Arbeitsgelegenheiten
Eine schnellere Integration von Menschen in den Arbeitsmarkt ist derzeit Thema vieler politischer und öffentlicher Debatten. Denn obwohl in Deutschland rund 2,7 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet sind, suchen viele Arbeitgeber vergeblich Mitarbeitende. Hier könnten Arbeitsgelegenheiten einen wichtigen Beitrag zur Lösung bieten, erklärt der Fachverband berufliche und soziale Integration im Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe (FABI). Dem Verband gehören mehr als 100 Sozialunternehmen an, die Beschäftigungen, Qualifizierung und Beratung für arbeitslose und für junge Menschen am Übergang von der Schule zum Beruf anbieten. Doch damit Arbeitsgelegenheiten ihr Potenzial entfalten können, braucht es einige entscheidende Änderungen, fordert Michael Stelzner, FABI-Vorsitzender und Geschäftsführer der NEUEN ARBEIT der Diakonie Essen.
Arbeitsgelegenheiten nach §16d SGB II – auch bekannt als Ein-Euro-Jobs – sind ein arbeitsrechtliches Instrument. Meist wird es genutzt, um Langzeitarbeitslose an ein geregeltes Arbeitsleben heranzuführen. Sie setzen sich nun dafür ein, dieses Instrument zu erweitern. Warum?
Stelzner: Trotz Arbeits- und Fachkräftemangel sind aktuell 2,7 Millionen Menschen arbeitslos. Außerdem ist die Situation der öffentlichen Haushalte durch die multiplen Krisen der letzten Jahre so angespannt wie noch nie. In öffentlichen und politischen Debatten werden nun Sanktionen als probates Mittel zur schnelleren Integration arbeitsloser Menschen, insbesondere derjenigen mit einem Fluchthintergrund, und damit zur Senkung der Kosten des Bürgergelds diskutiert.
Viele arbeitslose Menschen schaffen aber den ersten Schritt in Richtung Job nicht alleine, sie haben weder Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt noch sind sie geeignet für eine Weiterbildung, beispielsweise wegen mangelnder Sprachkenntnisse.
Für diese Personengruppe könnten Arbeitsgelegenheiten einen Beitrag zur schnelleren Integration in Arbeit leisten. Dazu müssten aber die Anforderungen angepasst sowie die Rahmenbedingen erweitert und flexibilisiert werden.
Arbeitsgelegenheiten als Integrationschance: Sie helfen, Deutschkenntnisse zu stärken.
Wie könnten Arbeitsgelegenheiten für eine schnellere Integration in den Arbeitsmarkt genutzt werden?
Stelzner: Das Erste ist, dass diese Option einer geförderten Beschäftigung viel früher in den Blick genommen werden sollte und nicht erst nach jahrelanger Arbeitslosigkeit. Arbeitsgelegenheiten werden derzeit erst am Ende der Förderkette genutzt, wenn alle anderen Maßnahmen gescheitert sind. Aber man könnte dieses Instrument auch gleich zu Beginn nutzen, um in diesem Zuge Sprachkenntnisse zu fördern, Qualifizierungsbedarfe zu entdecken und darauf aufbauend andere Förderinstrumente zu nutzen, oder aber am besten die Direktvermittlung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.
Qualifizierte Förderung: Arbeitsgelegenheiten machen die Teilnehmenden fit für den Job, etwa in der Gastronomie.
Damit Arbeitsgelegenheiten ihr Potenzial entfalten können, braucht es aus Ihrer Sicht eine bessere Förderung der Teilnehmenden. Was sollte da geschehen?
Stelzner: Die Arbeitsgelegenheiten müssten flankiert werden durch niederschwellige Sprachangebote, qualifizierte Fachanleitung, pädagogische Begleitung und aktive Arbeitsvermittlung. 60 Prozent der Menschen in den Arbeitsgelegenheiten bei der NEUE ARBEIT haben einen Migrationshintergrund. Derzeit ist die Flankierung durch eine Sprachförderung aber in der Regel nicht möglich. Und in den Job-Berufssprachkurs kommen viele nicht hinein, weil dieser ein Sprachniveau von A2 voraussetzt. Viele Maßnahmeteilnehmende erreichen dieses Sprachniveau aber erst gar nicht, weil sie in den normalen Sprachkursen nicht klarkommen. Damit fallen sie aus den Sprachförderungssystemen in der Gemeinwohlarbeit heraus. Hier brauchen wir die Möglichkeit eines arbeitsplatzbezogenen Sprachtrainings in den Arbeitsgelegenheiten, bei dem man andere Formen der Sprachförderung in kleinen Gruppen entwickelt.
Ein weiterer Punkt ist, dass die Sozialunternehmen, die die Menschen in der Gemeinwohlarbeit beschäftigen, keinen Auftrag haben, diese auch in den regulären Arbeitsmarkt zu vermitteln. Es reicht aber nicht, mit diesen Menschen eine Bewerbung zu erstellen. Hier müsste man in qualifiziertes Coaching investieren, in Fachkräfte, die geschult sind, Selbstvertrauen, Bewältigungskompetenzen und Kommunikationsfähigkeiten der Menschen zu stärken und alternative Suchaktivitäten zu unterstützen. Viele Menschen brauchen auch Unterstützung, um die sozialen Hemmnisse zu regeln, die die Aufnahme einer geregelten Arbeit verhindern wie etwa psychische Probleme oder Schulden. Da gibt es bei der NEUEN ARBEIT Essen umfangreiche Konzepte und Erfahrungen, wie das gut gelingen kann.
Michael Stelzner ist Geschäftsführer der NEUEN ARBEIT der Diakonie Essen und Vorsitzender des FABI.