Pflegeausbildung
Heidemarie Rotschopf ist Diakonie RWL-Expertin für die Ausbildung in Gesundheitsberufen
Auf den Referentenentwurf zur Ausbildungs- und Prüfungsverordnung hat die Pflegebranche schon ungeduldig gewartet. Sind die christlichen Verbände zufrieden?
Es freut uns, dass die Idee der generalistischen Pflegeausbildung im Wesentlichen umgesetzt wird. Außerdem tragen die Pflegeeinrichtungen jetzt gemeinsam mit den Pflegeschulen die Verantwortung für eine gute und qualitativ hochwertige Ausbildung. Das erfordert klarere Absprachen zwischen Theorie und Praxis und klärt hoffentlich den uralten Konflikt des "Bildungs- versus Verwertungsinteresses". Schließlich beschwerten sich Pflegeschülerinnen oft darüber, dass sie in Einrichtungen als Arbeitskräfte missbraucht würden und deshalb dort nicht das lernen konnten, was laut Lehrplan vorgesehen war. Jetzt wird es - sollte das Land NRW seine gesetzlichen Möglichkeiten nutzen - eine offizielle Schiedsstelle für Beschwerden geben. Das begrüßen wir.
Laut Studien fehlen schon heute pro Jahr rund 20.000 Pflegekräfte in den Einrichtungen. Welche Rolle spielt die Ausbildung für den Fachkräftemangel?
Wer Nachwuchs für die eigene Einrichtung gewinnen will, muss schon in der praktischen Ausbildung punkten. Eine Umfrage der Gewerkschaft ver.di hat zum Beispiel ergeben, dass 82 Prozent der Pflegeschüler sich Praxisanleiter wünschen, die mehr Zeit für sie haben. Zum ersten Mal wird nun gesetzlich vorgeschrieben, dass zehn Prozent der praktischen Ausbildungsstunden angeleitet und dokumentiert werden müssen. Das ist ein echter Fortschritt.
Was kommt mit der neuen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung auf die Pflegeschulen zu?
Sie stehen vor einer Herkulesaufgabe, denn sie haben nur 1,5 Jahre Zeit, um einen völlig neuen Lehrplan mit 2.100 Stunden Theorie und 2.500 Stunden Praxis zu gestalten. Die genauen Inhalte soll eine bundesweite Fachkommission bis zum 31. Juli 2019 vorlegen. Das ist für die Schulen viel zu spät. Jetzt hoffen wir darauf, dass die Fachkommission schnell erste Zwischenberichte mit didaktischen Konzepten präsentiert und damit schon die Rahmenbedinungen der Curricula offenlegt. In der generalistischen Pflegeausbildung soll ja nicht einfach nach Fächern unterrichtet werden.
Pflegeschüler werden künftig nicht nach Fächern, sondern Kompetenzbereichen unterrichtet. (Foto: Fachseminar für Altenpflege im St. Johannisstift in Paderborn)
Was steht stattdessen auf dem Lehrplan?
Es werden künftig Kompetenzbereiche unterrichtet. Das ist ganz neu und muss deshalb auch neu gedacht und entwickelt werden. Man geht von den Gemeinsamkeiten in allen drei Pflegeberufen aus. Unterrichtet werden zum Beispiel Pflegeprozesse und Pflegediagnostik, Kommunikation oder Berufsethik. Wir gehen davon aus, dass es hier viele Überschneidungen gibt. So kann es sein, dass es sich nicht völlig unterscheidet, welche Kompetenzen ich für die Kommunikation mit Angehörigen von dementiell Erkrankten oder Eltern kranker Kinder benötige. Auch die Frage, ob einem 90-Jährigen noch eine Hüfte eingesetzt oder eine gentechnische vorgeburtliche Untersuchung sinnvoll und geboten ist, kann zusammen gedacht und ethisch bewertet werden.
Die Besonderheiten lernen die Schüler während ihrer Praxiseinheiten kennen. Wird es nicht schwierig für die Pflegeschulen, das nun für drei verschiedene Berufsfelder zu koordinieren?
Ja, das ist eine echte Herausforderung. Die Schüler der Altenpflege haben ihre praktische Ausbildung bislang überwiegend bei einem Träger absolviert. In NRW gab es für sie allerdings schon verpflichtende Ausbildungsstationen in einer Klinik und der Gerontopsychiatrie. In der Gesundheits- und Krankenpflege dagegen waren es bereits bis zu zehn Stationen und Arbeitsfelder. Das muss nun angepasst werden. Ein echtes Nadelöhr stellen die 120 Stunden in der pädiatrischen Versorgung dar, die ab 2020 für alle Schüler verpflichtend sind. In NRW drängen wir deshalb darauf, dass auch heilpädagogische Kitas oder stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe für Kinder und Jugendliche zugelassen werden.
Wie geht es nun weiter mit dem Referentenentwurf?
Am 4. Mai wird es dazu eine Anhörung im Bundestag geben. Dort können die Sozialverbände ihre Stellungnahmen vortragen. Dann wird die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung gegebenenfalls überarbeitet. Sie soll am 21. September verabschiedet werden. Die Länder haben die Aufgabe, die Finanzierung nach Vorlage der bundesrechtlichen Verordnung in Landesrecht umzusetzen und weitere Details zu klären. Dazu gehört auch die Frage, ob mit bestandener Zwischenprüfung nach zwei Jahren automatisch eine Helferqualifikation erworben wird. Das halten wir für ungünstig. Unserer Ansicht nach sollte es für die Helferausbildung eine gesonderte Ausbildung geben, denn sie haben im Beruf andere Aufgaben als die Fachkräfte und müssen anders darauf vorbereitet werden.
Es gibt viel zu tun: Evelyn Adams, Leiterin der Diakonie Akademie Wuppertal, muss nun alle Lehrpläne überarbeiten.
Auf die Schulen kommt also jetzt jede Menge Arbeit zu. Gibt es dafür von Bund und Land finanzielle Unterstützung?
Nein, die gibt es leider nicht. Wir wünschen uns eine Art "Innovationsfinanzierung", denn der große Umstellungsprozess für die Schulen ist nicht zum Nulltarif zu haben. Zumal sie zum ersten Mal ein eigenes Budget erhalten. Gerade die Leitungen von kleineren Schulen brauchen jetzt viel Unterstützung und Beratung.
Das Gespräch führte Sabine Damaschke.