28. Januar 2021

Tanzstunden für Altenheime

Schunkelvideos gegen den Winterspeck

In den ersten Monaten eines neues Jahres hat der Kölner Tanzlehrer Dennis Baharuddin meist besonders viel zu tun. Alle wollen ihren Winterspeck loswerden. Auch in den Altenheimen der Diakonie Michaelshoven. Dort tanzt Dennis Baharuddin bereits seit zehn Jahren mit Menschen, die an Demenz erkrankt sind. Weil viele seine Tanzstunde vermissen, kommt er in der Pandemie per Video zu ihnen.

  • Tanzlehrer Dennis Baharuddin gibt einer alten Dame aus dem Seniorenheim der Diakonie Michaelshoven Unterricht. (Foto: Diakonie Michaelshoven)
  • Tanzstunde im Seniorenheim der Diakonie Michaelshoven (Foto: Diakonie Michaelshoven)
  • Gruppentanz mit Tanzlehrer Dennis Baharuddin im Seniorenheim der Diakonie Michaelshoven (Foto: Diakonie Michaelshoven)

Auch wenn Dennis Baharuddin seit dem vergangenen Sommer schon einige Tanzvideos aufgenommen hat, fühlt es sich merkwürdig an. Damit er nicht immer alleine im leeren Saal seiner Kölner Tanzschule Arme, Hüfte und Beine zur Musik bewegt, hat er sich noch zwei junge Auszubildende dazu geholt. Zu dritt sieht es schon etwas mehr nach Tanzstunde aus. Doch dem 37-jährigen Tanzlehrer fehlen die alten Menschen, denen er vor der Pandemie im Thomas-Müntzer-Haus der Diakonie Michaelshoven einmal in der Woche Unterricht gegeben hat.

"In meinen Tanzstunden improvisiere ich viel", sagt Dennis Baharuddin. "An der Reaktion der Seniorinnen und Senioren sehe ich immer, ob sie die Schritte und Bewegungen mitmachen können und wollen. Danach richte ich meine Gruppentänze aus." Genau das gefällt ihm. "Diese Interaktion ist einfach schön. Wenn die alten Menschen Spaß am Tanzen haben, blühen sie auf. Und wenn es ihnen nicht gefällt, dann zeigen sie das auch ganz ehrlich." Dieses Feedback vermisst der Tanzlehrer.

Zehnjähriges Tanzstunden-Jubiläum

Seine Tanzvideos sind kein Ersatz für die Stunden, die viele als Höhepunkt ihres Alltags im Altenheim beschreiben. Aber sie sind eine Möglichkeit, in Verbindung zu bleiben – und nicht vergessen zu werden. Denn das ist Dennis Baharuddin wichtig. "In diesem Jahr feiere ich mein zehnjähriges Jubiläum als Tanzlehrer für Seniorinnen und Senioren mit Demenz", erzählt er stolz. "Es ist ein Projekt, das mir viel bedeutet und das ich deshalb auch gerne weiterführen möchte."

Als er damals mit seinen Tanzstunden begann, brachte er zwar schon viel Erfahrung als Tanzlehrer sowie im Leistungssport mit. Regelmäßig war Dennis Baharuddin auf Meisterschaften für lateinamerikanischen Tanz unterwegs. Aber spezielle Kurse für Ältere hatte er noch nicht gegeben – geschweige denn für alte Menschen mit demenziellen Erkrankungen. "Mit dem Begriff Demenz konnte ich gar nichts anfangen", erinnert er sich. Also las er sich in das Thema ein und nahm die Empfehlung eines Kollegen an, sein Tanzprogramm abzuspecken und langsamer durchzuführen.

Gruppen- statt Paartänze

Vor den ersten Stunden war der ausgebildete Tanzlehrer noch sehr aufgeregt. "Ich dachte, ich bringe den Senioren neue Tanzschritte im Paartanz bei. Relativ schnell wurde mir klar, dass es nicht funktionieren wird." Er änderte das Konzept und begann die Stunde mit Gruppentänzen.

In der Regel nehmen bis zu 25 Seniorinnen und Senioren an den wöchentlichen Tanzstunden teil. Dabei werden sie von Mitarbeitenden, Ehrenamtlichen und Praktikanten unterstützt. Sie stehen im Kreis oder sitzen auf ihrem Stuhl, wenn sie nicht mehr stehen können. Automatisch bewegt sich jeder auf die Musik, so gut er kann. Von gutsitzenden Tanzschritten bis hin zu minimalen Bewegungen, wie ein Fuß, der sich zum Takt bewegt, oder auch der wippende Finger einer Hand, die sich am Rollator festhält. Der ein oder andere singt bei bekannten Melodien auch mit.

Mit Charme zum Tanzen motivieren

Dennis Baharuddin steht in seinen Tanzstunden mittendrin, motiviert immer wieder den ein oder anderen und spricht seine Kursteilnehmer persönlich an. Der 37-Jährige bezaubert vor allem die alten Damen mit seinem Charme und seiner positiven Ausstrahlung. Er findet für alle passende Worte. Manchmal holt er die Teilnehmer auch persönlich aus dem Zimmer ab, wenn er von den Mitarbeitenden darum gebeten wird, weil es ihnen nicht gelungen ist, diese zum Tanzen zu motivieren.

Ein alter Plattenspieler weckt Erinnerungen an schöne Tanzstunden. (Foto: pixabay)

Ein alter Plattenspieler, eine Flasche Sekt und schon ging's los: Viele alte Menschen haben schöne Erinnerungen an ihre "Tanztees". 

"Jeder hat ein angeborenes Rhythmusgefühl, und ich möchte das hier bei jedem herauskitzeln“, sagt er. Er macht keinen Unterschied zwischen professionellen Tanzstunden und denen in der Senioreneinrichtung. "Sobald ich eine Tanzstunde gebe, bin ich in meinem Element." Diesen Ehrgeiz hat er auch bei seinen Videos. Sie sollen schön anzusehen, aber auch leicht verständlich sein und zum Mitmachen bewegen. "Oft nehme ich ein Tanzvideo mehrfach auf, bis ich endlich zufrieden bin", gibt Dennis Baharuddin zu.

Tanzen weckt Erinnerungen

Er weiß, dass Tanzen für die älteren Generationen immer wichtig war. Denn viele Senioren und Seniorinnen sind mit dem Tanzen großgeworden, haben sich sonntags zum Tanztee verabredet oder im Radio die Schlagersendungen gehört. "Tanzen weckt Erinnerungen, da es im Langzeitgedächtnis abgespeichert ist. Es hilft dabei, nonverbal zu kommunizieren und fördert den Ausdruck von Gefühlen", erklärt Dennis Baharuddin. "Außerdem tut jede Form von Bewegung gut. Ob für Menschen mit oder ohne Demenz", fügt er lachend hinzu.

Über sein Tanzprojekt will er in diesem Jahr seine Bachelorarbeit schreiben. Seit einigen Jahren studiert er soziale Arbeit in Köln. "Seit meinem 17. Lebensjahr bin ich leidenschaftlicher Tänzer, aber mir macht es auch viel Freude, für andere da zu sein, sie zu fördern und zu motivieren. Irgendwann möchte ich das zu meinem Beruf machen."

Text: Melanie Köroglu (Diakonie Michaelshoven) und Sabine Damaschke.

Die Fotos in der Bildergalerie sind Anfang 2020 - vor der Corona-Pandemie - von der Diakonie Michaelshoven veröffentlicht worden.

Weitere Informationen

Der Kölner Tanzlehrer Dennis Baharuddin stellt seine Tanzvideos gegen eine Gebühr auch anderen Seniorenheimen zur Verfügung. Bei Interesse können sich Einrichtungen bei der Pressestelle der Diakonie Michaleshoven melden unter M.Koeroglu@diakonie-michaelshoven.de.