Landtagswahl NRW 2022: Klima und Wohnen

Die Energiepreise steigen seit vielen Jahren stetig: Die neue geopolitische Konfliktstellung nach dem russischen Überfall auf die Ukraine belastet die Energieversorgung in Deutschland zusätzlich und verstärkt diese Tendenz dramatisch. Der geplante Ausstieg aus der Kohleverstromung und die geplante Erhöhung der Besteuerung klimaschädlicher CO2-Emissionen in den Bereichen Wohnen und Verkehr drohen vor allem Menschen mit geringem Einkommen über Gebühr zu belasten.

Auch Wohnen ist zu einer zentralen sozialen Frage geworden, bezahlbarer Wohnraum ist knapp in NRW. Hohe Belastungen der privaten Haushalte durch steigende Mieten, fehlende Wohnungen und eine wachsende Zahl wohnungsloser Menschen erfordern politisches Handeln. Die Verfügbarkeit und der Schutz angemessenen Wohnraums ist das Recht eines jeden Menschen. Deshalb muss es in der kommenden Legislaturperiode vor allem darum gehen, wie Klimaschutz sozialverträglich gestaltet und bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden kann.

1) Klimaschutz muss sozial gestaltet werden!

Klimapolitik ist sozialverträglich zu gestalten. Die CO2-Steuer muss einen Ausgleich schaffen zwischen reichen Menschen mit hohem Ressourcenverbrauch und Menschen mit geringem Einkommen. Die CO2-Steuer spielt eine wichtige Rolle, um die Klimaziele zu erreichen. Sie muss jedoch zwingend mit wirksamen sozialpolitischen Maßnahmen verknüpft werden, um soziale Gerechtigkeit und effektiven Klimaschutz miteinander zu verbinden. Menschen mit geringerem Einkommen werden bisher durch die CO2-Steuer deutlich stärker belastet und müssen dementsprechend künftig auch stärker entlastet werden, zumal sie statistisch gesehen einen deutlich kleineren CO2-Fußabdruck haben als Menschen mit mehr finanziellen Mitteln. Wir unterstützen daher das Modell der Klimaprämie. Es sieht vor, dass die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung an die Haushalte zurückgegeben werden und jede Person denselben Betrag erhält  unabhängig von der Höhe der durch Heizen und Autofahren verursachten CO2-Emissionen. Damit ist die Klimaprämie das überzeugendste Modell, um bei steigenden CO2-Preisen einkommensschwache Haushalte zuverlässig und spürbar zu entlasten.

Mit steigenden CO2-Preisen erhöhen sich die Einnahmen und damit auch die Summe, die an die Bevölkerung ausgeschüttet wird. Davon würden insbesondere untere und mittlere Einkommensgruppen sowie Familien profitieren – zuverlässig, spürbar und direkt. Haushalte mit hohen Einkommen profitieren wegen ihres hohen Energieverbrauchs aber weniger von der Klimaprämie, denn sie haben den größten CO2-Fußabdruck. Wir setzen uns für die Klimaprämie ein, weil sie hilft, den Klimaschutz sozialverträglich zu gestalten. So können Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit gleichermaßen umgesetzt werden.

2) Für Menschen mit geringem Einkommen muss es ein kostenloses Sozial-Ticket für Bus und Bahn in NRW geben!

Für Menschen mit geringem Einkommen ist ein eigenes Auto häufig nicht nur unerschwinglich, sondern auch die Preise für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sind für viele zu hoch. Wir setzen uns für ein kostenloses Sozial-Ticket für Menschen mit geringem Einkommen ein, da der Anteil der finanziellen Mittel in den SGB II-Regelleistungen die Mobilitätskosten nicht annähernd deckt und mit 40,01 Euro viel zu gering angesetzt ist.

Vor allem in größeren Städten und Großstädten können die aktuellen Kosten für ein Sozial-Ticket den monatlichen Anteil, den Hartz IV insgesamt für Mobilität vorsieht, übersteigen. Die Möglichkeit, Busse und Bahnen zu nutzen, ist jedoch eine wichtige Voraussetzung dafür, soziale Kontakte aufrecht zu halten und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Auch befinden sich in den seltensten Fällen Arbeitsstelle oder Jobcenter, Einkaufsmöglichkeiten oder Ärzt*innen in unmittelbarer Nähe der eigenen Wohnung. Der Zugang zu einer umweltschonenden Mobilität für alle Menschen muss eine Selbstverständlichkeit werden.

3) NRW soll bis 2030 aus der Kohleverstromung aussteigen!

Im Pariser Klimaabkommen von 2015 wurde beschlossen, die menschgemachte globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist weltweit ein Kohleausstieg bis etwa 2030 notwendig. Der Ausstieg aus der Kohle ist ein integraler Bestandteil der Energiewende und es ist die Aufgabe aller, diese zu gestalten.

Als Diakonie wollen und müssen wir Verantwortung für unseren Beitrag zur Realisierung der nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen übernehmen. Bedingt durch den Klimawandel drohen weltweit sowohl ökologische als auch soziale Verwerfungen. Deswegen betrachten wir Klimaschutz als eine der großen Aufgaben unserer Zeit und wollen mit großer Entschlossenheit vorangehen.

Wir setzen uns getreu unseres Auftrags „Bewahrung der Schöpfung“ für einen ambitionierten und sozial gerechten Klimaschutz sowie für den Erhalt der Biodiversität ein und verpflichten uns, bis spätestens 2035 selbst klimaneutral zu sein.

4) NRW muss jährlich 23.000 neue Sozialwohnungen bauen, um preiswerten Wohnraum für alle zu schaffen!

Der öffentlich geförderte Wohnungsbestand nimmt in NRW seit vielen Jahren kontinuierlich ab, daher ist die Wohnraumförderung ein wichtiges Mittel zur Umsetzung der Daseinsvorsorge. Es muss deutlich mehr sozialer Wohnraum geschaffen werden. Wir fordern für die kommende Legislaturperiode einen Zuwachs von 23.000 neuen Sozialwohnungen jährlich. Der kommunale Wohnungsbestand soll geschützt und ausgebaut werden.

In NRW herrscht ein eklatanter Mangel an preiswertem Wohnraum für verschiedene benachteiligte Zielgruppen, u. a. wohnungslose Menschen, Familien, Menschen mit Migrationshintergrund sowie Menschen, die aus stationären Einrichtungen kommen, z. B. aus der Eingliederungshilfe oder aus Frauenhäusern. Hier brauchen wir in unserem Bundesland eine echte Trendwende, damit Wohnen als Grundrecht in NRW für alle möglich wird und bleibt.

5) Die Wohnungsnotfallhilfe in NRW muss ausgebaut werden!

Wir begreifen Wohnen als ein Menschenrecht. Doch sind in NRW viele Menschen von Wohnungslosigkeit betroffen. Wir fordern, dass in jedem Landkreis und in jeder kreisfreien Stadt ausreichend Angebote der Wohnungsnotfallhilfe vorgehalten werden, sodass wohnungslosen Menschen oder Menschen in akuten sozialen Notlagen zügig und wohnortnah geholfen werden kann. Das Landesprogramm „Endlich ein Zuhause“ soll verstetigt und auf alle Regionen in NRW ausgeweitet werden.

Denn die Hilfen gem. § 67ff SGB XII sind in NRW bislang nicht flächendeckend vorhanden. In wenigstens drei Landkreisen fehlt es an jeglichen Angeboten, in anderen Kreisen und Kreisfreien Städten ist das Angebot nicht so ausgebaut, dass alle Bedarfe wohnortnah gedeckt werden können. Zudem haben sich in den letzten Jahren weitere Bedarfe z.B. im Bereich der aufsuchenden Hilfen und im Bereich der Prävention herausgebildet, zu denen landesweit gültige Standards erprobt werden aber noch nicht vereinbart sind. Das Ziel sollte sein, hier gute gesetzliche Standards zu schaffen.

6) Die Quartiersarbeit in NRW muss deutlich ausgebaut und gestärkt werden!

Wir fordern die nächste Landesregierung auf, die quartiersbezogene Arbeit als Querschnittsthema in den unterschiedlichen Arbeitsfeldern der sozialen Arbeit in den Mittelpunkt zu rücken. Konzeptbezogene Projekte zur verbindlichen Strukturierung der bereits vorhandenen Vernetzungen in der Kinder-, Familien-, Seniorenarbeit, im Ehrenamt und in der Pflege in Stadtteilen mit besonderen Bedarfen sollen angestoßen, durchgeführt und evaluiert werden. Das Profil eines/einer Stadtteil- oder Quartiersmanager*in oder eines „Kümmerers“ bzw. einer „Kümmerin“ wird weiterentwickelt.

Denn nicht erst seit der Flutkatastrophe, in der die Notwendigkeit der Vernetzung und des nachbarschaftlichen Engagements sehr deutlich geworden ist, ist bekannt, dass gute Vernetzungsstrukturen aller vorhandenen sozialen Institutionen, seien sie kommunal, durch freie Träger oder privatrechtlich organisiert, die Lebensqualität in jedem Bereich verbessern und die Zufriedenheit und das Engagement der Bürger- und Bürgerinnen fördern. Auch bei der Integration von Geflüchteten ist eine gute Quartiersarbeit überaus hilfreich. NRW kann und sollte hier deutschlandweit eine Vorreiterrolle übernehmen.

 
 

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