27. April 2022

Sozialkaufhäuser

"Wir sind für alle da"

Egal ob Kleiderschrank, Sommerkleid oder Fernseher – Sozialkaufhäuser bieten für kleines Geld alles, was man im neuen Zuhause braucht. Doch jetzt stoßen die diakonischen Kaufhäuser an ihre Grenzen. Denn zur regulären Kundschaft kommen auch ukrainische Geflüchtete. Das führt zu einem Spagat zwischen dem Wunsch, schnell zu helfen und dabei alle gleich zu behandeln.

  • Verkäuferin im Kaufhaus der Diakonie zeigt einer Kundin einen lila Rock.
  • Antiker Stuhl im Sozialkaufhaus.
  • Sessel und Tische im Café des Fair-Hauses in Schwelm.

Blau-braun-karierte Hemden neben pinken Blusen und grauen Wintermänteln: Die sieben Kaufhäuser der Diakonie (KadeDi) im Duisburger Raum kleiden ihre Kundinnen und Kunden von Kopf bis Fuß ein. Auch immer mehr Menschen, die aus der Ukraine nach Deutschland geflohen sind, wenden sich an die Sozialkaufhäuser.

"Im Moment stellen wir, wo es nötig ist, Starterpakete mit Kleidung zusammen", erzählt Holger Stamm, Leiter des größten KadeDi in Duisburg. Zum Beispiel für Menschen, die ohne alles, vielleicht gerade mal mit einer Handtasche oder Plastiktüte und dem, was sie am Körper tragen, aus der Ukraine geflohen sind. Ihnen helfen die Kaufhäuser mit einer Erstausstattung aus − Hosen, Jacken, Schuhe. In dringenden Fällen auch unbürokratisch und teilweise kostenlos. Doch das ist keine Dauerlösung, betont Holger Stamm.

Kleidung auf der Verkaufsfläche im Fair-Haus Schwelm.

Anprobieren und neue Lieblingsstücke finden: Das Fair-Haus in Schwelm ist auf 1.500 Quadratmetern nicht nur ein Ort zum Einkaufen, sondern bietet auch einen Treffpunkt, Information und Beratung.

Unkomplizierte Hilfe für alle

"Es gibt momentan zum Teil die Erwartung, dass wir den Geflüchteten aus der Ukraine die Sachen kostenlos zur Verfügung stellen", berichtet auch Michael Richard-Sommer. Er ist Mitglied des Vorstands des Fachverbands für berufliche und soziale Integration im Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe (FABI) und als Leiter des Fachbereichs Arbeit und Ausbildung beim Diakoniewerk Duisburg auch für die Sozialkaufhäuser zuständig. 

Genau wie in anderen Bereichen der sozialen Arbeit befürchten die Fachleute, dass eine Zwei-Klassen-Gesellschaft innerhalb der Kundschaft der Sozialkaufhäuser entstehen könnte. Richard-Sommer hält es deshalb für problematisch, wenn auf lange Sicht ein Unterschied zwischen ukrainischen Geflüchteten und anderen Menschen mit geringen Einkommen gemacht wird. "Wir müssen verhindern, dass unter den Bedürftigen ein Konkurrenzdenken entsteht", betont er. Ähnlich äußert sich auch Stefanie Krah-von Reth, Leiterin des Fair-Hauses in Schwelm bei Wuppertal: "Wir arbeiten das ganze Jahr, unabhängig von Katastrophen – und sind für alle da. Wir wollen und können da niemanden ausschließen."

20 Tonnen Spenden pro Woche

Jede Woche bekommen die sieben Kaufhäuser der Diakonie im Duisburger Raum im Durchschnitt 20 Tonnen Spenden. Das sind vor allem Möbel, meist Schränke oder Regale. Aber auch Küchengeräte, Spielsachen, Bücher und Kleidung werden immer wieder vorbeigebracht. "Wir erleben jetzt häufiger, dass Menschen ihre Sachspenden gezielt für ukrainische Geflüchtete bei unseren Sozialkaufhäusern abgeben", sagt Ina Heythausen, Diakonie RWL-Referentin und Geschäftsführerin des FABI-Fachverbands. Solche Zusicherungen könnten die Kaufhäuser nicht machen, betont Michael Richard-Sommer: "Wir sind für alle Bedürftigen da und können nicht garantieren, dass Spenden nur an eine bestimmte Gruppe weitergegeben werden."

Geflüchtetes Mädchen aus der Ukraine sitzt auf einer Reisetasche.

Noch nicht angekommen: Spätestens, wenn die Geflüchteten aus der Ukraine eigene Wohnungen beziehen, werden die Sozialkaufhäuser alle Hände voll zu tun haben.

Auf den Ansturm vorbereitet

Bislang können die Kaufhäuser in Duisburg und in Schwelm die gestiegene Nachfrage noch stemmen. Ins KadeDi in Duisburg kommen momentan täglich etwa fünf Familien, berichtet der Leiter des größten Hauses, Holger Stamm.

Es sei aber nur eine Frage der Zeit, bis die Angebote der Sozialkaufhäuser bei den Geflüchteten bekannter würden, glauben Stefanie Krah-von Reth und Holger Stamm. Spätestens, wenn mehr Menschen aus der Ukraine eigene Wohnungen beziehen und diese dann auch einrichten wollen, werde das Sozialkaufhaus zur ersten Anlaufstelle. Sobald die Ukrainer*innen in die staatlichen Hilfesysteme aufgenommen werden, stehen ihnen alle Leistungen zur Verfügung, die auch andere Bedürftige erhalten: Die Geflüchteten können dann wie alle anderen Bedürftigen zu einem reduzierten Preis im Sozialkaufhaus einkaufen. 

Jetzt für morgen planen

Damit das klappt, wünschen sich Stefanie Krah-von Reth und Holger Stamm eine enge Zusammenarbeit mit den Kommunen. "Wir stehen als leistungsfähiger Kooperationspartner zur Verfügung", unterstreicht Michael Richard-Sommer. "Wir haben eine gut funktionierende Infrastruktur und Kontakte." Aber wenn es darum gehe, bald bei der Ausstattung von Wohnungen einzuspringen, sei ein gewisser Vorlauf nötig, sagt der Experte.

Denn dann müssen die Sozialkaufhäuser zum Teil auch neue Waren kaufen, wie etwa Matratzen, die nicht gebraucht weitergegeben werden können. Von heute auf morgen tausende Matratzen zu bestellen, sei aber ein Ding der Unmöglichkeit. "Wir müssen jetzt mit Bedacht vorgehen und mit einbezogen werden", betont Ina Heythausen. "Sonst werden viele Sozialkaufhäuser und ihre Mitarbeitenden das nicht stemmen können." Am Ende gehe es darum, allen zu helfen und niemanden gegeneinander auszuspielen. 

Text: Carolin Scholz, Redaktion: Jana Hofmann/Ann-Kristin Herbst, Fotos: Fair-Haus Schwelm, Andreas Reinsch, Shutterstock

Ihr/e Ansprechpartner/in
Ina Heythausen
Geschäftsfeld Berufliche und soziale Integration
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In den Sozialkaufhäusern finden Kundinnen und Kunden Kleidung, Möbel und vieles mehr – zu einem fairen Preis. Die Waren werden in der Regel gespendet und von den Mitarbeitenden aufbereitet. Menschen, die zum Beispiel Sozialleistungen erhalten, bekommen zusätzlich eine Rabattkarte, durch die die Waren noch etwas günstiger werden. Außerdem sind die Sozialkaufhäuser für Menschen, die lange Zeit arbeitslos waren, ein erster Schritt auf dem Weg zurück in den Arbeitsmarkt. Sie sortieren die Waren, holen sie zum Teil bei den Spenderinnen und Spendern ab und helfen bei Wohnungsauflösungen.