Reform der Pflegeausbildung
Heidemarie Rotschopf ist Diakonie RWL-Expertin für die Ausbildung in Gesundheitsberufen
Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte will den Beruf der Kinderkrankenschwester "retten" und hat anlässlich der Gesetzesberatungen des Bundeskabinetts dazu aufgerufen, mit einer Online-Petition an den Deutschen Bundestag dagegen zu protestieren. Können Sie die Kritik nachvollziehen?
Nein, wir teilen die Kritik der Kinderärzte nicht. Ich bin sehr verwundert, dass ihr Berufsverband sich wahrnehmbar erst jetzt auf diese Weise positioniert. Die Diskussion über eine Ausbildungsreform gibt es schon seit etwa zwanzig Jahren. Die Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen selbst haben sich in ihrem Berufsverband für eine generalisierte Ausbildung ausgesprochen. Wir qualifizieren zukünftig mehr in die Breite als in die Tiefe.
Aber bedeutet das nicht gerade, dass Fachwissen verloren geht?
Nicht, wenn in der Kinderkrankenpflege, wie es in vielen anderen Gesundheitsberufen längst üblich ist, für das spezifische Arbeitsfeld nachqualifiziert wird. Wenn wir auf die Gerontologie oder die Palliativmedizin schauen, passiert dies schon lange. Außerdem haben wir in der Kinderkrankenpflege die Situation, dass es dort nicht genug Stellen für examinierte Kräfte gibt und viele ohnehin in anderen Bereichen, z.B. in der Altenpflege als geschätzte Fachkräfte arbeiten. Da macht es doch mehr Sinn, eine generalisierte Ausbildung anzubieten und dann über ein gutes Fortbildungssystem entsprechend dem tatsächlichen Bedarf nachzuqualifizieren.
Skepsis gibt es aber auch in der Altenpflege, insbesondere bei privaten Verbänden. Sie fürchten, dass der Altenpflegeberuf durch die Reform unattraktiver werden könnte, weil sich die Auszubildenden für die gesellschaftlich anerkanntere Krankenpflege entscheiden.
Diese Befürchtung teile ich nicht. Die generalisierte Ausbildung bietet ja gerade die Möglichkeit, dass junge Menschen entsprechend ihren Neigungen und nicht nach gesellschaftlichen Normen eine Entscheidung für einen bestimmten Arbeitsbereich treffen. In der dreijährigen Ausbildung zur Pflegefachfrau oder -fachmann muss jede Schülerin und jeder Schüler je einen Pflichteinsatz in den großen Bereichen Krankenhaus, stationäre Altenhilfe und ambulante Pflege absolvieren. Dabei entdecken sie dann vielleicht, dass das Berufsfeld Krankenhaus doch auch sehr technisch und der Umgang mit den stetig wechselnden Patienten anonymer ist als erwartet, die stationäre oder ambulante Altenpflege dagegen Züge einer individualisierten Atmosphäre hat und ihnen mehr liegt.
Die Ausgaben für die Pflegeausbildung sollen insgesamt von 2,4 auf 2,7 Milliarden Euro steigen. Außerdem sieht die Reform ein anderes Finanzierungsmodell der Ausbildung vor. Halten Sie es für gelungen?
Bislang haben wir für die Altenpflegeausbildung in den 16 Bundesländern unterschiedliche Finanzierungsmodelle. Insofern betrachte ich es als Fortschritt, dass das neue Gesetz nun vorsieht, die Kosten der Pflegeausbildung durch Ausgleichsfonds zu finanzieren. Daran sind die Krankenhäuser, die stationären und ambulanten Altenhilfeeinrichtungen, das jeweilige Land sowie die soziale und private Pflegepflichtversicherung beteiligt. Die zuständige Stelle in einem Bundesland ermittelt den erforderlichen Bedarf und erhebt dann einen Umlagebetrag. Das gilt sowohl für die praktische wie auch für die theoretische Ausbildung.
Das klingt kompliziert.
Ist es leider auch. Ein großer Fortschritt besteht darin, dass man die Kosten für alle Pflegeschulen in den Fonds miteinbezieht. In der Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung werden sie bisher von den Krankenhäusern und damit letztlich von den Krankenkassen bezahlt, während das jeweilige Bundesland die Altenpflegeschulen bezahlt. Mit dem Ergebnis, dass die theoretische Ausbildung in NRW absolut unzureichend finanziert ist. Diese Ungerechtigkeit wird mit dem neuen Gesetz hoffentlich ein Ende haben. In einigen Bundesländern zahlen die Schülerinnen und Schüler sogar noch Schuldgeld. Auch das beendet die Reform.
Seit zwanzig Jahren setzt sich die Diakonie RWL für eine generalisierte Pflegeausbildung ein. War es ein weiter Weg bis zum neuen Gesetz?
Auf jeden Fall. Dabei gibt es weltweit außer Deutschland kein einziges Land, das eine so spezialisierte Ausbildung in der Pflege hat. Für mich war es ein echter Meilenstein, dass wir als Diakonie 2011 gemeinsam mit der Caritas und vielen Fachverbänden eine breite Allianz für die Reform der Pflegeausbildung hinbekommen haben. Und uns dabei auch im Hinblick auf kritische Punkte einigen konnten.
Was gehörte dazu?
Dazu gehörte die Zugangsvoraussetzung für die Pflegeausbildung. Im Gesetzentwurf ist nun festgelegt, dass ein qualifizierter Hauptschulabschluss für die dreijährige Pflegeausbildung reicht. Wir als Diakonie hätten uns ein anderes, gestuftes Modell gewünscht, das 12 Jahre Schulbildung voraussetzt und von einer Assistenz bin hin zum Studium reicht. Heute werden mehr akademisch gebildete Pflegekräfte gebraucht, die in der Lage sind, pflegerische Probleme wissenschaftlich zu betrachten und zu lösen. Zum Beispiel, wenn es um den spezifisch pflegerischen Beitrag im Rahmen der Atemtherapie für lungenkranken Patienten geht.
Wie wichtig ist die Reform der Pflegeausbildung im Kampf gegen den drohenden Fachkräftemangel in der Pflege?
Ich sehe sie als einen Baustein, weil er dazu beitragen kann, die in vielen Köpfen noch existierenden "Hierarchien" zwischen Kranken- und Altenpflegenden abzubauen. Aber das alleine reicht nicht. Das Arbeitsfeld der Pflege muss insgesamt attraktiver werden unter anderem durch gesicherte Dienstzeiten, eine wertschätzende Teamkultur und eine differenzierte Vergütung. Die Kooperation zwischen Krankenhaus, stationärer Altenhilfe und ambulanten Diensten, die das neue Ausbildungsgesetz erforderlich macht, sehe ich als Chance. Die Azubis werden erzählen, was sie an welcher Einsatzstelle erlebt haben und damit sicher auch Veränderungen anstoßen.
Das Gespräch führte Sabine Damaschke.
Teaserfoto: Produnis/wikimedia commons