Impfungen bei den ambulanten Pflegediensten
Kurz nach Weihnachten wurden die ersten Menschen in Alten- und Pflegeheimen geimpft. Rund die Hälfte der Bewohner hat bereits ihre zweite Dosis erhalten. Seit dem 8. Februar sind die ambulanten Pflegedienste an der Reihe. Haben Sie Verständnis für den späteren Start?
Das war eine politische Entscheidung, die ich aber absolut nachvollziehen kann. Wer geht denn ins Heim? Es sind vor allem die Menschen, die wirklich nicht mehr zu Hause leben können. Wir unterstützen in der Regel eher die "fitteren" Seniorinnen und Senioren, die ein familiäres Netzwerk haben. Außerdem haben wir im vergangenen Jahr ganz deutlich gesehen, wie verheerend ein Corona-Ausbruch in einer Senioreneinrichtung enden kann. Wenn mehr als hundert pflegebedürftige Menschen gemeinsam unter einem Dach leben, müssen sie natürlich besonders geschützt werden.
Für uns war der spätere Impfstart in gewissem Sinne auch ganz gut, denn wir haben von den Erfahrungen der Kolleginnen und Kollegen aus der stationären Pflege bei der Impfkampagne profitiert. Im ambulanten Setting sind die Bedingungen jetzt klarer und es kann zügiger umgesetzt werden. Es ist extrem wichtig, dass jetzt nach den über 80-Jährigen nun auch die Pflegekräfte dran sind. Denn sie gehen von Haus zu Haus und sind dadurch potenzielle Überträger.
Wie ist der Ablauf der Impfkampagne?
Das ist von Kommune zu Kommune ganz unterschiedlich. Zu manchen Pflegediensten kommt das mobile Impfteam. In anderen Städten müssen Termine in einem der 53 Impfzentren ausgemacht werden. Für die ambulanten Dienste gibt es eine extra eingerichtete Rufnummer. Wir hoffen sehr, dass es jetzt zügig vorangeht.
Auch für unsere über 80-jährigen Klientinnen und Klienten ist das wichtig. Wir bekommen vereinzelt die Rückmeldung, dass es für sie schwierig ist, an freie Slots zu kommen. Für viele ist das Abmachen des Termins außerdem zu kompliziert. Sie hören schlecht, haben keine E-Mail-Adresse und sind vom gesamten Ablauf einfach überfordert. Das übernehmen wir dann. Wir sind mit den Krankenkassen im Gespräch, damit wir die Terminvereinbarungen über das Pflegegeld abrechnen können.
In der ambulanten Pflege wird vor allem der Stoff AstraZeneca geimpft. Dieser soll eine geringere Wirkung haben als die anderen aktuell zugelassenen Impfstoffe. Bei einigen ambulanten Pflegekräften hat das für Frust gesorgt. Können Sie die Empörung nachvollziehen?
Der Impfstoff wirkt und bewahrt die Menschen mit großer Sicherheit davor, einen schweren Covid-19-Verlauf zu erleiden. Der Impfstoff trägt wesentlich zu einer Herdenimmunität bei.
Ich habe den Eindruck, dass hinter der Empörung eher das Gefühl steht, übersehen zu werden. In den öffentlichen Diskussionen ging es viel um die Seniorenheime. Währenddessen hatten die Kolleginnen und Kollegen, die ambulant pflegen, ebenfalls am Limit gearbeitet. Sie hatten anfangs Probleme, an Schutzausrüstung zu kommen. Es war lange unklar, ob FFP2-Masken refinanziert werden können. Bis heute ist in einigen Diensten das Händedesinfektionsmittel knapp. Da ist bei einigen das Gefühl entstanden, sekundär behandelt zu werden.
Wie sind die Fachkräfte in der ambulanten Pflege bislang durch die Pandemie gekommen?
Die Kolleginnen und Kollegen haben wirklich Unglaubliches geleistet. Allen Widrigkeiten zum Trotz haben unsere rund 10.000 Mitarbeitenden weiter gepflegt, waren für viele Menschen der einzige stetige Kontakt und haben sich selbst einem großen Risiko ausgesetzt. Viele haben sich privat stark eingeschränkt und Treffen mit Freunden und Verwandten runtergefahren, wo es nur ging. Auch der Kontakt in den Teams der ambulanten Pflege ist weniger geworden, um zu verhindern, dass ganze Teams ausfallen. Dabei sind diese Gemeinschaft und der Austausch gerade das, was das ambulante Arbeitsfeld so vielseitig macht. Dass einige nach diesen langen Monaten erschöpft und frustriert sind, kann ich nachvollziehen. Ich wünsche mir für sie, dass sie nicht verzagen, gesund bleiben und dass nach den Impfungen mehr Miteinander im Team möglich ist.
Das Interview führte Ann-Kristin Herbst.
Fotos: Diakonie Gütersloh, Diakonie Münster, Ev. Johanneswerk und Shutterstock (Teaserfoto).
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Alter und Pflege
Impfungen in den
ambulanten Pflegediensten
Dreiviertel aller Pflegebedürftigen werden zu Hause gepflegt. In NRW sind das 270.000 Menschen. Ein Drittel von ihnen wird von ambulanten Pflegediensten versorgt. Bei der Diakonie RWL gibt es 256 ambulante Einrichtungen mit rund 10.000 Mitarbeitenden. Seit dem 8. Februar können die Pflegekräfte gegen das Covid-19-Virus geimpft werden. Für die Dienste wurde eine extra Telefonnummer zur Terminvereinbarung eingerichtet.