Digitalisierte Pflege
Frauke Bußkamp
Frau Bußkamp, kürzlich erhielt ich von meiner jüngsten Tochter (16 Jahre alt) ein Selfie aus dem Aufwachraum. So konnte ich sehen, dass die Operation gut verlaufen war. Ist das schon Digitalisierung in der Pflege?
Nein, das ist sicherlich keine Digitalisierung in der Pflege. Digitalisierung in der Pflege beinhaltet den Einfluss moderner Technologien auf verschiedene organisatorische Bereiche einer Einrichtung vom Personalmanagement über die Arbeitsorganisation hin zum Controlling und zum Management. Auch abrechnungstechnische Prozesse können durch den Einsatz neuer Technologien gesteuert und in qualitativer Hinsicht verbessert werden. Gerade haben wir eine Fachtagung zum Thema veranstaltet, die den Schwerpunkt auf die administrativen Aufgaben in der Pflege legt, die durch den Einsatz von neuen Technologien verbessert werden können. Prozesse sollen dadurch vereinfacht, verschlankt, transparenter oder kontrollierbarer werden.
Pflege ist eine "personenbezogene Dienstleistung". Wird die Zuwendung von Mensch zu Mensch in Zukunft durch Roboter ersetzt?
Davon sind wir noch weit entfernt. Was unbedingt verbessert werden muss, ist die technische Hilfestellung für die Pflegekräfte. Zudem muss man unterscheiden, in welcher Einrichtung digitale Technologien eingesetzt werden. Im Krankenhausbereich ist der technische Fortschritt schon viel weiter entwickelt. Dabei dürfen die EDV-gestützte Personalplanung und die elektronische Patientenakte meiner Ansicht nach nicht ausschließlich zur Steuerung betriebswirtschaftlicher Prozesse benutzt werden. Die Gefahr besteht, dass die pflegerische Praxis grundlegend verändert werden könnte. Die Pflegeforschung in Deutschland braucht dringend theoretische und methodische Analyseinstrumente, um den Nutzen und die Gefahren für die pflegerische Versorgung abwägen zu können.
Zwölf Prozent aller Arbeitsplätze in Deutschland haben ein hohes Automatisierungsrisiko, so hat es die Arbeitswissenschaft herausgefunden. Gilt das auch für die pflegerischen Berufe?
Da die ambulante Pflege durch einen personenbezogenen Dienstleistungsprozess gekennzeichnet ist, kann meiner Meinung nach insbesondere der administrative Teil der Pflegearbeit durch den Einsatz von neuen Technologien verbessert werden. Das betrifft zum Beispiel die Abrechnungssysteme, den Datenaustausch mit den Kostenträgern oder das Controlling. Der Einsatz von neuen Techniken sollte für die Pflegekräfte einen Gewinn darstellen, um ihnen den Rücken für die direkten Pflegetätigkeiten am Patienten freizuhalten. Da ungefähr 15 Prozent der Pflegetätigkeiten der indirekten Pflege zuzuordnen sind, kann der Gewinn durch Rationalisierungsmaßnahmen vorwiegend diesen Bereich betreffen.
Die Digitalisierung der Dienstleistungsarbeit, so ein weiterer Befund der Forschung, wird dazu führen, dass informelle, scheinselbstständige Arbeitsverhältnisse zunehmen werden und verfeinerte Überwachungstechniken die soziale Kontrolle verstärken. Kommt das auch in der ambulanten Pflege auf uns zu?
Der Einsatz von Überwachungstechniken birgt natürlich auch Probleme. Nicht alles Machbare muss umgesetzt werden. Ethische Grenzen sind genauso zu respektieren wie das persönliche Recht auf Mitbestimmung. Der Einsatz von mobilen Endgeräten zur Erfassung der geleisteten Pflegetätigkeiten birgt heute schon für die Pflegekräfte die Gefahr, dass langsame und schnelle Mitarbeitende in der Pflege identifiziert werden können. Pflegerische Interventionen hängen natürlich auch von der Tagesform und der individuellen Situation der zu Pflegenden ab. Dieses ist bei der Analyse der Daten auch zu berücksichtigen.
Wo liegen die Chancen und positiven Möglichkeiten von Digitalisierung in der Pflege? Was lässt sich aus der Fachtagung „Digitalisierung in der Pflege“ für die Mitglieder im Evangelischen Fachverband Ambulante Pflege und Hospizarbeit konstruktiv mitnehmen? Woran wird in nächster Zeit weitergearbeitet?
Die Chancen der Digitalisierung liegen für die ambulante Pflege in der Verbesserung der häuslichen Versorgung durch eine gezielte Datenerfassung, die die Möglichkeit einer frühzeitigen Intervention in Krisensituationen zulassen. Eine systematische Erfassung und Analyse von Daten sollte dann eine pflegerische Intervention begründen. Die Datenübermittlung, die für den Informationsaustausch mit dem Hausarzt wichtig ist, kann dazu beitragen, dass Pflegebedürftige möglichst lange in ihrer eigenen Umgebung leben können. Der Fachverband ambulante Pflege und Hospizarbeit steht erst am Anfang der Auseinandersetzung mit dem Thema.
Das Gespräch führte Reinhard van Spankeren.
v.l.: Pfarrer Christian Heine-Göttelmann, Katharina Ruth, Bärbel Uhlmann, Frauke Bußkamp, Sebastian Wirth, Regina Mehring
Neuer Evangelischer Fachverband ambulante Pflege und Hospizarbeit für NRW in der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe
Bei der Mitgliederversammlung des Evangelischen Fachverbands ambulante Pflege für NRW am 15.06.2016 in Bochum fand der Zusammenschluss mit dem Evangelischen Fachverband Hospiz- und Palliativdienste statt. Die dazu notwendige Satzungsänderung wurde von den anwesenden Mitgliedern einstimmig, mit einer Enthaltung, beschlossen.
Der neue Fachverband heißt nun: Evangelischer Fachverband ambulante Pflege und Hospizarbeit für NRW in der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe.
Danach erfolgte, bedingt durch die neue Satzung, die Wahl von zwei Vorstandsmitgliedern aus dem Hospiz- und Palliativbereich: Bärbel Uhlmann, Bereichsleitung, Hospiz Am Ostpark, Bethel.regional und Katharina Ruth, Leitung Hospizdienst, Hospiz- und Palliativbeauftragte der Diakonischen Altenhilfe Wuppertal.
Sebastian Wirth, Geschäftsführer, Diakoniestationen An der Agger und in Windeck, Diakonie vor Ort gGmbH, Gummersbach, ist Vorsitzender des Fachverbands, Regina Mehring, Geschäftsführerin, Evangelische Pflegedienste Mark-Ruhr, gGmbH Hagen, stellvertretende Vorsitzende. Der bisherige Vorstand bleibt bis zu den Neuwahlen im Jahr 2019 im Amt.
Der Fachverband vertritt rund 250 Diakoniestationen,15 stationäre Hospize, 50 ambulante Hospizdienste, spezialisierte Palliativpflegedienste, Palliativstationen in evangelischen Krankenhäusern, Trauergruppen in Kirchengemeinden und Hospizgruppen in Altenpflegeheimen mit rund 5000 Vollzeitkräften in der Pflege und vielen ehrenamtlichen Mitarbeitenden.