21. März 2023

Fachverband Ambulante Pflege

Staatssekretär: "Wir haben etwas vor mit der Pflege"

Personalmangel, Ausbildung, Digitalisierung in der Pflege. Darüber hat Diakonie RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann mit Matthias Heidmeier, CDU-Staatssekretär im NRW-Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS), gesprochen. Heidmeiers Fazit: "Ich glaube, dass wir gemeinsam etwas bewegen können." 

  • Christian Heine-Göttelmann, Vorstand Diakonie RWL, und Staatssekretär Matthias Heidmeier.
  • Logo der Mitgliederversammlung des Evangelischen Fachverbands Ambulante Pflege und Hospizarbeit für NRW.
  • Der "alte" Vorstand des Evangelischen Fachverbands Ambulante Pflege und Hospizarbeit für NRW.
  • Das Team Ambulante Pflege der Diakonie RWL mit Teamleitung Anja Köhler (Mitte) und Vorstand Christian Heine-Göttelmann.
  • Anja Köhler, Teamleitung Ambulante Pflege im Zentrum Pflege der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe.
  • Diakonie RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann (li.) und Staatssekretär Matthias Heidmeier.
  • Pflegeexperte Professor Thomas Evers (li.) und Staatssekretär Matthias Heidmeier.
  • Publikum der Mitgliederversammlung Evangelischer Fachverband Ambulante Pflege und Hospizarbeit für NRW.

Mit Einladungen zu einem Praktikum in der Pflegestation und zu einem Digital-Workshop sowie zahlreichen Anregungen ist für Matthias Heidmeier, CDU-Staatssekretär im NRW-Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS), der mehr als 90-minütige, intensive Austausch mit Beschäftigten der ambulanten Pflege zu Ende gegangen. "Wir werden uns an unseren Worten messen lassen", versprach der Staatssekretär nach seinem Besuch in der Mitgliederversammlung des Evangelischen Fachverbands Ambulante Pflege und Hospizarbeit.

Zuvor hatte sich der 47-Jährige, der seit Juni 2022 im von Karl-Josef Laumann geführten  NRW-Gesundheitsministerium arbeitet, den Fragen von Christian Heine-Göttelmann, Vorstand der Diakonie RWL, gestellt. Auch die mehr als 60 Teilnehmenden, die der Einladung der Diakonie RWL nach Essen ins Haus der Technik gefolgt waren, beteiligten sich engagiert an der Diskussion über die Situation der ambulanten Pflege im Land. "Da darf und muss es auch mal hitzig und emotional zugehen", stellte Heidmeier fest, betonte aber gleichzeitig: "Insgesamt war unser Austausch schwer in Ordnung."

Publikum der Mitgliederversammlung Evangelischer Fachverband Ambulante Pflege und Hospizarbeit für NRW.

Das Interesse am Austausch mit Staatssekretär Matthias Heidmeier war groß, die Diskussion intensiv. 

Pflege als Zukunftsberuf 

Was die schwarz-grüne NRW-Landesregierung sich für den Gesundheitsbereich vorgenommen hat, ist anspruchsvoll: In ihrem Koalitionsvertrag formuliert sie als Ziel "eine gute und wohnortnahe gesundheitliche Versorgung für alle Menschen – egal ob in der Stadt oder im ländlichen Raum". Heine-Göttelmann sprach Heidmeier auf drei große Themen an, die in der ambulanten Pflege besonders drängen und bei denen das Land aus Sicht der Träger durchaus Handlungsmöglichkeiten hat: Versorgungssicherheit, Ausbildung und Digitalisierung. Grundsätzlich, das kündigte Heidmeier gleich zu Beginn an, habe sein Ministerium "politisch etwas vor mit der Pflege".  Zum 1. März etwa habe man im MAGS eine eigene Pflegeabteilung gegründet. "Gesundheitsminister Laumann ist ein Verbündeter der Pflege", so Heidmeier über seinen Chef. "Aber die Pflege ist nichts, was wir im Ministerium allein gestalten können. Deshalb wollen wir gemeinsam mit allen Beteiligten auf Landesebene kooperieren und bis Pfingsten unsere neue Fachkräfte-Strategie erarbeiten", sagte er zu. "Ich fordere Sie dafür auf, Ihre Positionen in die Politik zu spiegeln."

Die Frage nach dem genauen Wie und Wann einer Fachkräfteoffensive ließ der Staatssekretär unbeantwortet und forderte die Teilnehmenden der Mitgliederversammlung stattdessen auf: "Ich möchte dieses Thema konkreter mit Ihnen und allen anderen besprechen, die in der Pflege arbeiten." Um Personal aufzustocken, wolle man verstärkt die jungen Menschen in soziale Berufe bringen, "die auf den ersten Blick abgehängt und nicht perfekt erscheinen". Dem Vorwurf aus dem Publikum, dass eben dies ein Symbol dafür sei, dass der Pflegeberuf nicht ausreichend wertgeschätzt werde und die Pflege zur "Resterampe" verkomme, widersprach Heidmeier vehement. "Die Pflege ist ein Zukunftsberuf. Für mehr Personal müssen wir aber endlich konkret irgendwo ansetzen. Deshalb werden wir diese Menschen mit speziellen Programmen so fördern, dass sie schließlich gut qualifiziert sind."

Diakonie RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann (li.) und Professor Thomas Evers.

Professor Thomas Evers (rechts) ist Pflegeexperte im NRW-Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Auch er stellte sich den Fragen von Diakonie RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann.

Bessere Ausbildung

Als große Chance sehen viele Träger das Anwerben von Mitarbeitenden aus Drittstaaten. "Aber die bürokratischen Hürden sind riesig", berichtete ein Teilnehmer aus Bochum. Staatssekretär Heidmeier bestätigte die Kritik und lobte gleichzeitig die Pläne der Ampelregierung für ein angepasstes Fachkräfteeinwanderungsgesetz: "Der Anwerbungs- und Anerkennungsprozess dauert aktuell viel zu lange. Ich wäre deshalb für eine zentrale Behörde, die die Anerkennung bündelt. Außerdem muss ein Arbeitsvertrag für den Aufenthalt reichen."     

Im Bereich der Ausbildung macht sich Heidmeier, der vor seiner Tätigkeit im MAGS Hauptgeschäftsführer des Westdeutschen Handwerkskammertages war, dafür stark, "dass berufliche Bildung endlich dieselbe Wertschätzung erfährt wie akademische Bildung". Das Land NRW habe mittlerweile die Ausbildungszahlen in der Pflege um zehn Prozent erhöht. "Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen reicht aber nicht, wenn so viele abbrechen", argumentierte Sebastian Wirth, noch bis September Vorsitzender des Evangelischen Fachverbands Ambulante Pflege und Hospizarbeit, und plädierte für eine bundeseinheitliche Ausbildung. Die Diakonie RWL schlägt darüber hinaus für die Pflegefachassistenzausbildung einen verbesserten Lehrenden-Schlüssel von 1:15 vor. Hauptkritikpunkt der anwesenden Pflegefachleute: In der Branche sei die Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität viel zu groß.

Publikum der Mitgliederversammlung Evangelischer Fachverband Ambulante Pflege und Hospizarbeit für NRW.

Die Teilnehmenden der Mitgliederversammlung  schilderten dem Staatssekretär Erlebnisse aus ihrem Arbeitsalltag.

Eine digitale Plattform für die Pflege

Dazu trage auch der schleppende Fortschritt in Sachen Digitalisierung bei, von dem die Teilnehmenden in zahlreichen Beispielen aus ihrem Arbeitsalltag berichteten: "Die Zeit, die wir mit dem Ausfüllen von Papieren verbringen, ist Zeit, in der wir uns nicht um die Pflegebedürftigen kümmern können", berichtete etwa eine Teilnehmerin. Dazu sagte Matthias Heidmeier: "Bis Sommer wollen wir die Eckpunkte für eine digitale Agenda für Soziales und Pflege aufgeschrieben haben. Wir haben dafür in NRW viele Projekte, Ideen und Initiativen."

Die Mitarbeitenden des Evangelischen Fachverbands Ambulante Pflege und Hospizarbeit lud er in diesem Zusammenhang ein, konkrete Vorschläge zu machen. Außerdem versprach der Staatssekretär, eine politische Forderung "für eine digitale Plattform für die Pflege" zu formulieren. Bislang, so erfuhr er im Gespräch mit den Pflegefachleuten, gebe es für die gesetzlich vorgeschriebenen Dokumentationen gleich mehrere solcher Plattformen. Das erhöhe den Verwaltungsaufwand enorm.

Publikum der Mitgliederversammlung Evangelischer Fachverband Ambulante Pflege und Hospizarbeit für NRW.

Trotz aller Kritik an den Rahmenbedingungen betonten die Pflegefachleute im Publikum, dass sie ihren Beruf als sinnstiftend empfinden.

Sinnstiftender Beruf

Trotz der geschilderten unbefriedigenden Rahmenbedingungen ("Kaum Wertschätzung, obwohl die Pflege ein Knochenjob für Körper und Seele ist.") waren sich die Teilnehmenden einig: "Der Pflegeberuf ist trotz seines schlechten Leumunds höchst befriedigend, spannend und sinnstiftend." Das könnten junge Leute beispielsweise während eines sozialen Praktikums oder ähnlichem erfahren. Eine Idee, die auch Matthias Heidmeier befürwortet. Um jetzt schon mehr junge Menschen für die Pflege zu begeistern, werde das MAGS künftig bei der Berufsorientierung verstärkt auf die beruflichen Chancen im sozialen Bereich, speziell in der Pflege hinweisen.

Marios Hadjioannou (li,), Christian Heine-Göttelmann und Björn Neßler (re.)..

Diakonie RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann (Mitte) mit Marios Hadjioannou und Björn Neßler (rechts). Beide sind neu im Vorstand des Evangelischen Fachverbands Ambulante Pflege und Hospizarbeit für NRW.

Neuer Vorstand

In der anschließenden Mitgliederversammlung dankten die Teilnehmenden dem bisherigen Fachverbandsvorstand und wählten drei Personen neu in den Vorstand des Fachverbands Ambulante Pflege und Hospizarbeit: Marios Hadjioannou (Fachbereichsleiter Pflege, Johanniter), Björn Neßler (Vorstand Pflege und soziale Dienstleistungen, Bergische Diakonie Aprath Westfalen) und Martin Sartorius (Geschäftsführer stationäre und ambulante Altenhilfe, Rheinische Gesellschaft für Diakonie gGmbH Leichlingen). Außerdem stellte sich aus dem Zentrum Pflege der Diakonie RWL das neue Team ambulante Pflege vor. Dessen Teamleiterin Anja Köhler bewertete den Austausch mit Staatssekretär Matthias Heidmeier positiv: "Toll, dass unsere Träger hier die Gelegenheit hatten, so offen und intensiv mit politischen Entscheidungsträgern zu diskutieren."

Text und Fotos: Verena Bretz

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