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Vielfalt in der Diakonie

31. Mai 2019
Zwischen Vaterunser und Gebetsteppich

Sie sind in evangelischen Pflegeheimen und Kitas noch selten: Mitarbeiterinnen mit Kopftuch. Doch sie werden mehr, denn die religiöse und kulturelle Vielfalt in der Diakonie steigt. Wie die Diakonie offen für Mitarbeitende anderer Konfession sein kann und gleichzeitig erkennbar evangelisch bleibt, hat Professorin Beate Hofmann erforscht. Ihre Studienergebnisse stellte die neue Bischöfin von Kurhessen-Waldeck jetzt in einem Fachgespräch der Diakonie RWL vor.

Zum evangelischen Profil vieler Kitas gehört das Tischgebet. Immer mehr Einrichtungen öffnen sich aber auch für Rituale anderer Religionen. (Foto: Sabine Damaschke)

Vor einigen Wochen machte die Diakonie Düsseldorf Schlagzeilen mit dem ersten evangelisch-muslimischen Kita-Gemeinschaftsprojekt der Stadt. Unter dem Motto "Miteinander leben, voneinander lernen, einander begegnen und einander verstehen" besucht nun nicht nur der Pfarrer, sondern auch ein Imam regelmäßig die Kindertagesstätte, um den Kindern neben Kreuz und Kinderbibel auch Gebetsteppiche und Koran näher zu bringen.

"Menschen dürfen verschieden sein. Wenn Kinder den eigenen Glauben und den des anderen von klein auf kennenlernen, zusammen Feste feiern, können sie sich daran erfreuen und wichtige Erfahrungen des Zusammenlebens sammeln. Wir glauben an denselben Gott, nur die Wege dahin sind verschieden", erklärte Diakoniepfarrer Thorsten Nolting. Es ist ein Beispiel von vielen, das zeigt, wie Diakonie und Kirche sich für Menschen anderer Konfessionen öffnen. Längst betreuen und beraten die Mitarbeitenden sie in ihren Einrichtungen und längst sind unter ihnen auch Kolleginnen und Kollegen, die einem anderen oder gar keinem Glauben angehören.

Portrait

Beate Hofmann, langjährige Professorin und neu gewählte Bischöfin von Kurhessen-Waldeck

Hauptsache evangelische Mitarbeitende?

Doch wie bleibt bei so viel religiöser und kultureller Vielfalt das evangelische Profil erkennbar? Diese Frage beschäftigt nicht nur diakonische Führungskräfte. Beate Hofmann, langjährige Professorin für Diakoniewissenschaft und Diakoniemanagement an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel und jetzt neu gewählte Bischöfin von Kurhessen-Waldeck, hat dazu geforscht. "Bisher galt: Eine Einrichtung ist diakonisch, weil in ihr Menschen arbeiten, die evangelisch sind", erklärte sie beim Fachgespräch "Führungshandeln mit Pluralitäten" der Diakonie RWL in Düsseldorf. "Ihre Identität kann aber auch an dem festgemacht werden, was die Organisation tut und wie sie ausgerichtet ist."

Hofmanns Forschungen haben ergeben, dass christliche wie nicht kirchlich gebundene Mitarbeitende der Diakonie Andachten, Tischgebete, christliche Sterbe- und Trauerrituale durchaus mittragen. Dafür brauche es aber zwei Voraussetzungen, so die Professorin. Es müsse ein Konzept für den diakonischen oder evangelischen Charakter der Einrichtung geben und genug Raum, sich damit zu beschäftigen und kritisch auseinanderzusetzen.

Eine Abschiedskultur in Form von Sterbe- und Trauerritualen finden auch diakonische Mitarbeitende wichtig, die nicht evangelisch sind.

Die DNA der Diakonie

"Die Idee, dass in der Diakonie vorwiegend evangelische Mitarbeitende eingestellt werden, ist eine westdeutsche Vorstellung. In Ostdeutschland ist die Realität schon seit 25 Jahren anders." Dort existieren seit vielen Jahrzehnten diakonische Organisationen, in denen auch Menschen ohne oder mit anderer Religionszugehörigkeit arbeiten.

"Trotzdem werden diese Einrichtungen selbstverständlich als christliche bzw. evangelische Organisationen wahrgenommen", sagte die Professorin. In der Studie erklärten die befragten Mitarbeitenden laut Hofmann, dass das "Diakonische" für sie nicht auf die religiöse Praxis beschränkt sei. Ihrer Ansicht nach machen ein menschlicher Umgang unter den Kollegen, Achtsamkeit gegenüber den Wünschen und Bedürfnissen der Bewohner sowie die Präsenz von Diakonen, Seelsorgern und Pfarrern eine evangelische Einrichtung aus.

"Das ist die DNA diakonischer Einrichtungen", betonte die Professorin. Für die Mitarbeitenden sei ebenfalls wichtig, wie christliche Feste oder der Sonntag gefeiert und eine Abschiedskultur in Form von Sterbe- und Trauerritualen gestaltet werde.

Gruppenfoto

Teilnehmende des Fachgesprächs: Markus Eisele,  Antonia von Vieregge, Barbara Montag, Christian Schultz und Beate Hofmann (v.l.)

Führungskräfte müssen Vorbild sein

Diakonische Führungskräfte sind nach Ansicht der Professorin dabei Schlüsselfiguren. Sie hätten eine zentrale Vorbildfunktion für die Beschäftigten in der Einrichtung und müssten glaubwürdig sein. Es brauche sogenannte "Ankermenschen" in der Organisation, die mit einer hohen Selbstverständlichkeit religiöse Elemente praktizierten und lebten.

Und es brauche regelmäßige Fortbildungen und Einführungstage für nicht evangelische Beschäftigte, betonte Hofmann. Markus Eisele, Theologischer Vorstand der Graf Recke Stiftung, berichtete, dass in seiner Einrichtung bereits Diakonie-Basiskurse auch für nicht evangelische Beschäftigte veranstaltet werden. Schließlich arbeiten in der Graf-Recke-Stiftung 53 unterschiedliche Nationalitäten zusammen. Die Diakonie Stiftung Salem bietet auch Online-Glaubenskurse an, erläuterte der Kaufmännische Vorstand Christian Schultz.

Gruppenfoto

Diakonie RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann und Pastorin Barbara Montag gratulierten der neu gewählten Bischöfin Beate Hofmann.

Gebetsräume als Standortvorteil

Antonia von Vieregge, die ein Spezialvikariat im Diversitymanagement bei Fraport am Frankfurter Flughafen absolviert, wies darauf hin, dass Gebetsräume an Flughäfen mittlerweile ein Standortvorteil sind. "Konferenzen finden dort statt, weil es für Muslime einen Gebetsraum gibt."

Beate Hofmann empfiehlt diakonischen Unternehmen, muslimischen Beschäftigten mehr Raum zu geben, damit sie auch ihre Religiosität leben können. Fragen, wann und wo sie beten oder fasten könnten und wie das Abendmahl bei der Einführungsveranstaltung mit ihnen gefeiert werde, müssten geklärt werden.

Diakonische Offenheit und Diversität kann aber auch für Kontroversen sorgen. Das zeigt das Beispiel des evangelisch-muslimischen Kitaprojekts in Düsseldorf. "Es gibt Ängste, dass das Projekt politisch instrumentalisiert wird", gibt Thorsten Nolting zu. Doch die Diakonie steht zu ihrem Projekt und sieht es als wichtigen Beitrag für ein friedliches und tolerantes Zusammenleben im Stadtteil.

Text und Fotos: Sabine Portmann, Redaktion: Sabine Damaschke


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