26. Bethel athletics
Charlotte Beckmann freut sich schon seit Wochen auf diesen Tag und gibt ihr Bestes beim Boule. "Mir ist es wichtig, dass ich sportlich aktiv bin", sagt die 34-Jährige, die vielseitig interessiert ist. Reiten, tanzen, Golf spielen – seit 2006 ist die junge Frau jedes Jahr bei den Bethel athletics dabei. In diesem Jahr hat sie auch ihren Freund Markus Hans zur Teilnahme motiviert. "Wir wollten etwas machen, was wir beide können", erklärt sie. So fiel die Wahl auf Boule.
Dabei sein ist alles
Leichtathletik, Fußball, Schwimmen und Judo, in insgesamt zehn unterschiedlichen Disziplinen können sich die Athletinnen und Athleten messen. Das Wichtigste aber ist, dabei zu sein. Der Spaß steht beim Turnier an erster Stelle, betont Organisatorin Antje Pyl vom Bewegungs- und Sporttherapeutischen Dienst der von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. Seit Monaten arbeitet sie mit ihrem Team auf die Veranstaltung hin, die für alle ein besonderer Tag ist. "Ein Tag der Begegnung, bei dem die Sportlerinnen und Sportler im Mittelpunkt stehen." Egal, welche Einschränkungen und Fähigkeiten die einzelnen Personen haben: Alle können mitmachen, jede individuelle Leistung wird anerkannt und wertgeschätzt. Das macht die besondere Atmosphäre der Bethel athletics aus.
Die Sambagruppe Les Benitas hat bei der Eröffnungsfeier der Bethel athletics für Stimmung und gute Laune gesorgt.
Bunte Eröffnungsfeier
Schon die Eröffnungsfeier sorgt für Gänsehautmomente, etwa wenn die Athletinnen und Athleten in den Sportpark Gadderbaum einziehen, rhythmisch-schwungvoll angeführt von der Sambagruppe Les Benitas. Dann wird es still, und die Blicke gehen nach oben zum Himmel. Drei Fallschirmspringer der Polizei NRW schweben nacheinander herab und landen mitten auf dem Sportplatz. Sie bringen das „Olympische Feuer“, das in diesem Jahr die 24-jährige Leichtathletik-Teilnehmerin Jasmin Berenbrinker entgegennimmt und als Fackelträgerin zur Feuerschale bringt. Die Europahymne, gesungen von Opernsängerin Nohad Becker, das Entzünden des Feuers, aufbrausender Jubel – die Wettkämpfe können beginnen.
Die 24-jährige Leichtathletik-Teilnehmerin Jasmin Berenbrinker bringt als Fackelträgerin das Feuer zur Feuerschale.
Bethel-Feuer für Berlin
Pastor Ulrich Pohl, Vorstandsvorsitzender der von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, hält seine Begrüßung bewusst knapp und herzlich, und auch Bielefelds Bürgermeister Andreas Rüther fasst sich kurz. "Toll, dass ihr alle da seid", sagt er und betont: "Bielefeld ist eine Stadt, in der Inklusion gelebt wird." Vom 12. bis 15. Juni ist Bielefeld außerdem "Host Town" und Gastgeberin für irische Sportler, die anschließend an den Special Olympic World Games in Berlin teilnehmen. Das Bethel-Feuer werden die Iren von Bielefeld nach Berlin weitertragen.
Nun aber genug der Worte, jetzt gehört die Bühne den Sportlerinnen und Sportlern. Rund 750 Anmeldungen aus ganz Deutschland sind eingegangen, den ganzen Tag lang messen sich Menschen mit und ohne Handicap in verschiedenen Leistungsstufen und Disziplinen. Dazu gibt es einen Volks- und Tandemlauf und ein buntes Rahmenprogramm. Menschen mit schweren Behinderungen können außerdem an zahlreichen wettbewerbsfreien Angeboten teilnehmen, darunter erstmalig Dartspiele. Und überall stehen Zuschauerinnen und Zuschauer, feuern die Teilnehmenden an und jubeln, wenn sie über ihre Grenzen hinauswachsen.
Imran Cetinkaya wartet auf seinen Start. Im vergangenen Jahr hat der 26-Jährige eine Silbermedaille geholt.
Das Beste geben
Sportlicher Ehrgeiz darf und soll sein. Imran Cetinkaya wartet schon ungeduldig auf seinen Start. Im vergangenen Jahr hat er eine Silbermedaille geholt, in diesem Jahr will er Gold schaffen. Der 26-Jährige tritt als Leichtathlet an. "Werfen, springen, laufen, das macht mir riesen dollen Spaß." Mutter Melanie Maaß-Cetinkaya nickt und lacht, während ihr Sohn sie fest umarmt. Imran Cetinkaya ist "Wiederholungstäter" und zum 6. Mal bei dem Turnier dabei. Das Sportfest sei eine tolle Abwechslung, ein richtiger Höhepunkt im Alltag, findet seine Mutter, die nur zu gut weiß, wie sehr sich ihr Sohn jedes Mal auf das Sportfest freut, das es seit 26 Jahren gibt.
Charlotte Beckmann freut sich über ihre Goldmedaille im Boule-Wettbewerb.
Medaillen als Erinnerung
1997 fanden die ersten Bethel athletics statt. Anfangs waren die Wettkämpfe als ein reines Angebot für Menschen mit Behinderungen geplant, daraus entwickelte sich aber schnell eine inklusive Veranstaltung für Sportbegeisterte aus ganz Deutschland. Freunde und Bekannte treffen, neue Kontakte knüpfen, Vorurteile abbauen – auch das gehört bei den Bethel athletics dazu. Genauso wie der Applaus, die Siegerehrungen und die Medaillen, die am Ende alle bekommen, als Anerkennung und Erinnerung. Besonders gute Leistungen werden mit Silber und Gold gewürdigt.
Die beiden freiwilligen Helfer Lucas (vorne) und Riad testen den Rollstuhl-Parcours.
Freiwillige helfen mit
Auch Hunderte Ehrenamtliche sind eingebunden und tragen zum Gelingen bei. Kara macht als Freiwillige mit ihrem Sportleistungskurs mit und unterstützt die Teilnehmenden beim Weitsprung. "Es ist wirklich schön zu sehen, mit wie viel Spaß alle dabei sind", sagt die 18-Jährige. Ihre Mitschüler Lucas und Riad helfen beim Rollstuhlparcours. Slalom fahren, eine Wippe und eine kleine Steigung bewältigen – die beiden Gymnasiasten haben sich auch selbst in den Rollstuhl gesetzt und im wahrsten Sinne des Wortes erfahren, dass es gar nicht so einfach ist, den Parcours zu bewältigen. "Die Leute geben hier wirklich ihr Bestes, die wollen sich auch nicht helfen lassen und alles selbst machen", erzählen die beiden Jugendlichen und zeigen sich beeindruckt, wie dankbar die Teilnehmenden sind und sich alle über die eigene Leistung freuen.
Diese Leistung wird bei den Siegerehrungen ganz offiziell gewürdigt. Auf der Bühne geht es bereits Schlag auf Schlag. Charlotte Beckmann und Markus Hans werden aufgerufen und nehmen die Auszeichnung entgegen. Gold und Silber im Boule, das Paar ist sichtlich zufrieden. Charlotte Beckmann hält stolz ihre Goldmedaille hoch und strahlt. "Finde ich richtig schön, so ein inklusives Sportfest."
Text und Fotos: Silke Tornede
Behinderung und Teilhabe
Zahlen und Fakten
Rund 750 Teilnehmende aus ganz Deutschland waren bei den "Bethel athletics 2023" am Start. Die Sportarten reichten von Judo über Leichtathletik und Schwimmen bis zum Volks- und Tandemlauf. Menschen mit schweren Behinderungen konnten zudem an zahlreichen wettbewerbsfreien Angeboten teilnehmen, dazu gehörten erstmalig Dartspiele.
Die ersten „Bethel athletics“ gingen 1997 aus der Organisation eines bundesweiten Leichtathletik-Sportfestes der Special Olympics hervor. Zunächst richteten sich die Bethel athletics nur an Menschen mit Behinderungen, inzwischen gibt es inklusive Wettkampfdisziplinen.
Die v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel mit Hauptsitz in Bielefeld zählen zu den größten diakonischen Werken in Europa.