Landtagswahl NRW 2022: Gesundheit und Pflege

Seit vielen Jahren erleben wir einen flächendeckenden Fachkräftemangel in NRW in den Gesundheits- und Pflegeberufen. Die Corona-Pandemie hat das Gesundheitswesen an den Rand der Belastungsgrenze getrieben, sie hat die erheblichen Defizite im System überdeutlich aufgezeigt. Überarbeitete Ärztinnen und Ärzte sowie überlastete Pflegekräfte sind zum Sinnbild geworden für überforderte Strukturen im Gesundheitssystem – und das, obwohl die Zahl der Beschäftigten in Pflegeberufen in NRW seit 2020 wieder gestiegen ist. Im September 2020 waren etwa 394.000 Beschäftigte in der Gesundheits- und Altenpflege tätig, rund 10.500 Menschen mehr als ein Jahr zuvor (Quelle: Bundesagentur für Arbeit).

In der kommenden Legislaturperiode wird es verstärkt darum gehen, die Arbeitsbedingungen von Menschen in Gesundheits- und Pflegeberufen zu verbessern und zugleich die Modernisierung des Gesundheitswesens voranzutreiben – für eine bessere Qualität bei der Betreuung und Versorgung von Patientinnen und Patienten sowie von pflegebedürftigen Menschen.

1) Die Arbeitsbedingungen in der Pflege müssen besser werden!

Die Corona-Pandemie hat die bisher schon angespannte Lage der Einrichtungen noch einmal vor ganz neue Herausforderungen gestellt. Zu den bestehenden Schwierigkeiten, den Dienst an 365 Tagen sicherzustellen, kamen zusätzlich die verschärften hygienebedingten Anforderungen, eigene Unsicherheiten, familiäre Belastungen und vermehrt Dienstausfälle durch Quarantänen hinzu. In der Praxis ist es schwierig, geeignetes Personal zu finden und dieses in den Einrichtungen dauerhaft zu halten.

  • Wir setzen uns dafür ein, die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern, um den Beruf wieder attraktiver werden zu lassen. Flankiert werden sollte dies durch eine Ausbildungs- und Fachkräfteoffensive für den Pflegebereich, denn das bestehende Personal kann nur durch zusätzliche Pfleger*innen entlastet werden. Wir wollen im Bereich der Altenpflege Mindestpersonalbemessungen umsetzen, z.B. im Nachtdienst und in der Rufbereitschaft, um die Personalsituation zu verbessern. Im Krankenhaus brauchen wir ein Personalbemessungsinstrument, das sowohl die Qualifikation der/des einzelnen Mitarbeitenden einbezieht als auch in der jeweiligen konkreten pflegerischen Situation angemessen ist.
  • Die beste Voraussetzung für zufriedene Mitarbeitende im Pflegebereich sind ausreichend viele Kolleginnen und Kollegen, die das System insgesamt stärken und so auch zu mehr Qualität in der Pflege beitragen. Zusätzlich muss eine gute und tarifliche Bezahlung gewährleistet sein, da viele – vor allem private – Pflegedienste ihre Mitarbeitenden aktuell nicht nach Tarif bezahlen. Diakonische Unternehmen und Einrichtungen sind da schon einen großen Schritt weiter: Für sie gilt das kirchliche Tarifwerk, das deutlich höhere Löhne vorsieht als andere tarifliche Vereinbarungen.

2) Die finanzielle Beteiligung von Pflegebedürftigen in Pflegeeinrichtungen muss wirksam gedeckelt werden!

Pflegebedürftige Menschen müssen von den hohen Zuzahlungen zu den Leistungen der Pflegeversicherung spürbar und zuverlässig entlastet werden. Es muss eines der Hauptziele eines demografiefesten Sozialstaates sein, für eine sichere und bedarfsgerechte pflegerische Versorgung aller Menschen im Land zu sorgen – unabhängig von ihrem Einkommen.

Die Kosten dafür dürfen darum nicht länger auf die ins Absurde gestiegenen Eigenanteile der Pflegebedürftigen umgelegt werden. Deshalb brauchen wir eine wirksame Deckelung der Eigenanteile, die bisher fehlt.

Steigende Pflegekosten müssen ausschließlich aus Mitteln der Pflegeversicherung getragen werden, da die Bewohner*innen von Pflegeeinrichtungen bereits vollständig für die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und für Investitionen in den Einrichtungen aufkommen.

3) Trägervielfalt bei den Krankenhäusern in NRW erhalten!

Verlässliche Rahmenbedingungen sind für alle Krankenhäuser unabdingbar. Doch diese stehen unter zunehmendem finanziellen Druck. Ihre Investitionen sind laut Gesetz durch das Land, ihr Betrieb und das Personal durch die Krankenkassen zu bezahlen. Die Investitionsfinanzierung ist bei Weitem nicht ausreichend. Daher sind Krankenhäuser gezwungen, ihre Investitionen zum Teil selbst zu stemmen. Dieses Dilemma hat vielerorts zu Privatisierungen ehemals öffentlicher oder freigemeinnütziger Krankenhäuser geführt. Börsennotierte Gesundheitskonzerne sind weniger abhängig von öffentlichem Geld. Allerdings streben sie Gewinnmaximierung an, was leicht zu Lasten der Personaldichte und der Löhne gehen kann.

Die bestmögliche medizinische Versorgung von Patient*innen bei gewahrter Wirtschaftlichkeit muss auch zukünftig die oberste Priorität haben, nicht die Gewinnmaximierung. In NRW sind von 340 Krankenhäusern zwei Drittel in der Hand freigemeinnütziger Träger, 22 Prozent sind in kommunaler Hand und nur 13 Prozent sind privatisiert.

4) Die ambulante Sucht- und Drogenhilfe in NRW muss ausgebaut und finanziell gestärkt werden!

In der Sucht- und Drogenberatung ist der steigende Bedarf an Hilfsangeboten deutlich sichtbar. Dieser hat sich durch die Corona-Pandemie nochmals verstärkt. Dennoch gibt es bei der ambulanten Sucht- und Drogenhilfe in NRW erhebliche regionale Unterschiede. Es hängt vom Wohnort der betroffenen Personen ab, wie gut sie von der Sucht- und Drogenberatung unterstützt werden können. Das wollen wir ändern. Deshalb setzen wir uns dafür ein, die ambulante Sucht- und Drogenhilfe künftig mit mehr Landesmitteln zu unterstützen – so, dass Betroffene vor Ort die bestmögliche Hilfe finden.

Die Betreuungs-, Beratungs- und Unterstützungsleistungen sowie die Präventionsmaßnahmen werden bis zu ca. 90 Prozent als freiwillige Leistungen der Kommunen finanziert. Sie unterliegen damit der kommunalen Kassenlage und orientieren sich in der Regel nicht an den Bedarfen der von einer Suchtproblematik betroffenen Menschen. Nur noch ca. zehn Prozent der Kosten werden durch Steuergeld des Landes NRW gedeckt. Diese fließen zudem als Pauschale ohne konkrete fachliche Bindung direkt an die Kommunen und verfehlen ihre steuernde Wirkung.

Wir setzen uns dafür ein, dass die Landespolitik Rahmenbedingungen oder Steuerungsstrukturen schafft, die die ambulante Sucht- und Drogenberatung entweder zu bestimmten (monetären) Teilen verpflichtend machen oder an eine fachliche Bindung koppeln.

5) Pflegeassistenz stärken und so als Sprungbrett für die Fachkraftausbildung nutzen!

In NRW wurden zum 1. Januar 2021 die beiden bisherigen Qualifikationen in der Altenpflegehilfe und der Gesundheits- und Krankenpflegeassistenz zum Beruf der Pflegefachassistent*in zusammengeführt. Diese entspricht zwar formalen Anforderungen, birgt aber kritische Punkte. Die Ausbildung in der Pflegefachassistenz wird in keinem der drei Versorgungsbereiche den gewünschten Effekt der Personalentlastung erzielen; dafür sind die Rahmenbedingungen zu unattraktiv. So wird dadurch, dass für diese Ausbildung nicht einmal ein Hauptschulabschluss benötigt wird, implizit vermittelt, dass Pflege sowieso jede und jeder leisten könne. Die Pflegeschulen haben zwar grundsätzlich die Option, die Ausbildung zum Erwerb des weiterführenden Schulabschlusses zu verlängern. Dafür fehlen ihnen jedoch die Strukturen und die finanziellen Mittel. Hinzu kommt, dass in NRW Pflegepädagog*innen Mangelware sind. Auch in der praktischen Ausbildung erfährt diese Zielgruppe nur unzureichend formale und finanziell abgesicherte Unterstützung. Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit (kein Abschluss ohne Anschluss!) sieht anders aus. Das gilt es zu ändern.

6) NRW muss den Lehrendenmangel in der Pflegeausbildung beheben!

Wir brauchen mehr Pflegekräfte in NRW. Derzeit gibt es für die Pflegeberufe zu wenig Lehrende. Deshalb muss das Land in einem ersten Schritt deutlich mehr Studienplätze schaffen. Damit die Pflegeexpert*innen, die sich in einem Studium weiter qualifizieren wollen, dieses unbesorgt angehen können, sollten sie mit einem Landesstipendium finanziell unterstützt werden. Die Erweiterung dieser Kapazitäten ist erforderlicher denn je. In der Pflege stieg die Anzahl der offenen bzw. zukünftig zu besetzenden Vollzeitstellen von 10.092 im Jahr 2016/2017 auf nunmehr 23.763. Damit hat sich der Mangel an Pflegekräften mehr als verdoppelt (Quelle: Landesberichterstattung Gesundheitsberufe 2019).

7) Gezielt in Nachhaltigkeit und Digitalisierung der Krankenhäuser investieren!

Die Arbeit von Kliniken hat Auswirkungen auf die Umwelt und auf das Leben von Menschen. Mit Hilfe von Klimaschutzmaßnahmen und Umweltmanagementsystemen haben sich viele Krankenhäuser schon auf den Weg gemacht, Emissionen als Nebenwirkungen ihrer Arbeit zu verringern. Dabei sind schon viele Erfolge erzielt worden – doch um den Umweltschutz und die notwendige Digitalisierung weiter voranzutreiben, braucht es zusätzliche Anstrengungen. Die Krankenhäuser benötigen ein Sonderprogramm für energetische Sanierungen und Beschaffung emissionsarmer Anlagen. Dazu muss eine verlässliche und ausreichende Finanzierung bereitgestellt werden.

Die Bundesländer stehen nach geltendem Recht in der Pflicht, den Krankenhäusern ausreichende Investitionsmittel zur Verfügung zu stellen. Fakt ist aber, dass die Bundesländer dieser Verpflichtung seit Jahrzehnten nur unzureichend nachkommen. Allein für NRW beläuft sich die jährliche Förderlücke für Investitionen auf rd. 1,2 Mrd. Euro und der aufgelaufene Investitionsstau rund 13 Mrd. Euro. Über diesen zu finanzierenden Bedarf hinaus sind Mittel bereitzustellen, damit die Krankenhäuser die zentralen Aufgaben Klimaschutz und Digitalisierung bewältigen können.

 
 

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