25. August 2023

Sexualisierte Gewalt

"Hinschauen, damit Taten nicht passieren"

Vor sexualisierter Gewalt schützen, bevor Taten passieren: Die Diakonie RWL-Referentinnen Katharina Degen und Saskia Koll bilden Multiplikator*innen aus, die in ihren eigenen Einrichtungen Mitarbeitende zum Thema sexualisierte Gewalt sensibilisieren. Sechs Schulungen sind bis zum Frühjahr 2024 geplant. Im Interview erklären die Referentinnen Ziele und Inhalte der Kurse.

  • Gesichter zu den Stimmen: Saskia Koll (links) und Katharina Degen (rechts) unterstützen beim Ausfüllen der Anträge. (Fotos: Andreas Endermann (links) und Ann-Kristin Herbst (rechts))

Sie sind Referentinnen bei der Fachstelle für den Umgang mit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung (FUVSS). In Ihrem Berufsalltag unterstützen Sie unter anderem Betroffene. Außerdem sind Sie für die Prävention sexualisierter Gewalt zuständig. Was bedeutet Prävention? 

Katharina Degen: Bei der Intervention und bei den Anerkennungsverfahren setzen wir erst an, nachdem Gewalttaten bereits geschehen sind. Wir wollen aber unser Bestes tun, um zu verhindern, dass in Zukunft weitere Taten geschehen. Hier setzt Prävention an. Es geht also darum, zu sensibilisieren und eine Kultur der Achtsamkeit zu schaffen – damit Gefahren frühzeitig erkannt und Taten vorgebeugt werden kann. Diakonie und Kirche müssen – ebenso wie auch die gesamte Gesellschaft – unbedingt weiter geschult werden, in den entscheidenden Momenten nicht weg-, sondern hinzuzuschauen und frühzeitig zu handeln. Wir müssen unsere Strukturen einerseits so gestalten, dass potenzielle Täter*innen nicht zum Zuge kommen. Andererseits müssen wir unsere Einrichtungen so aufbauen, dass sich die Menschen sicher und geschützt fühlen.

In der Prävention spielen die Multiplikator*innenschulungen eine besondere Rolle. Was ist darunter zu verstehen? 

Saskia Koll: Laut Kirchengesetz sind alle Einrichtungen und Dienste in den Kirchen und der Diakonie verpflichtet, Schutzkonzepte zu entwickeln und in ihren Reihen Menschen zu schulen, die als Multiplikator*innen den Schutzgedanken in die gesamte Institution tragen. So soll gewährleistet werden, dass sämtliche Menschen in diakonischen Institutionen über sexualisierte Gewalt aufgeklärt und sie handlungsfähig gemacht werden. Wir qualifizieren also einzelne Mitarbeitende, ihre Kolleg*innen in den Einrichtungen im Bereich Prävention zu schulen.

Was lernen die Multiplikator*innen? 

Katharina Degen: Wir vermitteln einen sensiblen und achtsamen Umgang mit dem Thema sexualisierte Gewalt. Es geht darum, die eigenen Augen immer offen zu halten. Dabei spielen Themen wie Nähe und Distanz eine Rolle, sowie Handlungsstrategien von Täter*innen, rechtliche Rahmenbedingungen, Interventionsmöglichkeiten und Handlungshilfen. Die Multiplikator*innen sollen befähigt werden, die Brisanz des Themas im Alltag zu verdeutlichen und darüber aufzuklären, wie Handlungsspielräume von Täter*innen im besten Fall so weit eingeschränkt werden können, dass diese nicht mehr zum Zuge kommen. 

An wen richten sich die Kurse?

Saskia Koll: Das Kirchengesetz schreibt vor, dass alle Einrichtungen ihre haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitende zum Thema Schutz vor sexualisierter Gewalt schulen müssen. Unsere Kurse richten sich an alle Mitarbeitenden in diakonischen Einrichtungen, die ihren Kolleg*innen dieses Thema vermitteln wollen. 

Wie viele Schulungen haben Sie geplant? 

Katharina Degen: Bis zum Frühjahr 2024 haben wir zunächst sechs Kurse geplant, die sich aus jeweils zwei mal zwei Tagen zusammensetzen. Pro Kurs planen wir mit maximal 18 Teilnehmenden, die die Inhalte dann in ihre Einrichtungen weitertragen. Wir hoffen, dass wir es schaffen, in der nächsten Zeit eine flächendeckende Kultur der Achtsamkeit zu etablieren, in der Menschen sich wohl und gut aufgehoben fühlen. 

Das Gespräch führte Jana Hofmann. Fotos: Diakonie RWL/Ann-Kristin Herbst/Andreas Endermann

Katharina Degen und Saskia Koll sind studierte Sozialarbeiterinnen. Saskia Koll befindet sich außerdem in der Ausbildung zur Systemischen Familientherapeutin/ Systemische Beraterin.

Ihre Ansprechpartner/innen
Saskia Pampus (Koll)
Stabsstelle Fachstelle für den Umgang mit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung (FUVSS)
Katharina Degen
Stabsstelle Fachstelle für den Umgang mit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung (FUVSS)
Weitere Informationen
Das Arbeitsfeld der FUVSS umfasst drei Bereiche des Themas sexualisierte Gewalt:

Meldestelle: Begleitung und Beratung von Mitgliedseinrichtungen bei Fällen von Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung sowie Begleitung und Einleitung von Interventionsverfahren.

Prävention: Schulung von Mitarbeitenden der Mitgliedseinrichtung im Bereich Prävention sexualisierte Gewalt
 

Geschäftsführung der Unabhängigen Kommission und der Beschwerdekommission: Begleitung von Betroffenen sexualisierter Gewalt im Verfahren der Beantragung finanzieller Leistungen in Anerkennung des erlittenen Leids.