Sozialer Arbeitsmarkt
Begeistert von der Oldtimerwerkstatt: Michael Stelzner (links) mit Christian Heine-Göttelmann und Anja Weber
Stolz steht der Geschäftsführer der NEUE ARBEIT Essen, Michael Stelzner, vor dem schwarzen Peugeot 302 BH, Baujahr 1939. Am Wochenende hat er den 1. Preis als "elegantestes Auto" im Essener Oldtimerwettbewerb "Tour de Rue" gewonnen. Jetzt wird in der Oldtimerwerkstatt wieder an dem Wagen herumgeschraubt.
Die Werkstatt ist ein Vorzeigeprojekt des Sozialunternehmens, das rund 2.000 arbeitslose Menschen in verschiedenen Programmen und Maßnahmen betreut und qualifiziert. Bis zu 25 Mitarbeiter erwecken hier unter Anleitung von drei Meistern schrottreife, verrostete Autos zu schicken Oldtimern.
Im Rahmen des NRW-Landesprogramms "Öffentlich geförderte Beschäftigung" haben diese Mitarbeiter für zwei Jahre einen sozialversicherungspflichtigen Job. Ein Arbeitsplatz, der, so Stelzner, arbeitsmarktnah und sinnstiftend sei. Insgesamt bietet die NEUE ARBEIT 100 dieser Arbeitsplätze an.
Michael Stelzner hatte viel zu zeigen und zu erklären bei seiner Führung durch die Werkstätten der NEUE ARBEIT Essen.
Gemeinsam stark für sozialen Arbeitsmarkt
"Was Sie aus den alten Schrottautos machen, ist wirklich beeindruckend", waren sich Anja Weber, DGB NRW-Vorsitzende, und Christian Heine-Göttelmann, Vorstand der Diakonie RWL, einig. Gemeinsam mit einigen ihrer Arbeitsmarktexperten waren sie zur NEUE ARBEIT Essen gekommen, um sich über erfolgreiche öffentlich geförderte Beschäftigungsfelder zu informieren. Und um ein Zeichen zu setzen, dass sie ihr gemeinsames Engagement für einen sozialen Arbeitsmarkt in NRW weiterführen wollen.
Bereits vor knapp einem Jahr haben sie zusammen an die damalige rot-grüne Landesregierung appelliert, einen dauerhaft öffentlich geförderten sozialen Arbeitsmarkt einzurichten. Die aktuelle Ankündigung der Bundesregierung, deutschlandweit bis zu 150.000 Jobs für langzeitarbeitslose Menschen zu fördern, bewerten sie als Schritt in die richtige Richtung.
Beliebter Arbeitsplatz: die Fahrradwerkstatt
Langzeitarbeitslose mit Kindern fördern
Da jeder dritte Langzeitarbeitslose in NRW wohnt, rechnen DGB und Diakonie mit bis zu 50.000 Arbeitsplätzen und jährlich mindestens 330 Millionen Euro zusätzlichen Finanzmitteln vom Bund. Hinzu kommen die für die Finanzierung von Arbeitslosigkeit eingesparten SGB II-Mittel. "Das Bundesprogramm muss durch das Land flankiert werden", meinte Anja Weber.
Ihr sei dabei wichtig, dass schwerpunktmäßig Langzeitarbeitslose mit Kindern vom sozialen Arbeitsmarkt profitierten. "Denn Eltern in dauerhaften Beschäftigungsverhältnissen sind für Kinder der beste Schutz, später einmal selber langzeitarbeitslos zu werden." Darüber hinaus müsse Alleinerziehenden der Zugang zum sozialen Arbeitsmarkt erleichtert werden, forderte Anja Weber, etwa durch Teilzeitangebote.
In der Wäscherei sind überwiegend Frauen beschäftigt.
Verborgene Talente entdecken
In der Wäscherei und der Großküche der NEUE ARBEIT Essen sind viele Frauen beschäftigt. Auf ihre familiäre Situation werde dabei Rücksicht genommen, erklärte Michael Stelzner. Auch in der Kreativwerkstatt entstehen viele Produkte unter der Hand von Frauen.
Die hochwertigen bunten Taschen, Stofftiere und Holzarbeiten werden unter der Marke "Kronenkreuz" in einem Onlineshop verkauft. "In diesen Maßnahmen zeigt sich die Kreativität und das Talent vieler Teilnehmer", erklärte Michael Stelzner.
Kreativität zum Ansehen und Kaufen: Christian Heine-Göttelmann, Anja Weber und Michael Stelzner im "Kronenkreuz"-Shop
Alle Arbeitsfelder einbeziehen
Ein Ansatz der Beschäftigungsförderung, der Anja Weber besonders gut gefiel. "Wir brauchen viel mehr solcher Projekte, in denen verborgene Talente langzeitarbeitsloser Menschen gehoben werden", sagte sie.
"Beschäftigung muss in allen Arbeitsfeldern möglich sein, damit sich Betriebe, Kommunen und Sozialunternehmen beteiligen können", so Weber weiter. "Das erleichtert den Übergang in eine ungeförderte Beschäftigung auf dem regulären Arbeitsmarkt."
Beim diakonischen Beschäftigungsträger NEUE ARBEIT haben laut Stelzner im vergangenen Jahr rund 400 Teilnehmer eine ungeförderte Beschäftigung gefunden. Andere gehen nach dem Ende einer Maßnahme erst einmal wieder in die Arbeitslosigkeit, um auf die Bewilligung einer weiteren Fördermaßnahme zu warten. Das sei entwürdigend und demotivierend, erklärte der Geschäftsführer. "Viele sind auf einem guten Weg, aber brauchen einfach noch Zeit, um sich zu qualifizieren und die wird ihnen nicht gegeben."
Begeistert vom Designer-Fahrrad: Diakonie RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann
Land muss sozialen Arbeitsmarkt gestalten
Diakonie und Gewerkschaft wünschen sich deshalb bessere Rahmenbedingungen für einen sozialen Arbeitsmarkt. Sie fordern die Landesregierung auf, die Umsetzung des Bundesprogramms zu gestalten und dies nicht einfach den Jobcentern zu überlassen. "Wichtig ist uns, dass die Bundesmittel wirklich zur Finanzierung öffentlich geförderter Beschäftigung verwandt werden und nicht in die unterfinanzierten Verwaltungshaushalte der Jobcenter fließen", sagt Christian Heine-Göttelmann.
Ergänzt werden sollte dieses Geld weiterhin durch die rund 20 Millionen Euro, die NRW bereits jetzt zur Finanzierung geförderter Beschäftigung einsetzt. Auch bürokratische Fallen wie die Begrenzung der Mittelverwendung auf das laufende Haushaltsjahr oder der Ausschluss von Kommunen, deren Haushalt der Haushaltssicherung unterliegt, müssten verhindert werden, betonten Christian Heine-Göttelmann und Anja Weber in Essen. "Wir werden uns gemeinsam dafür einsetzen, dass langzeitarbeitslose Menschen in NRW mit einem sozialen Arbeitsmarkt eine echte Perspektive erhalten."
Text: Sabine Damaschke, Fotos: Sabine Damaschke, Roswitha Könitz (NEUE ARBEIT Essen)