behinderung wird im Bundesteilhabegesetz neu geregelt und erfordert die Beteiligung des Betroffenen", erklärt Diakonie RWL-Referentin Svenja Pleuß, die das Filmprojekt betreut. "Er kann von Anfang an mitreden. Alle Beteiligten müssen eng zusammenarbeiten und sich auch zu einem Gespräch treffen, wenn das notwendig ist."
Das bedeutet mehr bürokratischen Aufwand, aber auch mehr Selbstbestimmung für die Menschen mit Behinderung. Sie benötigen künftig ein eigenes Konto, auf das ihnen Einkommen oder Sozialleistungen überwiesen werden – auch wenn sie in einer diakonischen Einrichtung leben. So werden sie vom Bewohner zum Mieter.
Das BTHG hat die Beratungsstellen ermöglicht, wird aber auch zu mehr Beratungsbedarf führen, sagt Diakonie RWL-Referentin Svenja Pleuß.
Neuland für Betroffene: Anträge stellen
Im Sinne der "Trennung der Leistungen" müssen sie sich aber nicht nur darum kümmern, dass das Geld für Wohnen, Kleidung und Lebensmittel von der Rentenversicherung oder vom Sozialamt überwiesen wird. Sie müssen auch die sogenannten "Fachleistungen", also die Unterstützung etwa durch die Einrichtung oder eine Assistenz, bei dem für sie zuständigen Landschaftsverband in NRW beantragen. Im sogenannten "Gesamtplanverfahren" überprüft der Landschaftsverband anschließend, ob und welche Alltagshilfen er bewilligt.
"Dieses Verfahren hat verschiedene Schritte, zu denen auch ein Gespräch mit dem Antragsteller sowie eine Konferenz gehören können", sagt Svenja Pleuß. Ist alles geklärt, erstellt der Landschaftsverband einen individuellen "Gesamtplan" und verschickt den Bescheid über Art und Umfang der Leistungen, die er trägt.
Statt vieler Worte setzen die Videos auf knappe und anschauliche Erklärungen und Bilder.
Komplizierte Verfahren kurz erklärt
Das sogenannte "Teilhabeplanverfahren" läuft ähnlich ab, konzentriert sich aber stärker darauf, wie die verschiedenen Reha-Träger, zu denen etwa Krankenkassen, Rentenversicherung oder Bundesagentur für Arbeit gehören, miteinander arbeiten und sich abstimmen. Die beiden neuen Verfahren sind Thema von zwei weiteren Videos, die gerade erstellt und gestaffelt ab Mitte Juli veröffentlicht werden.
Die Diakonie RWL stellt ihren Einrichtungen die Videos kostenfrei zur Verfügung, bietet aber auch eine Individualisierung der Filme an. "Wer das Video mit seinem Einrichtungsnamen ergänzen und damit neu besprechen lassen möchte, kann das gerne tun", sagt Svenja Pleuß. "Der Träger muss nur die zusätzlichen Kosten übernehmen, die dadurch entstehen."
Text: Sabine Damaschke
Weitere Informationen gibt es bei Svenja Pleuß unter Telefon 0211 6398-384 oder Mail s.pleuss@diakonie-rwl.de.