Arbeitslosenfonds 2016
Vorbild für das neue Projekt: die Radstation der Diakonie Mönchengladbach in Rheydt
Unter Hochdruck wird am Bahnhof in Mönchengladbach gehämmert, gebohrt und geschraubt. Denn Ende des Jahres soll sie fertig sein, die neue Radstation der Diakonie Mönchengladbach. Reisende können dort künftig 665 Fahrräder sicher abstellen und Räder mieten. Der Verleih, die Wartung und die Bewachung übernehmen Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt kaum noch Chancen haben, weil sie wohnungslos waren und schon lange arbeitslos sind.
"In unserer Radstation bieten wir zwölf sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze für ältere erwerbslose Menschen an, die bei uns wieder an die Anforderungen des Arbeitsmarktes herangeführt werden", sagt Brigitte Bloschak, Fachbereichsleiterin für die Radstation, Wohnungslosenhilfe und Suchtberatung.
Fördermittel für das Projekt gibt es zwar vom Land und der Stadt Mönchengladbach, aber sie reichen nicht, um zum Beispiel Lese- und Rechtschreibschulungen für diejenigen Teilnehmer anzubieten, die hier große Defizite haben. Rund 20.000 Euro erhält die Diakonie Mönchengladbach daher aus dem Arbeitslosenfonds der Evangelischen Kirche im Rheinland. Geld, das "ein Segen für uns ist", betont Brigitte Bloschak. "Wie viele Projekte für Langzeitarbeitslose ist auch unsere Radstation nicht komplett refinanziert, so dass wir für diese Unterstützung sehr dankbar sind."
An der Seite der Arbeitslosen
Zwar nimmt die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland seit Jahren ab und die Wirtschaftskraft zu, doch fast eine Million Menschen leben seit über zehn Jahren von Hartz IV. Insbesondere in Nordrhein-Westfalen hat sich die Langzeitarbeitslosigkeit verfestigt. Es gibt hier rund 300.000 Langzeitarbeitslose. Nur jeder 37. Erwerbslose, der Hartz IV bezieht, fand 2015 einen Job. Das belegt der aktuelle Arbeitslosenreport der Freien Wohlfahrtspflege NRW. Zu den Betroffenen gehören viele ältere Menschen, Alleinerziehende, Migranten mit schlechten Deutschkenntnissen, aber auch Menschen mit schwerwiegenden gesundheitlichen Einschränkungen oder Jugendliche ohne Schulabschluss aus schwierigen sozialen Verhältnissen.
Volker König
"In den Gemeinden der Evangelischen Kirche im Rheinland – von Saarbrücken bis Duisburg – gibt es leider eine lange Geschichte von Arbeitslosigkeit. Viele Gemeindeglieder, ganze Dörfer und Stadtteile sind davon betroffen", erklärt Volker König, Vorsitzender des Ausschusses "Arbeitslosenfonds" (ALO-Fonds), in dem Mitglieder der rheinischen Kirche und der Diakonie RWL über die Vergabe der Fördermittel entscheiden.
Deshalb habe die rheinische Kirche – bundesweit einmalig – seit Mitte der 1980er Jahre hier einen Arbeitsschwerpunkt gesetzt, zusammen mit ihrer Diakonie, so Volker König. "Mit unserem Fonds zeigen wir, dass Kirche und Diakonie an der Seite der Menschen stehen, die immer wieder die Erfahrung machen, dass sie am Arbeitsmarkt nicht gebraucht werden. Natürlich können wir mit unseren sehr begrenzten Mitteln immer nur vereinzelt Zeichen setzen. Aber es sind Zeichen, die bei den Menschen ankommen."
Integration der Flüchtlinge fördern
In jeden Kirchenkreis der rheinischen Kirche fließt nun Geld für Beschäftigungs-, Qualifizierungs- und Beratungsprojekte, mit denen Diakonie und Kirchengemeinden Langzeitarbeitslose, aber auch Flüchtlinge unterstützen. Sie reichen von einem Gemüseanbaubetrieb auf einem stillgelegten Bio-Bauerhof in Aachen, in dem Flüchtlinge und Langzeitarbeitslose qualifiziert werden, Berufsorientierungsprojekte für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und deutsche Schulverweigerer in Wipperfürth bis hin zu einer offenen Erwerbslosenberatung für Flüchtlinge und Zuwanderer in Essen.
Im Projekt "Wegbereiter" hat Michael Stelzner (Mitte oben) Migranten zu Flüchtlingshelfern ausbilden lassen
Rund 30.000 Euro erhält der Beschäftigungsträger Neue Arbeit Essen des dortigen Diakoniewerks für den Aufbau dieser besonderen Beratungsstelle. "Die Vermittlung der Flüchtlinge auf den ersten Arbeitsmarkt braucht viel Qualifizierung und Begleitung. Das sehen wir an einer großen Gruppe von Migranten in Essen, die schon lange arbeitslos sind", erklärt Geschäftsführer Michael Stelzner.
Er verweist auf Studien und Erfahrungen der Jobcenter, wonach sich nur gut zehn Prozent der Flüchtlinge leicht in den deutschen Arbeitsmarkt integrieren lassen. Alle anderen brauchen eine gute und langfristige Begleitung, die mit den derzeitigen öffentlichen Fördermitteln alleine nicht zu finanzieren ist.
Arbeitslosenfonds schafft finanzielle Grundlage
"Wir haben etwa 45 Beratungsstellen und 65 Träger im Rheinland, die Anträge an den ALO-Fonds stellen können. Da sind eine Millionen Euro nicht viel", räumt Volker König ein. "Aber ohne diese Gelder würden viele Projekte nicht zustande kommen. Wir finanzieren nicht flächendeckend, sondern wir fördern über innovative Ideen die Weiterentwicklung der Angebote wie etwa jetzt im Bereich der Flüchtlinge." Die diakonischen Träger hätten die Mittel, die seit 1984 aus dem ALO-Fonds zur Verfügung gestellt werden, gut genutzt – jede Mark und jeder Euro aus den Kirchensteuermitteln konnte mit staatlichen Mitteln vervielfacht werden.
Diese unterstützende Arbeit der Diakonie mit arbeitslosen Menschen kommt laut König bei den Betroffenen selber sehr gut an. Dies sei "Kirche zum Anfassen" und genieße wegen der hohen Qualität der Arbeit bei Zuschussgebern einen hervorragenden Ruf. Zwar habe die rheinische Synode im Rahmen der notwendigen Haushaltskonsolidierung auch die Mittel, die aus Kirchensteuern jeweils für den ALO-Fonds zur Verfügung stehen, gekürzt - in den letzten Jahren insgesamt um zwei Drittel. Der Dezernent für Politik und Kommunikation der rheinischen Kirche wertet es als aber deutliches Signal der Synode, dass der Fonds nach wie vor aufgelegt wird. "Wir wollen als Kirche nahe bei den Menschen sein, gerade bei denen, die durch alle sozialen Netze fallen und dringend Unterstützung brauchen, um das Leben zu meistern."
Text: Sabine Damaschke, Fotos: Anna Siggelkow/ekir.de, Diakonie Mönchengladbach, Diakonie Essen