12. Mai 2023

Tag der Pflege 2023

Pflege trifft Politik

Drei Wochen lang waren 3D-Pflegefiguren der Diakonie RWL mit echten Pflegerinnen und Pflegern in ihren Einrichtungen, bei der ambulanten Versorgung oder der Pflegeausbildung unterwegs. Die Wünsche und Sorgen, aber auch die schönen Seiten des herausfordernden und komplexen Berufes haben sie dabei mitgenommen – und in Gesprächen mit den wichtigsten Gesundheitspolitikern in NRW mitgeteilt. Die drei Top-Themen: Pflegeausbildung, neue Fachkräfte aus dem Ausland und Akademisierung der Pflege.

  • NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (li.) empfängt eine Delegation der Diakonie Düsseldorf, begleitet von Diakonie RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann (re.).
  • Diakonie RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann mit einer Pflegefigur aus dem 3D-Drucker im NRW Landtag.
  • Pfleger*innen und Leitungen der Diakonie Düsseldorf haben Thorsten Klute, dem pflegepolitischen Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, eine 3D-Pflegefigur übergeben..
  • NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (li.) empfängt eine Delegation der Diakonie Düsseldorf, begleitet von Diakonie RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann (re.).

Wie schön wäre das: Einfach den 3D-Drucker anschmeißen, mit künstlicher Intelligenz füttern – und alle Arbeitskräfte-Sorgen hätten sich erledigt. Aus dieser fixen Idee heraus entstand die diesjährige Kampagne der Diakonie RWL zum Tag der Pflege. Die Realität sieht natürlich anders aus. Und so haben die 3D-Pflegefiguren, exklusiv gedruckt beim diakonischen Träger Neue Arbeit in Essen, echte Pflegekräfte drei Wochen lang begleitet. Die Figuren waren bei der Wundversorgung, der Medikamentenvergabe und der Dokumentation dabei. Was sie beobachtet haben, nahmen sie mit: zu Gesprächen mit den pflegepolitischen Sprechern von CDU, SPD und Grünen im Landtag von Nordrhein-Westfalen. Und zu NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann.

"Na, was bringen Sie mir Schönes mit?", fragt Minister Laumann zur Begrüßung, als eine Delegation der Diakonie Düsseldorf, begleitet von Diakonie RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann, ihn im Landtag besucht. Die Düsseldorferinnen haben vor allem Hinweise im Gepäck, wo es bei der Ausbildung derzeit nicht gut läuft. "Warum", fragt Sarah Krebs, Regionalleitung ambulante Dienste, "können wir die Ausbildung nicht strecken oder in Teilzeit anbieten?" Die Pflegeausbildung sei komplex und falle vielen schwer. Im aktuellen Azubi-Jahr haben rund 17.000 junge Menschen angefangen. Mehr als je zuvor – doch fast ein Drittel schafft den Abschluss nicht. "Unseren Schüler*innen fallen die schulischen Inhalte schwer, nicht die Praxis", berichtet Krebs. Die meisten scheiterten aufgrund von Sprachschwierigkeiten. "Dann kündigen die Pflegeschulen den Ausbildungsvertrag und wir haben wieder eine junge Kraft verloren."

Eine 3D-Pflegefigur auf der Treppe im NRW Landtag.

Im NRW Landtag haben Pflegerinnen und Pfleger die 3D-Pflegefiguren an Gesundheitspolitiker überreicht. 

Mehr Praxis für Pflegeschüler*innen

Minister Laumann kennt das Phänomen. Dennoch könne er nicht so einfach den Lehrkräfte-Schlüssel auf 1:20 verbessern, wie es die Diakonie seit Langem fordert und wie es auch das aktuell bundesweit gültige Pflegeberufegesetz vorschreibt. "Dafür haben wir die Leute nicht", so Laumann. Zwar gebe es mittlerweile mehr Studiengänge für die Lehrenden. Bis diese aber vor der Klasse stehen können, dauere es noch. Was wäre, schlägt Seraphine Gniffke, Leiterin des Düsseldorfer Tersteegen-Hauses, vor, wenn man eine bessere Begleitung in der Praxis biete? "Den Schüler*innen bringen mehr Praxisstunden mit einem besseren Betreuungsschlüssel sehr viel – das sehen wir täglich in unserem Haus. Nach wenigen Wochen verbessern sich die Sprachfähigkeiten enorm."

Diese Idee findet Gesundheitsminister Laumann gut. Mitarbeitende seines Ministeriums werden die Vorschläge zeitnah prüfen – wie auch die Frage, ob man die Pflegeausbildung im ersten Jahr entzerren könne.

Mitarbeitende der evangelischen Adolphi-Stiftung in Essen haben Grünen-Pflegepolitiker Mehrdad Mostofizadeh (Mi.) während seines Besuchs eine Pflegefigur aus dem 3D-Drucker überreicht.

Mitarbeitende der evangelischen Adolphi-Stiftung in Essen haben Grünen-Pflegepolitiker Mehrdad Mostofizadeh während seines Besuchs eine Pflegefigur aus dem 3D-Drucker überreicht.

Zugänge für ausländische Fachkräfte erleichtern

Überhaupt der Nachwuchs! Den Wunsch, mehr Kolleg*innen in die Pflege zu bringen, adressieren die Pflegekräfte in jedem Gespräch mit den Politikern. Eine Lösung wäre, stärker als bisher Menschen aus Nicht-EU-Ländern den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu erleichtern. Viele Träger machen das schon, meist mit großem Erfolg – etwa die evangelische Adolphi-Stiftung in Essen. Der Grund, warum das nicht noch besser funktioniere, liege am deutschen Staat, berichtet die Leiterin Qualitätsmanagement und Pflegeorganisation, Christiane Pohl, im Gespräch mit dem Grünen-Pflegepolitiker Mehrdad Mostofizadeh. "Wir bilden junge Menschen aus Madagaskar aus und begleiten sie sehr eng, damit sie hier Fuß fassen." Die Pflegekräfte seien engagiert und schafften meist sehr gute Abschlüsse. "Und dann müssen wir auf die Arbeitserlaubnis der Ausländerbehörde teilweise mehrere Monate warten", sagt Pohl. Anstatt mitarbeiten zu können, hängen die motivierten Menschen in der Luft.

"Das ist natürlich Mist", sagt Mostofizadeh und bittet darum, Fälle wie diese zu sammeln. "Das ist von den Behörden ja kein böser Wille. Die sind auch unterbesetzt und überlastet. Aber wir werden als Landtag gucken, ob wir helfen können." 

Thorsten Klute, pflegepolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, steht mit einer 3D-Pflegefigur vor dem Landtag am Rhein in Düsseldorf.

Thorsten Klute, pflegepolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, steht mit einer 3D-Pflegefigur vor dem Landtag am Rhein in Düsseldorf.

Pflege flexibler gestalten und so attraktiv halten

Wie können wir alten Menschen möglichst lange Autonomie ermöglichen und sie dennoch pflegerisch gut begleiten? Eine Antwort darauf sind flexiblere Pflegeformen wie Wohnparks und Tagespflegen. Letztere sind aufgrund geregelter Arbeitszeiten auch für Fachkräfte attraktiv. Dieses Thema adressierten Pfleger*innen und Leitungen der Diakonie Düsseldorf bei Thorsten Klute, dem pflegepolitischen Sprecher der SPD-Landtagsfraktion.

Derzeit kommen viele Tagespflegen mit ihren Budgets nicht hin, weil sie nicht ausreichend ausgelastet sind. "Das sind keine Corona-Nachwirkungen", stellt Insa Paffenholz klar. Sie leitet die Tagespflege der Diakonie Düsseldorf im Stadtteil Heerdt und bekommt die Sorgen aufgrund der Inflation zu spüren. "Hauptsache, der Kühlschrank ist gefüllt, pflegerische Leistungen werden schnell mal abbestellt." Dabei würde es Pflegebedürftigen helfen, frühzeitig in die Tagespflege zu kommen. Dort werden sie gut betreut, gesund verpflegt, bekommen Bewegung und kognitive Reize. Und: Mögliche Erkrankungen können frühzeitig entdeckt werden.

Thorsten Klute weiß um das Problem: "Oft gibt es Leistungen der Pflegekassen, von denen die Menschen nichts wissen." Natürlich klären die Pflegeleitungen auf, bei der Diakonie Düsseldorf gibt es dafür eine zentrale Hotline. Die SPD möchte diese Informationsangebote unter anderem mit dem Gemeindeschwester-Modell wiederbeleben. Dabei käme pflegerisches Know-how mit sozialarbeiterischen Fähigkeiten zusammen. Ein ähnliches Modell schwebt der Regierungskoalition von CDU und Grünen mit der "Community Health Nurse" vor. Bleibt zu hoffen, dass man sich zügig im Landtag einigt, denn die Beratungsbedarfe steigen.

CDU-Politiker Marco Schmitz mit dem Team des Düsseldorfer Florence-Nightingale-Krankenhauses der Kaiserswerther Diakonie.

Nach seinem Besuch im Düsseldorfer Florence-Nightingale-Krankenhaus der Kaiserswerther Diakonie versprach Marco Schmitz (hinten Mitte), bald wiederzukommen: Der CDU-Politiker wird dann auf der Intensivstation hospitieren.

Politik hospitiert auf Intensivstation

Auch CDU-Politiker Marco Schmitz hat Pflegekräfte mit ihren 3D-Figuren getroffen. Beim Gespräch im Düsseldorfer Florence-Nightingale-Krankenhaus der Kaiserswerther Diakonie war auch Vorständin Ute Schneider-Smietana dabei. Spannend an diesem Austausch: Die Kaiserswerther Diakonie beschäftigt nicht nur Pflegefachkräfte, sondern ist mit rund 2.000 Auszubildenden und 2.000 Studierenden an der Fliedner-Fachhochschule auch einer der großen Bildungsträger im Gesundheits- und Sozialbereich. Es brauche ausreichend Lehrkräfte, aber auch bezahlbaren Wohnraum, um diesen wichtigen Beitrag auch leisten zu können, so Schneider-Smietana. 

Die Pflegekräfte beschäftigt besonders, wie sie sich in politische Diskussionen und Entscheidungsprozesse einbringen können. Ein wichtiger Schritt sei die NRW-Pflegekammer. Intensiv diskutiert wurde auch die generalistische Pflegeausbildung. Im Krankenhausalltag zeige sich, dass sich dadurch die Einarbeitungszeiten deutlich verlängerten. Darüber hinaus wurde auch die Akademisierung der Pflege besprochen. Wichtig sei, jungen Menschen Berufswege und Perspektiven aufzuzeigen werden. Zum Abschied des Gesprächs verspricht Marco Schmitz, bald wiederzukommen: Um einen unmittelbaren Eindruck von der Arbeit zu gewinnen, wird er dann auf der Intensivstation hospitieren.

Text: Franz Werfel; Mitarbeit: Christine Harrell/Kaiserswerther Diakonie, Fotos: Christoph Bild, Andreas Endermann/Diakonie RWL, Christine Harrell/Kaiserswerther Diakonie) 

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Franz Werfel
Stabsstelle Politik und Kommunikation