Internationaler Tag der älteren Menschen
Wenn der neue Entsafter im Garten des Altenzentrums am Schwesternpark Feierabendhäuser in Witten anspringt, versammeln sich die Experten. Ein älterer Herr schiebt den Betreuungsassistenten auf der Terrasse zur Seite: "Komm, ich mach das mal. Ich habe ein Geheimrezept." Seit der Anschaffung des Geräts fachsimpeln die 111 Bewohnerinnen und Bewohner fleißig. Wie bekommt man den besten Apfelsaft? Und wie viel Zucker muss beim Einkochen in die Marmelade?
"Die Idee mit dem Entsafter war ein voller Erfolg", sagt Einrichtungsleiter Andreas Vincke am Telefon. Außerdem kämen die Äpfel aus dem Garten der Einrichtung endlich zu ihrem Nutzen. Entsaften ist nicht die einzige Ablenkung in Witten: Die Seniorinnen und Senioren rösten Kaffee, backen Waffeln oder gönnen sich an der mobilen Mini-Bar, die durch die Wohnbereiche fährt, einen Eierlikör oder einen Schokoriegel. Wenn man Vincke zuhört, könnte man meinen, die Corona-Krise sei ganz weit weg: "Das täuscht. Das ist unser neuer Rhythmus, der sich langsam eingependelt hat", entgegnet er. "Zu Beginn der Pandemie war der Alltag unglaublich fordernd."
Begeisteter Hobbfyotofraf: Andreas Vincke leitet das Altenzentrum am Schwesternpark Feierabendhäuser der Diakonie Ruhr.
In der Krise ist Kommunikation das Wichtigste
Im April und Mai war der Einrichtungsleiter sieben Tage in der Woche im Altenzentrum. Vom Koch über den Betreuungsassistenten bis zur Pflegekraft − jeder Mitarbeitende wurde von ihm persönlich geschult. "Jetzt müsst ihr ganz besonders gut pflegen und umsichtig sein", schärfte Vincke den Mitarbeitenden ein. Die kritische Kontrollinstanz, die Angehörigen, fiel plötzlich weg. Dafür richtete das Altenzentrum am Schwesternpark eine 24-Stunden-Rufbereitschaft ein. Verwandte konnten sich rund um die Uhr melden und sich nach den Bewohnern erkundigen. Sein Team sei zusammengewachsen und habe Enormes geleistet, betont der ausgebildete Altenpfleger.
"Alle zwei bis vier Wochen haben wir alle Angehörigen angeschrieben und von unserem neuen Alltag berichtet." ‘Fenster-Besuche’ oder Gespräche vom Balkon aus seien das ganze Frühjahr über möglich gewesen. "In solch einer Krisensituation ist Kommunikation und Flexibilität das aller Wichtigste. Das ist meinem Team gut gelungen", so Vincke. Allerdings habe das Altenzentrum auch viel Glück gehabt. Bislang ist keiner der Senioren an Corona erkrankt.
In Kontakt bleiben mit Briefen und Päckchen: Im Altenzentrum am Schwesternpark Feierabendhäuser in Witten stapelte sich während des Shutdowns im April die Post.
Berge an Geschenken im Frühjahr
Das Frühjahr sei für alle belastend gewesen, für die Bewohnerinnen und Bewohner, die Mitarbeitenden und die Angehörigen. Bis zu zwanzig Verwandte seien pro Tag ins Altenzentrum gekommen, um sich an der Tür persönlich nach ihren Liebsten zu erkundigen und Körbe mit Süßigkeiten, Zeitschriften und sogar mit selbst geschmierten Stullen abzugeben. Allein im August besuchten 1.200 Menschen das Zentrum. Ganze Berge an Geschenken hätten die Betreuerinnen täglich auf einen Wagen geladen und verteilt. "Viele der Bewohner haben im Frühjahr sichtbar zugelegt", schmunzelt Vincke.
"Wir blicken positiv in die Zukunft. Wir schauen immer, was kann man noch machen und beklagen nicht, was jetzt alles nicht mehr geht", beschreibt der Leiter die Haltung seines Teams. Faktisch sei das kulturelle Leben, so wie es Mitarbeitende und Bewohner von vor der Corona-Krise kannten, zum Erliegen gekommen. Im Schwesternpark trifft sich normalerweise ein Fotoverein, der regen Austausch mit den Senioren pflegt. Musiker aus der Region kommen für Konzerte vorbei. Und Künstler stellen im Altenzentrum aus. All das geht jetzt nicht mehr. Auch der ‘Drum Circle’ des Heims finde jetzt nur noch in den sieben Wohnbereichen und nicht mehr in der großen Cafeteria statt.
Einige Tricks im Ärmel: Im vergangenen Jahr hat Einrichtungsleiter Andreas Vincke für den Kalender 2020 die Bewohnerinnen und Bewohner in ‘magischen Momenten’ fotografiert.
Kleinere Feiern in den Wohnbereichen
"Der Winter wird lang werden. Wir versuchen aber, so viel zu ermöglichen, wie es geht." Mit einer Projektgruppe ‘Beleuchtung’ und besonders vielen Dekorationen im Innenbereich sollen der Herbst und Winter für die Bewohnerinnen und Bewohner erträglicher werden. "Bis es verlässliche Corona-Schnelltests auch für Altenheime gibt, werden wir das Miteinander hier weiter ‘zerstückelt’ gestalten müssen", so Vincke. Statt einer großen Nikolaus- und Weihnachtsfeier werde es kleine Veranstaltungen in den Wohnbereichen geben.
"Wir bleiben flexibel und fahren erst einmal auf Sicht", sagt der Hobbyfotograf, der normalerweise zu dieser Jahreszeit Fotos von den Bewohnerinnen und Bewohnern für den überregional bekannten Kalender des Altenzentrums schießt. Auch das wird in diesem Jahr ausfallen. Einen Kalender wird es dennoch geben. Wer für die Kalenderblätter fotografiert wurde, möchte Andreas Vincke noch nicht verraten. Nur so viel: "Es war lange überfällig und sie haben es mehr als verdient, endlich gesehen zu werden."
Text: Ann-Kristin Herbst, Fotos: Andreas Vincke/Diakonie Ruhr
Website der UN zum Internationalen Tag der älteren Menschen
Artikel zum Jahreskalender 2020 des Altenzentrums am Schwesternpark Feierabendhäuser
Altenhilfe in der Corona-Krise
Alter und Pflege
Tag der älteren Menschen
Bereits zum dreißigsten Mal wird der von der UN ins Leben gerufene Internationale Tag der älteren Menschen gefeiert. 2020 ist ein herausforderndes Jahr − besonders für Seniorinnen und Senioren, die in der Covid-19-Pandemie besonders gefährdet sind, schreibt die UN auf ihrer Website. Pflegekräfte und Menschen in Gesundheitsberufen leisteten Außergewöhnliches, um die Teilhabe von älteren Menschen auch während der Pandemie sicher zu stellen. Besonders das Engagement der Frauen, die noch immer stärker in den Care-Berufen vertreten sind, müsse gewürdigt werden.
Auch die Diakonie Deutschland bezieht zum Tag der älteren Menschen Stellung. Sie warnt davor, Seniorinnen und Senioren vom gesellschaftlichen Leben auszuschließen. "Menschen ab 60 Jahren in Zeiten der Bedrohung durch das Corona-Virus pauschal als 'Risikogruppe' zu etikettieren und sie besonders abzuschirmen, grenzt aus und beraubt einer Gesellschaft den Erfahrungsschatz der älteren Generation", sagt Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland.